"Wir haben guten Sex, aber anders"
Wenn Männer nicht mehr können, dann kommt die große Angst. Herman und Annelie R. über ihr Leben mit der Impotenz.
Herman* erzählt: Prostatakrebs zerstörte meine Potenz
Die Diagnose Prostatakrebs traf mich vor sieben Jahren wie ein Schlag. Als man mir sagte, dass die zwingend notwendige Operation meine Potenz für immer zerstören würde, war ich geschockt. Ich hatte panische Angst, nie mehr einen Orgasmus zu haben. Dazu kam die Furcht: Wie wird meine Partnerin reagieren? Kann ich sie jetzt nicht mehr befriedigen? Zum Glück musste ich mich vor Annelie nicht schämen. Es ist ganz wichtig, offen mit der Partnerin über Ängste und Wünsche reden zu können. Einer Erektion nachzutrauern, die nie wiederkommt, hat keinen Sinn. Annelie und ich haben neue Lösungen für befriedigenden Sex gesucht, statt uns zu bemitleiden. Dabei zu erfahren, dass der Orgasmus auch ohne Erektion möglich ist, war wie eine Erlösung und eine große Erleichterung. Unsere Sexualität ist nicht aggressiv. Intimität und Vertrauen sind uns viel wichtiger geworden.
Bei meinem Eingriff wurde die Prostata entfernt. Dabei werden in der Regel die Nerven, die eine Erektion entstehen lassen, stark geschädigt. Deshalb wirkt Viagra bei mir auch nicht mehr. Meinem Selbstbewusstsein würde eine künstliche Erektion sowieso nichts bringen. Dann könnte ich genauso gut auch einen Vibrator nehmen.
Druck vom Partner erzeugt Versagensängste
Nach der Operation dauerte es ein paar Monate, bis ich meine Blockade verloren hatte. Wie jeder Mann hatte ich im Kopf: Nur Eindringen ist richtiger Sex. Heute fühle ich mich genauso männlich wie vor der Krankheit. Ich bin Gela sehr dankbar, dass sie verständnisvoll mit meiner Erektionsstörung umgeht. Wenn eine Frau Druck macht – nach dem Motto: Nicht mal das kannst du mehr – erzeugt das nur Versagensangst.
Seit der Diagnose engagiere ich mich in der Münchner Selbsthilfegruppe "Erektile Dysfunktion". Gerade viele junge Männer schreiben uns. Sie fürchten, impotent zu sein, wenn es ein paar Mal mit dem Sex nicht klappt. Ich empfehle: Verzichtet eine Zeit lang ganz bewusst auf das Eindringen. Man findet instinktiv Alternativen, die auch Befriedigung bringen. Ich hätte es ja selbst nie gedacht: Aber trotz Impotenz ist mein Sex-Erleben heute befriedigender als vor der Operation.
Annelie erzählt*: Der Krebs war wichtiger als die Potenz
Herman und ich waren seit zwei Jahren ein Paar. Unser Liebesleben war wunderbar, ohne irgendwelche Probleme. Dann ist er plötzlich an Prostatakrebs erkrankt. Die Folge: Impotenz. Ich hätte ja nie gedacht, dass ich mit dem Thema einmal konfrontiert werden würde. Wie bei jeder Veränderung hatte ich im ersten Moment Angst. Meine Sorge galt ausschließlich der Frage, ob und wie der Krebs besiegt werden könnte. Mit seiner Potenz habe ich mich wenig beschäftigt.
Impotenz ist für viele ein Tabu. Männer fürchten, als Versager dazustehen, sie lassen sich dabei leicht verunsichern. Auch Herman hat sich nach der Operation viele Gedanken gemacht. Er hatte Angst, dass ich ihn nicht mehr als ganzen Mann sehe. Diese Ängste konnte ich überhaupt nicht begreifen. Frauen, mit denen ich mich unterhalten habe, bewerten Männer nicht nach ihrer Erektionsfähigkeit. Und mir fiel es leichter, damit umzugehen, weil ich ja keinen Grund hatte, seine Erektionsstörung auf mich zu beziehen. Sonst fragen sich Frauen wahrscheinlich oft: Hat es etwas mit mir zu tun?
Unsere Sexualität hat sich trotz der Impotenz verbessert
Ich habe nie daran gedacht, Herman deswegen zu verlassen. Unser Gefühlsleben hat auch nie darunter gelitten. Für mich gibt es beim Sex auch noch etwas Wichtigeres als den reinen Geschlechtsakt. Zärtlichkeit und Berührungen zum Beispiel. Wäre ich 30 Jahre jünger, hätte ich vielleicht anders reagiert, verunsicherter, hätte möglicherweise mehr infrage gestellt. Aber Partnerwechsel, wie in jüngeren Jahren, liegen hinter mir. Auch Kinder waren für keinen von uns ein Thema mehr. Wir haben beide schon welche aus erster Ehe.
Für mich hat sich unsere Sexualität eindeutig verbessert. Sie kann immer noch spontan sein. Aber der Umgang miteinander ist behutsamer geworden und viel intimer. Wir haben uns auf die neue Situation eingestellt und gemerkt, dass Alltagsstress und Hektik Stimmungskiller sind, besonders für einen impotenten Mann. Eine entspannte Atmosphäre und ein liebevolles Miteinader sind uns sehr wichtig. Und man muss kreativer werden beim Sex, es fehlt ja etwas. Auf einen Orgasmus muss ich deswegen nicht verzichten. Sexspielzeug ist für mich keine Alternative. Wenn mich Freunde auf das Thema Impotenz ansprechen, ist das okay. Ich habe kein Problem damit.
* Namen von der Redaktion geändert
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