Zytomegalie – für das Baby gibt es keine medizinische Hilfe
Zytomegalie ist eine Infektionskrankheit mit verheerenden Auswirkungen für schwangere Frauen und ihre Kinder. Denn erfolgreiche Behandlungsmöglichkeiten für infizierte Ungeborene gibt es bisher nicht. Säuglinge können erhebliche Schäden davontragen, im schlimmsten Fall sterben sie. Erfahren Sie hier, wie Schwangere einer Infektion vorbeugen können und welche Fortschritte die Medizin bei der Erforschung neuer Behandlungswege gemacht hat.

Zytomegalie wird durch das sogenannte „Humane Zytomegalievirus“ (HCMV) übertragen. Das Virus kommt weltweit vor. Laut Untersuchungen trägt etwa die Hälfte der europäischen Bevölkerung den Erreger in sich. Wer sich einmal damit infiziert, bei dem verbleibt das Virus ein Leben lang im Körper.
Für gesunde Menschen ist das Virus keine Bedrohung – für schwangere Frauen hingegen schon. Denn ihr Immunsystem ist durch die hormonelle Umstellung geschwächt, Erreger haben somit ein leichteres Spiel, in den Körper einzudringen.
Zytomegalie gehört zu den häufigsten Infektionskrankheiten, die während einer Schwangerschaft von der Mutter an das Ungeborene weitergegeben werden. Etwa eine von insgesamt 200 Frauen infiziert sich während der Schwangerschaft erstmals mit dem Virus, bei der Hälfte dieser Fälle wird das Virus an den Fötus übertragen. Von den infizierten Kindern erleiden etwa zehn bis 20 Prozent Schäden: In Deutschland sterben infolge der Infektion jährlich etwa 60 Kinder, mehr als 1000 kommen mit Behinderungen zur Welt.
Ursache für Krankheit ist eine „Schmierinfektion“
Wie kommt es zu einer Infektion mit dem gefährlichen Virus? Ausgangspunkt ist eine sogenannte „Schmierinfektion“, auch bekannt als „Kontaktinfektion“. Erreger werden über Berührungen weitergegeben, beispielsweise von Mensch zu Mensch oder indem kontaminierte Gegenstände angefasst werden. Zu den häufigsten Übertragungswegen gehören folgende Situationen:
- wechselnde Sexualpartner: Über Spermien und Scheidensekret wird das Virus übertragen. Je häufiger der Intimkontakt mit verschiedenen Partnern, desto größer die Wahrscheinlichkeit, mit dem Virus in Kontakt zu kommen.
- Umgang mit Kleinkindern unter drei Jahren: Sie scheiden nach einer Infektion häufig größere Virusmengen über den Stuhl aus
- Kontakt mit infektiösem Speichel, Urin, Blut, Tränen
Nach einer Infektion sind Symptome selten
In 99 Prozent der Fälle entstehen nach einer Infektion mit dem Zytomegalie-Virus keine Symptome – das gilt gleichermaßen für schwangere Frauen. Daher bemerken die betroffenen Personen mehrheitlich nichts von der Infektion. Wenn es in seltenen Fällen zu Beschwerden kommt, erkranken die Infizierten an Fieber, die Lymphknoten schwellen an, es entstehen Kopf- und Gliederschmerzen. Von der Ansteckung bis zum Auftreten der Symptome können zwei bis sechs Wochen vergehen.
Diagnose erfolgt mittels einer Blutuntersuchung

Mit einem Bluttest werden Antikörper nachgewiesen, die sich nach einer Infektion mit dem Zytomegalie-Virus entwickelt haben. Dieser Test ist allerdings im Rahmen der gynäkologischen Vorsorgeuntersuchungen nicht verbindlich vorgeschrieben und wird von den gesetzlichen Krankenkassen daher finanziell nicht erstattet. Die Kosten von rund 20 Euro müssen Eltern selbst zahlen.
Mediziner können anhand der Antikörper erkennen, ob die Infektion frisch ist, ob diese schon länger zurückliegt oder ob eine erneute Infektion mit dem Virus stattgefunden hat. Der Nachweis über den Zeitpunkt der Infektion ist deswegen so wichtig, weil dieser Konsequenzen für das ungeborene Kind hat. Mediziner unterscheiden zwei Fälle:
Fall Eins: Die Frau hat sich bereits vor der Schwangerschaft mit dem Virus infiziert: In diesem Fall wird das Kind mit großer Wahrscheinlichkeit keine Schäden davontragen, da sich im Blut der Mutter Antikörper gebildet haben. Mediziner vermuten, dass diese Antikörper dem Kind einen gewissen Schutz bieten.
Fall Zwei: Die Mutter infiziert sich während der Schwangerschaft mit dem Virus. Von 200 Schwangeren ist etwa eine Frau von einer Erstinfektion während der Schwangerschaft betroffen.
Bei einer Erstinfektion während der Schwangerschaft unterscheiden Mediziner wiederum zwei Fälle:
- Infiziert sich die Mutter innerhalb der ersten sechs Schwangerschaftsmonate mit dem Virus, besteht die Gefahr, dass beim Kind Fehlbildungen auftreten. Diese betreffen vor allem das Herz-Kreislauf-System, den Magen-Darm-Trakt, das Skelett und die Muskeln
- Infiziert sich die Mutter ab dem sechsten Monat mit dem Virus, schließen Mediziner eine Erkrankung des Kindes mehrheitlich aus. Die Ursachen hierfür sind wissenschaftlich nicht eindeutig geklärt.
In nahezu der Hälfte der Fälle geht die Erstinfektion auf das Kind über. Mittels einer Fruchtwasseruntersuchung kann festgestellt werden, ob das Kind das Virus in sich trägt. Die medizinische Untersuchung birgt allerdings Risiken: In 0,3 bis einem Prozent kommt es infolge einer Fruchtwasseruntersuchung zu Fehlgeburten.

