Wenn das Kind plötzlich überall blaue Flecken hat…

Kleinkinder haben häufig blaue Flecken, sogenannte Hämatome – schließlich toben sie viel herum, laufen vielleicht noch nicht so sicher und fallen einfach öfter. Aber wenn die blauen Flecken plötzlich Überhand nehmen und man sich das nicht mehr mit „Tollpatschigkeit“ und wildem Umhertollen erklären kann, machen sich Eltern immer große Sorgen: „Das könnte doch Leukämie sein“, denken viele.

Kinderärztin Dr. Nadine Hess klärt auf über blaue Flecken bei Kindern
Expertin Dr. med. Nadine McGowan: „Bei einer nachgewiesenen ITP sollten die Kinder bis zur vollständigen Erholung der Blutplättchen auf keinen Fall Ibuprofen einnehmen“ Foto: privat

Das sagt die Kinderärztin Dr. med. Nadine McGowan

In meiner Praxis erlebe ich das oft. Leukämie ist eine lebensbedrohliche Krankheit, vor der sich Eltern zu Recht fürchten. Sie ist aber zum Glück sehr selten. Wenn Kinder zwischen zwei und fünf Jahren an ungewöhnlich vielen blauen Flecken leiden, ist die Ursache in der Regel eine weitaus weniger dramatische Erkrankung: Die sogenannte idiopathische thrombozytopenische Purpura, kurz ITP.

Woher kommen die blauen Flecken?

Nasenbluten beim Kind Symptom von ITP
Kinder mit ITP neigen zu vermehrtem Nasenbluten Foto: Shutterstock

Hierbei bildet der Organismus nach einem meistens harmlosen Virusinfekt innerhalb von ein bis vier Wochen plötzlich Antikörper gegen bestimmte Bestandteile des Bluts, sogenannte Thrombozyten. Diese Blutplättchen sind wichtig für eine funktionierende Blutgerinnung. Durch die Antikörper werden die Thrombozyten geschädigt und anschließend vom Körper als „nicht funktionstüchtig“ aussortiert. Dadurch bluten auch kleine Verletzungen stärker und es entstehen leichter blaue Flecken. Weitere Folgen: Kleine, punktförmige Blutungen in der Haut und vermehrtes Nasenbluten. Beides sind aber Hinweise, die Eltern ernst nehmen sollten und einen Arztbesuch notwendig machen.

Wie gefährlich ist die ITP?

Kind mit blauen Flecken, Verdacht auf ITP
Wenn Kinder zwischen zwei und fünf Jahren an ungewöhnlich vielen blauen Flecken leiden, ist die Ursache oft eine sogenannte idiopathische thrombozytopenische Purpura, kurz ITP Foto: Fotolia

Bei weniger als einem Prozent der an ITP erkrankten Kinder kommt es zur schwerwiegendsten Komplikation – einer Hirnblutung. Diese kann lebensbedrohlich sein. Darum müssen Eltern, bei deren Kind eine ITP diagnostiziert wurde, auch bei kleinen Kopfverletzungen das Krankenhaus aufsuchen und dort für 48 Stunden überwacht werden. Erst dann kann man – wenn das Kind bis dahin keinerlei Symptome wie starken Kopfschmerz, Erbrechen oder Bewusstlosigkeit aufgewiesen hat – relativ sicher sein, dass keine innere Blutung aufgetreten ist. Auch Blutungen im Magen-Darm-Trakt können gefährliche Ausmaße annehmen.

In den allermeisten Fällen geht jedoch alles gut und es muss auch keine Behandlung erfolgen. In der Regel erholen sich die Thrombozyten von alleine ohne Folgeschäden und es kommt auch zu keiner erneuten ITP.

Wie behandeln Ärzte eine schwere ITP?

Bei Komplikationen rate ich zu einer hochdosierten Kortisongabe, zu Immunglobulinen und gegebenenfalls auch zu einer Blutplättchen-Transfusion. In jedem Fall gehört die Diagnose und Therapie dieser Erkrankung in die Hände eines auf Bluterkrankungen bei Kindern spezialisierten Arztes (Kinderhämatologe) – zu dem Ihr Kinderarzt sie bei Verdacht auf eine ITP überweisen wird.

Worauf sollten Eltern achten?

Wichtig: Bei einer nachgewiesenen ITP sollten die Kinder bis zur vollständigen Erholung der Blutplättchen auf keinen Fall Ibuprofen einnehmen. Bei starken Schmerzen empfehle ich Paracetamol. Ibuprofen hemmt das Zusammenkleben der Blutplättchen und würde somit die ohnehin schon herabgesetzte Gerinnungsfähigkeit des Blutes bei ITP noch weiter verschlechtern.