Wie gefährlich ist der Rotavirus?

Der hochansteckende Rotavirus verbreitet sich aktuell zunehmend im Norden Deutschlands. Bereits bis Mitte Oktober wurden beim Robert-Koch-Institut 1.019 Infektionen in Schleswig-Holstein gezählt – 61 Prozent mehr als im entsprechenden Zeitraum des Vorjahres. Besonders betroffen ist Nordfriesland.
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) infizieren sich jährlich mehr als 138 Millionen Menschen weltweit mit dem Rotavirus. Bis zu 600.000 Fälle der viralen Gastroenteritis oder Pädiatrischen Rotavirus-Gastroenteritis, wie Mediziner die Erkrankung durch den Rotavirus bezeichnen, verlaufen tödlich. Schwellen- und Entwicklungsländer in Afrika, Asien und Lateinamerika sind durch mit Viren verseuchtes Trinkwasser stark betroffen.
Übertragungswege und Krankheitszeichen
Eine Ansteckung geschieht über eine Schmierinfektion. Viren im Stuhl gelangen an die Hände und von dort an den Mund und in den Verdauungstrakt. Da die Erreger sehr resistent sind und lange überleben, ist eine Infektion auch durch verunreinigte Gegenstände wie Toiletten oder Türgriffe möglich. Höchste Aufmerksamkeit sollte daher auf der Hand- und Sanitärhygiene liegen, besonders vor der Zubereitung und dem Verzehr von Speisen. Desinfektionsmittel und viruzide Reinigungsseifen aus der Apotheke helfen, die Viren abzutöten. Bettwäsche und Handtücher der Erkrankten werden regelmäßig gewechselt und bei mindestens 60 Grad Celsius gewaschen. Auch der Kontakt zu anderen Menschen sollte gemieden werden, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Nach Abklingen der Beschwerden ist der Patient noch bis zu acht Tage virulent.
Die Inkubationszeit beträgt ein bis drei Tage. Eine Erkrankung durch Rotaviren zeigt sich durch starke Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen. Durch den daraus folgenden Flüssigkeitsverlust kommt es häufig zu Schwindel und Kreislaufproblemen. Nicht selten werden diese Beschwerden von Fieber, Husten und Schnupfen begleitet.
Risikogruppen
Rotaviren gelten als die häufigste Ursache für Magen-Darm-Erkrankungen bei Kleinkindern, von denen sich bis zum fünften Lebensjahr die Mehrheit infiziert. Dies geschieht zumeist zwischen dem sechsten und 24. Lebensmonat. Säuglinge, die gestillt werden, sind durch die in der Muttermilch enthaltenen Antikörper widerstandsfähiger gegen Rotaviren. Eine wiederholte Ansteckung ist nicht ausgeschlossen, da eine Vielzahl an Virusstämmen existiert. Der Körper wird im Laufe des Lebens jedoch resistenter gegen Rotaviren. Obgleich auch gesunde Jugendliche und Erwachsene zwischen dem zehnten und 70. Lebensjahr betroffen sein können, fällt der Verlauf bei ihnen deutlich milder aus. Krankheitszeichen werden häufig nicht als solche gedeutet. Ältere und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem sind dagegen wie Kleinkinder besonders gefährdet.

Krankheitsverlauf
Die virale Gastroenteritis, deren Symptome von selbst abklingen, dauert meist zwei bis sechs Tage. Die Gabe von Antibiotika lindert nicht die Erkrankung, da sie wirkungslos gegen Viren sind und vielmehr die wichtigen Darmbakterien weiter schwächen. Auch stopfende Nahrung oder Medikamente können den Verlauf vielmehr verlängern.
Bettruhe ist dagegen wichtig, um den entkräfteten Körper zu schützen. Mineralwasser ohne Kohlensäure oder verdünnte Kräutertees helfen, den Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Der Salzhaushalt kann bei milden Verläufen durch Elektrolyt-Ersatzlösungen unterstützt werden. Die Mischung aus Traubenzucker, Kochsalz, Kalium- und Natriumcitrat ist verschreibungsfrei in der Apotheke erhältlich. Kranke Säuglinge werden weiter in den gewohnten Abständen gestillt.
Kleinkinder, Schwangere und ältere Menschen sollten, besonders wenn die Beschwerden länger als zwei bis drei Tage anhalten und von Fieber begleitet werden, einen Arzt aufsuchen, der gegebenenfalls zu einer Einweisung ins Krankenhaus rät. Etwa die Hälfte der an Rotaviren erkrankten Kinder muss wegen des hohen Flüssigkeitsverlusts durch Durchfall und Erbrechen stationär behandelt werden. Im schlimmsten Fall kann die Infektion lebensbedrohlich sein. Im Stundentakt bekommen die Patienten im Krankenhaus zur Einnahme oder als Infusion Salzlösungen verabreicht, die üblicherweise bereits nach 24 Stunden zu einer Besserung führen.