Sollte sich das Kind tatsächlich angesteckt haben, wird es laut Studien mit einer Wahrscheinlichkeit von zehn bis 20 Prozent Schäden davontragen. Die Erkrankungen sind oftmals nicht unmittelbar nach der Geburt sichtbar. Es können Jahre vergehen, bis sie in Erscheinung treten. Zu den häufigsten Erkrankungen gehören:
- Vergrößerung der Leber und der Milz
- Petechien (stecknadelkopfgroße Blutungen aus den Kapillaren in die Haut)
- Mikrozephalie (kleine Kopfgröße)
- Netzhautentzündung beim Auge (Chorioretinitis)
- Gelbsucht (Ikterus)
- Störungen der Blutgerinnung
Durch eine Ultraschalluntersuchung werden Anzeichen einer Erkrankung beim Ungeborenen sichtbar. Diese Form der Untersuchung sollte laut Medizinern frühestens in der 21. Schwangerschaftswoche vorgenommen werden. Stellt der Gynäkologe Schäden am Kind fest, stehen Eltern häufig vor der Frage, ob sie ihr Kind abtreiben sollten. Nach der 20. Schwangerschaftswoche ist eine Spätabtreibung aufgrund einer medizinischen Indikation rechtlich möglich. Hierbei wird mit Medikamenten eine Geburt eingeleitet, es entstehen Wehen, die wiederum eine beabsichtigte Fehlgeburt auslösen. Eltern können sich nach dem Schwangerschaftsabbruch an Beratungsstellen wenden oder in Selbsthilfegruppen Unterstützung suchen.
Behandlung: Keine erfolgreichen Medikamente für Schwangere und ihre Kinder
Für gewöhnlich werden bei Infektionskrankheiten sogenannte „Virostatika“ („Virustatika“) eingesetzt. Dabei handelt es sich um Stoffe, die die Vermehrung von Viren hemmen. Während einer Schwangerschaft können Virustatika allerdings nicht eingesetzt werden, da sie im Verdacht stehen, Fehlbildungen beim ungeborenen Kind auszulösen. Deswegen werden in Studien sogenannte „Hyperimmunglobuline“ getestet. Diese hochangereicherten Antikörper bekämpfen bestimmte Erreger, indem sie frei im Blut zirkulierende Viren abfangen. Im Falle der Zytomegalie vermuten Wissenschaftler, dass sie die Kinder vor einer Ansteckung mit dem gefährlichen Erreger schützen.
Vorbeugung: Hygienemaßnahmen können Infektion verhindern

Schwangere sollten zunächst in Erfahrung bringen, ob sie sich in der Vergangenheit bereits mit dem Zytomegalie-Virus angesteckt haben. Mittels einer Blutuntersuchung beim Frauenarzt kann eine eindeutige Diagnose getroffen werden. Liegen keine Antikörper im Blut vor, sollte sich die Frau vor den Erregern schützen:
- Erhöhte Vorsicht im Umgang mit unter dreijährigen Kindern: Sofern diese infiziert sind, scheiden sie erhöhte Mengen des Virus über den Stuhl aus. Beim Windeln Wechseln, waschen, Naseputzen könnten die Viren auf die Frau übertragen werden.
- Hände gründlich waschen: Der Virus ist bis zu 48 Stunden infektiös. Durch Seife werden die gefährlichen Erreger inaktiviert.
- Kein gemeinsames Benutzen von Geschirr, Besteck, Zahnbürsten, Waschlappen und Handtüchern
Vorbeugende Maßnahmen, um ein Säugling vor einer Infektion zu schützen:
Die Mutter kann das Virus auf mehreren Wegen auf ihr Kind übertragen:
- im Mutterleib über die Plazenta
- im Geburtskanal
- nach der Geburt über die Muttermilch
Auf die ersten beiden Übertragungswege hat die Mutter keinen Einfluss. Letzteres kann die Mutter hingegen steuern, indem sie beim Stillen Vorsichtsmaßnahmen berücksichtigt. Einige Mediziner raten infizierten Müttern grundsätzlich davon ab, ihr Kind zu stillen. Andere Mediziner vertreten hingegen die These, dass das Stillen ausschließlich für Frühgeburten gefährlich sein kann, während gesunde Babys keine Schäden davontragen.
Da Muttermilch wichtige Nährstoffe enthält, empfehlen Mediziner das Kind weiterhin zu stillen. Allerdings sollte die Muttermilch vorbehandelt werden. Die wertvollen Inhaltsstoffe bleiben dabei erhalten, während die schädlichen Zytomegalie-Viren abgetötet werden. Die Aufarbeitung der Muttermilch funktioniert in drei Schritten:
Schritt 1: Muttermilch innerhalb von 90 Sekunden auf 62 Grad Celsius erhitzen
Schritt 2: Temperatur für fünf Sekunden halten
Schritt 3: Muttermilch auf 30 Grad Celsius abkühlen
Betroffene Frauen sollten mit ihrem Arzt besprechen, ob sie ihr Kind stillen sollten oder nicht.