Zwangsstörung: Was ist noch normal?

Gegen Fingernägel kauen gibt es einen speziellen Lack aus der Apotheke
Gegen Fingernägel kauen gibt es einen speziellen Lack aus der Apotheke

Eine kleine Zwangsstörung hat wohl jeder: Der eine kaut Nägel, der andere schaut zweimal, ob der Herd wirklich aus ist. Diese Ticks können auch belastend werden – aber wann?

Er meidet Gehwegfugen, benutzt jedes Stück Seife nur einmal, knipst das Licht immer dreimal an und aus: Die Zuschauer lieben Jack Nicholson im Klassiker „Besser geht's nicht" als Mann mit vielen Marotten. Nicholson in seiner Rolle als Melvin ist aber auch ein Paradebeispiel dafür, ab wann aus einer harmlosen Macke eine Zwangsstörung wird. „Wenn er den Alltag stark beeinflusst und viel Zeit kostet, ist er behandlungsbedürftig", sagt die Kieler Diplom-Psychologin Svenja Lüthge. „Manche Betroffene sehen beispielsweise so oft nach, ob sie das Bügeleisen oder den Herd auch wirklich ausgemacht haben, dass sie ständig zu spät kommen. In diesen Fällen ist eine Psychotherapie empfehlenswert."

Dagegen ist es völlig normal, der eigenen Wahrnehmung ab und an zu misstrauen und tatsächlich nachzuschauen, ob die Haustür verschlossen ist. Es ist auch in Ordnung, wenn Menschen im Laufe ihres Lebens kleine Rituale entwickeln. Der eine würde das Haus nie ohne Talisman verlassen, ein anderer steht morgens nicht mit dem linken Fuß auf, weil das Unglück heraufbeschwören soll.

Wenn der Zwang das Leben bestimmt

Mit kleinen Zwangsstörungen und Marotten kann man gut leben. Wer dennoch etwas ändern will, dem helfen häufig schon Kleinigkeiten. Gegen das häufige Überprüfen von Herd, Tür und Wecker empfiehlt der Psychologe: „Sobald Sie eine Sache als erledigt betrachten, bekommen Sie diese leichter aus dem Kopf. Dabei hilft eine Checkliste zum Abhaken."

Angewohnheiten bewusst durchbrechen

Wer bei einem spannenden Film vor lauter Nervosität Fingernägel kaut, sollte einen speziellen Lack aus der Apotheke auftragen. Mit dem Fuß wippen, die Haare zwirbeln, seine Stifte ordnen oder mit den Fingern trommeln: Wollen Sie sich solche Eigenarten abgewöhnen, müssen Sie sich diese bewusst machen. „Sie könnten zum Beispiel Ihren Partner oder eine Freundin bitten, Sie darauf aufmerksam zu machen, oder einen Wecker klingeln lassen, der Sie jedes Mal erinnert", rät die Expertin. Falls Sie aber mit Ihrer Marotte alt werden wollen, auch gut! Denn oft gibt sie Sicherheit, nach der Devise: Wenn die Welt draußen kompliziert ist, dann soll wenigstens privat ein wenig Ordnung herrschen.

Die drei häufigsten Zwänge

Reinigungszwang: Betroffene haben Angst vor Keimen, waschen sich etliche Male die Hände oder putzen ständig.

Ordnungszwang: Betroffene fühlen sich ohne Symmetrie unwohl, können beispielsweise nicht arbeiten, wenn der Schreibtisch unaufgeräumt ist.

Kontrollzwang: Betroffene müssen immer wieder dieselben Dinge überprüfen, um sich sicher zu fühlen (z. B. schauen, ob der Herd ausgestellt ist).