Probiotika: Wie viel ist zu viel?

...und was sind die Folgen? Probiotika haben sich in den letzten Jahren einen Ruf als Superfoods unter den
Nahrungsergänzungsmitteln erarbeitet – sie stärken den Darm, das Immunsystem und schützen sogar das Gehirn. Doch sie können auch ernsthafte Probleme auslösen, wie US-Mediziner jetzt berichten.
Die Darmflora rückt immer mehr in den Fokus von Medizinern – zahlreiche Forschungsarbeiten weisen auf ihre jahrzehntelang unterschätzte Rolle bei der Steuerung wichtiger körperlicher Abläufe hin. Zu diesen Abläufen gehört neben der Arbeit des Darms die der körpereigenen Abwehr – aber auch die des Gehirns, wie Studien zeigen.
Die Darmflora besteht aus Milliarden von Mikroorganismen verschiedener Gattungen, die im Idealfall in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander leben. Die wohl bekanntesten und wichtigsten unter den Darmbewohnern sind die sogenannten Milchsäurebakterien. Ihre Aufgabe ist es, Milchsäure herzustellen, mit der sie den Körper bei der Verwertung der Nahrung sowie bei der Abwehr von Krankheiten unterstützen.
Speziell den Milchsäurebakterien der Gattung Laktobazillus wird eine gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben. Doch da diese Bakterien empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen wie medikamentösen Therapien oder einer zucker- und weißmehlreichen Ernährung sind, raten Experten dazu, sie etwa nach einer Antibiotikabehandlung zusätzlich zur normalen Ernährung als Probiotika in Form von Kapseln einzunehmen.
„Übeltäter“ Milchsäure
Der aktuelle Bericht von Forschern der Augusta University in Georgia zeigt, dass die Einnahme von Probiotika auch schädliche Auswirkungen haben kann: Die Mediziner berichten von 30 Patienten, die alle an Magen-Darm-Beschwerden wie Bauchschmerzen und Blähungen litten und zusätzlich durch eine besondere Symptomatik auffielen: Sie hatten immer wieder mehrstündige Schübe von Verwirrung und Konzentrationsstörungen. Die Forscher stellten diesen Patienten eine Kontrollgruppe aus acht Personen gegenüber, die ebenfalls über Magen-Darm-Beschwerden klagten, aber keine Konzentrationsprobleme hatten.
Zunächst schlossen die Mediziner verschiedene Erkrankungen als Ursache für die „Verneblungszustände“ aus. Bei der Suche nach toxischen Stoffen im Organismus der Probanden wurden sie jedoch fündig: Sie wiesen alle auffällig hohe Milchsäurekonzentrationen in Blut und Urin auf.
Wie Milchsäure dem Gehirn schaden kann
Nähere Untersuchungen ergaben enorme Mengen Laktobazillen im Dünndarm der Patienten. Dort siedeln sich normalerweise nur kleine Kolonien der Bakterien an – ihr eigentlicher „Bestimmungsort“ ist der Dickdarm.
Eine Befragung der Patienten ergab, dass alle Probiotika einnahmen – in der Kontrollgruppe tat dies nur eine Person. Bei den Patienten mit dem „Hirnnebel“ hatten sich erhebliche Mengen der eingenommenen Milchsäurebakterien in den Dünndarm „verirrt“ und von dort aus eifrig Milchsäure produziert, die anschließend durch die Darmwand ins Blut gelangt war. Einmal im Blutstrom angelangt, kann die Milchsäure zum Gehirn wandern, wo sie eine schädigende Wirkung auf Neuronen hat – was zur Beeinträchtigung der Denkleistung führen kann.
Bei Konzentrationsproblemen Probiotika absetzen
Alle Patienten wurden gebeten, ihre Probiotika abzusetzen. Nach drei Monaten ging es den meisten deutlich besser und der Nebel im Kopf hatte sich gelichtet.
Offen bleibt die Frage, wie es zu der „Verirrung“ der Milchsäurebakterien kam – die Antwort darauf konnten die US-Forscher bei ihren Untersuchungen nicht finden. Sie glauben dennoch an die positive Wirkung von Probiotika auf den Organismus – doch bei Symptomen wie Konzentrationsschwäche in Zusammenhang mit Magen-Darm-Beschwerden sollten Ärzte und Patienten ihrer Meinung nach hellhörig werden und die Probiotika probeweise absetzen.
Quelle:
Rao, Satish SC, et al. (2018): Brain fogginess, gas and bloating: a link between SIBO, probiotics and metabolic acidosis, in: Clinical and translational gastroenterology.