Meldepflicht
Seit 2001 besteht eine Meldepflicht für eine Infektion durch Rotaviren. Nach den Regelungen des Infektionsschutzgesetzes dürfen Kinder unter sechs Jahren, die an ansteckenden Durchfallerkrankungen leiden oder bei denen der Verdacht darauf besteht, bis zwei Tage nach Abklingen der Symptome nicht die Schule oder den Kindergarten besuchen. Eltern müssen diese Einrichtungen über die Infektion informieren. Ähnliches gilt für Menschen, die beruflich mit Lebensmitteln zu tun haben. In diesen Fällen entscheidet der zuständige Arzt oder das Gesundheitsamt.
Impfung
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt für Säuglinge eine Schluckimpfung gegen Rotaviren, wobei die erste Impfung ab der vollendeten sechsten bis spätestens bis zur zwölften Lebenswoche erfolgen sollte. Dies gilt auch für Frühgeborene. Je nach Impfstoff müssen zwei oder drei Impfstoffdosen in einem Mindestabstand von vier Wochen verabreicht werden. Die Impfung sollte, je nach Impfstoff, bis zum Alter von 16 oder 32 Wochen abgeschlossen sein.
Es stehen in Europa zwei orale Lebendimpfstoffe zur Wahl: Rotarix und RotaTeq. Die speziell gezüchteten Virusstämme regen das Immunsystem zur Bildung von Antikörpern an.
Rotarix enthält abgeschwächte Lebendviren, die besonders wirksam gegen den häufigsten Serotyp G1, aber auch zu 75 % gegen die Serotypen G2, G3 und G9 wirken. Vor der oralen Verabreichung wird der Impfstoff aus einem Pulver und einer Flüssigkeit gemischt. Ab der vollendeten sechsten Lebenswoche wird eine Dosierung verabreicht, die zweite Impfdosis erfolgt frühestens nach vier, spätestens im Alter von 24 Wochen.
RotaTeq enthält einen Virusstamm vom Rind, der mit Antigenen der fünf häufigsten Rotaviren G1, G2, G3, G4 und G9 verknüpft wird. Die gebrauchsfertige Flüssigkeit wird zum ersten Mal im Alter von sechs bis zwölf Wochen verabreicht. Zwei weitere Dosierungen folgen im Abstand von mindestens vier Wochen. Im Alter von 32 Wochen sollte die Impfung abgeschlossen sein.
Wirksamkeit
Die Wirksamkeit der Impfung gegen Rotaviren wurde in mehreren Studien nachgewiesen. So verringert sich im ersten Jahr nach der Impfung das Risiko einer schweren Erkrankung um 80 bis 90 Prozent. Mit den Jahren lässt der Impfschutz jedoch wieder nach. Dieser Prozess setzt schon ab dem zweiten Jahr nach der Impfung ein. Ein Grund hierfür sind andere als im Impfstoff berücksichtigte Erregerstämme.
Rotavirus-Antikörper sowie weitere Proteine in der Muttermilch können den Erfolg der Impfung ebenfalls beeinträchtigen. Die STIKO empfiehlt Müttern daher, kurz vor und nach der Schluckimpfung ihrer Säuglinge nicht zu stillen.
Nebenwirkungen und Risiken einer Impfung
Zu den häufigsten Nebenwirkungen, die bei 0,5 bis 2,5 Prozent der Geimpften auftreten, zählen Appetitverlust, Durchfall, Erbrechen und Fieber. Bei Säuglingen mit angeborener Immunschwäche-Erkrankung oder unbekannten chronischen Vorerkrankungen können schwere, unbehandelbare Durchfälle und Infektionen die Folge sein. Unter anderem aufgrund von Lungenentzündungen, vor allem bei dem Impfstoff Rotarix, kommt es zu einer erhöhten Sterblichkeit in den ersten 30 Tagen nach Verabreichung des Impfstoffs.

Zudem besteht nach der ersten Dosis eine geringfügig erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Einstülpung eines Darmabschnitts in einen anderen. Das Risiko für diese sogenannte Invagination liegt bei ein bis zwei zusätzlichen Fällen pro 100.000 geimpfter Kinder. Da das Risiko mit steigendem Alter der Säuglinge zunimmt, sollte die Impfung möglichst früh erfolgen. Anzeichen für eine Invagination sind Erbrechen, Blut im Stuhl und starke Bauchschmerzen, die sich durch lautes Schreien und Anziehen der Beine des Kindes zeigen. Ein lebensbedrohlicher Darmverschluss oder – durchbruch kann die Folge sein. Der frühere Impfstoff RotaShield wurde aus diesem Grund vom Markt genommen. Doch auch bei Rotarix und RotaTeq kommt es bei einem bis sechs von 100.000 Geimpften zu dieser Nebenwirkung.
Aufgrund der Gefahr von Darminvaginationen wurde die Impfempfehlung in Frankreich im Jahr 2015 aufgehoben. Während eine Impfung in Entwicklungsländern unerschwinglich ist, sind die Impfpläne auch in Europa zwiespältig und teilweise von der Kosteneffektivität abhängig. In Deutschland und Österreich gilt die Impfempfehlung, in der Schweiz hingegen nicht, da die Impfkosten eines Jahrgangs von Säuglingen, die bei 135 Euro pro Kind liegen, die Behandlungskosten übersteigen.
Noch nicht ausreichend untersucht wurde die beobachtete Verunreinigung der Impfstoffe mit Schweineviren, die sich in menschlichen Zellen vermehren können, und dessen Folgen für Säuglinge.
Ob Eltern ihre Kinder impfen lassen, ist daher trotz der Empfehlung der STIKO eine persönliche Abwägung. Auf der einen Seite steht eine Darminfektion, die zumeist harmlos verläuft, durch den hohen Flüssigkeitsverlust jedoch zu stationären Krankenhausaufenthalten führen kann. Auf der anderen Seite steht die Impfung, die neben den kurzzeitigen Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden ernste Risiken wie eine Darminvagination verursachen kann.