Wie spreche ich mit meinem Kind über Sex?

Mutter unterhält sich mit ihrem Sohn
Sollte ich mit meinem Kind über Sex sprechen? Ja, sagen die Forscher einer aktuellen Studie – und verraten auch, wie es am besten geht Foto: Fotolia
Auf Pinterest merken

Gespräche über Sex sind für Eltern und Kinder oft unangenehm. Trotzdem sollten Eltern das Thema nicht übergehen: Eine neue Studie zeigt, dass Jugendliche, die mit ihren Eltern ein Aufklärungsgespräch hatten, sich besser schützen und verantwortungsvoller verhüten.

Die meisten Eltern sind erst einmal peinlich berührt, wenn ihr Kind die ersten Fragen zum Thema Sex stellt – manche hoffen deshalb, dass ihnen das Thema Aufklärung beispielsweise durch den Sexualkundeunterricht komplett abgenommen wird. Dabei ist ein persönliches Gespräch mit den Eltern für das Kind wichtig: Jugendliche, die das Thema mit ihren Eltern besprochen haben, nutzen eher Verhütungsmethoden wie das Kondom als Jugendliche, die kein Aufklärungsgespräch mit den Eltern hatten. Das ist das Ergebnis einer Studie, die online auf „JAMA Pediatrics“ veröffentlicht wurde.

Konkretes Fachwissen spielt eine untergeordnete Rolle

Dr. Laura Widman, Chefautorin und Assistenzprofessorin der Psychologie an der North Carolina State University in Raleigh, hält fest, dass besonderes Fachwissen für das Gespräch nicht nötig ist: „Wichtig ist, dass die Eltern das Thema überhaupt ansprechen. Das ist eine gute Nachricht für alle, die die Konversation scheuen.“ Für ihre Studie analysierte Dr. Widman mit ihrem Team mehr als 50 Studien zum Thema Gesundheit von Jugendlichen, an denen mehr als 25.000 Personen teilgenommen hatten.

In einer anderen kürzlich veröffentlichten Studie wurden 600 Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 15 befragt, ob und wenn ja, wie in ihrem Elternhaus über Sex gesprochen wird. Dabei gab rund ein Drittel der Befragten an, noch nie mit den Eltern über dieses Thema geredet zu haben. Auch diese Studie wurde von Dr. Widman geleitet. Ihr damaliges Ergebnis: Jugendliche, die mit ihren Eltern über Sex gesprochen haben, haben dann darüber auch eher mit ihren Sexualpartnern geredet. „Wir wissen, dass Jugendliche eher ein Kondom nutzen, wenn sie mit ihrem Partner offen darüber reden können“, so Dr. Widman. „Wer seinem Kind in einem Gespräch also verständlich machen kann, dass die Verhütungsfrage kein Tabuthema ist, kann das Verhalten des Jugendlichen beeinflussen.“

Ein junges Liebespaar entdeckt die Liebe
Der erste Kuss, die erste Liebe, das erste Mal: Für Jugendliche sind die ersten sexuellen Erfahrungen sehr wichtig. Sie können Ihr Kind bereits früh darauf vorbereiten. Foto: Fotolia

Ein frühes Gespräch kann dazu führen, dass der erste Sex später stattfindet

Viele Eltern fürchten, dass sie ihrem Kind mit einem frühen Gespräch vermitteln, dass es in Ordnung ist, auch schon in einem jungen Alter den ersten Sex zu haben. Doch es gibt bereits Studien, in denen diese Annahme widerlegt wurde: Jugendliche, denen es leicht fällt, über Sex zu sprechen, haben häufiger später ihre ersten sexuellen Erfahrungen als andere Jugendliche.

Und noch eine gute Nachricht für Eltern: Meist sind es eher die Teenager, die beim ersten Gespräch über Sex nervös sind. Bei einer Befragung aus dem Jahr 2012 gab rund die Hälfte der befragten Jugendlichen an, das Gespräch mit den Eltern sei ihnen unangenehm. Bei den Eltern waren es nur 19 Prozent. „Jugendliche denken häufig, dass ihre Eltern überreagieren oder davon ausgehen, ihr Kind hätte schon Sex, nur weil es Fragen dazu hat“, sagt Dr. Vincent Guilamo-Ramos. Der Professor für soziale Arbeit an der „New York University  Silver School of Social Work“ arbeitete an einigen Studien zum Thema mit und hat einen Leitfaden verfasst, wie Eltern mit ihrem Nachwuchs am besten über das Thema Sex reden sollten:

Bis zum 5. Lebensjahr

Grundsätzlich gilt: Fängt ein Kind an, Fragen zu stellen, ist es auch alt genug für Antworten. Benutzt Ihr Kind für die Geschlechtsorgane spielerische Begriffe, können Sie diese bei der Erklärung auch verwenden – allerdings sollten Sie die wirklichen Namen ebenfalls nennen.

Zwischen dem 6. und 9. Lebensjahr

Die meisten Schulkinder haben in der vierten Klasse das erste Mal Sexualkundeunterricht und lernen, wie ein Baby entsteht. Eltern können aber durchaus schon früher beim Kind nachfragen, wie es sich selbst den Prozess vorstellt und so eventuelle Missverständnisse ausräumen.

Zwischen dem 10. und 12. Lebensjahr

Die Vorpubertät beginnt – und plötzlich ist alles peinlich, was die Eltern sagen und tun. Kinder neigen in diesem Lebensalter dazu, sich für alles und jeden zu schämen. Deshalb sollten Sie Ihr Kind nicht drängen, über Sex zu sprechen. Anknüpfungspunkte gibt es aber im täglichen Leben genug, beispielsweise beim Anschauen einer Daily Soap. Wenn Sie merken, dass das Kind Interesse zeigt, können Sie über Beziehungsfragen wie Treue und Liebe sprechen.

Zwischen dem 13. und 15. Lebensjahr

Jugendliche sammeln in diesem Alter häufig die ersten sexuellen Erfahrungen – vom ersten Kuss bis hin zum ersten Mal. Jetzt ist der Zeitpunkt, offen über Verhütung zu sprechen, auch wenn es dem Jugendlichen immer noch unangenehm sein sollte. Wichtig: Einige Jugendliche unterschätzen, weshalb eine frühe Schwangerschaft für ihr weiteres Leben schwierig sein kann. Erklären Sie daher nicht einfach nur, dass Verhütung wichtig ist, sondern auch, welchen Einfluß eine Schwangerschaft beispielsweise für den Schulabschluss und die spätere Karriere bedeuten kann.

Ab dem 16. Lebensjahr

Viele Jugendliche führen jetzt ihre erste Beziehung und sind sich in vielen Dingen unsicher. Nun ist es wichtig, für den Nachwuchs da zu sein: Haben Sie ein offenes Ohr für Liebeskummer. Vielleicht fühlt sich der Jugendliche auch unter Druck gesetzt, weil Freunde oder Klassenkameraden bereits von ihrem ersten Sex berichten oder der eigene Partner dazu drängt. Verdeutlichen Sie, dass Sie sich für Ihr Kind eine stabile, glückliche Beziehung wünschen, in der Sex in erster Linie ein Ausdruck der Liebe ist – und dass Ihr Kind sich nicht genötigt fühlt muss, das erste Mal zu erleben, nur weil es offenbar alle anderen schon getan haben.