Wege aus der Sucht

Ein Absetzen von Suchtmitteln sollte am besten von einem Arzt begleitet werden. Denn er kann auftretende Entzugserscheinungen wie Schwindel, Zittern und Bauchkrämpfe mit Medikamenten abmildern

Viele denken, dass es für sie keinen Ausweg aus der Sucht gäbe. Das ist nicht richtig, denn Ärzte können oft helfen: Entweder mit langsamem Ausschleichen des Suchtmittels oder in der Entzugsklinik.

Rund 1,4 Millionen Deutsche sind medikamentenabhängig, etwa ebenso viele sind süchtig nach Alkohol. Doch nur etwa zehn Prozent der Betroffenen unterziehen sich einer Therapie. Dabei können sowohl Medikamente als auch Alkohol bei übermäßigem Gebrauch Körper und Seele schwer schädigen.

Ein langjähriger starker Alkoholkonsum führt zu Konzentrationsschwäche, mangelndem Antrieb, Stimmungsschwankungen und Unzuverlässigkeit. Das Wesen eines Alkoholikers verändert sich. Oft fehlt Betroffenen auch die Einsicht, dass sie mit Alkohol überhaupt ein Problem haben. Ihre zunehmende Reizbarkeit und Gewaltbereitschaft machen das Zusammenleben mit ihnen zu einer harten Belastungsprobe.

Männer-Süchte, Frauen-Süchte

Während Männer eher zur Flasche greifen, leiden Frauen häufiger an der unauffälligen Sucht nach Beruhigungsmitteln. Oft beginnt sie damit, dass der Arzt ihnen ein Medikament gegen Schlafstörungen, Ängste und Depressionen, oder auch gegen schmerzhafte Verspannungen verschreibt: ein sogenanntes Benzodiazepin. Die sollten eigentlich nur im Notfall für akute psychische Krisen eingesetzt werden, denn Beruhigungsmittel führen schnell in die Abhängigkeit. Der Körper gewöhnt sich nach wenigen Wochen regelmäßiger Einnahme an diesen Stoff und verlangt dann danach.

Dr. Rüdiger Holzbach, Chefarzt der Abteilung Suchtmedizin der LWL-Klinik Lippstadt, erklärt: „Bei jeder Substanz, die eine Abhängigkeit hervorrufen kann, entwickelt der Körper im Laufe der Zeit eine Gewöhnung. Die ursprüngliche Dosis wirkt immer schwächer. Es kommt zu einer Unterdosierung. Die Folge sind dann Symptome wie Schlafstörungen, Dünnhäutigkeit und Stimmungsschwankungen.“

Wer dann die Dosis steigert, wird aber immer antriebsloser. Auch das Gedächtnis sowie das Interesse an der Umwelt lassen stark nach. Dieser Zustand wird von Experten auch als „Apathiephase“ bezeichnet, den Süchtigen scheint alles egal zu sein. Sie wirken gefühllos und verwirrt. Partner, Kinder und andere Angehörige werden dadurch stark belastet. „Durch die muskelentspannende Wirkung und die Verschlechterung der Reaktionszeit sind ältere Menschen in dieser Phase außerdem sehr sturzgefährdet“, warnt Dr. Holzbach.

Suchtmittel behutsam absetzen mit ärztlicher Hilfe

Ein Absetzen der Suchtmittel – ob Alkohol oder Benzodiazepine – sollte am besten von einem Arzt begleitet werden, weil er auftretende Entzugserscheinungen wie Schwindel, Zittern und Bauchkrämpfe mit Medikamenten abmildern kann. Über einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten werden so z. B. die Beruhigungsmittel langsam ausgeschlichen.

„Leichtere Abhängigkeiten können beim Arzt entzogen werden. Bei höheren Dosierungen und weiteren zu behandelnden psychischen Problemen ist ein Klinikentzug notwendig“, gibt Dr. Holzbach zu Bedenken. „Bei anderen Süchten wie Alkoholismus ist der Entzug in einer Klinik fast immer der Königsweg. Danach sollte eine Therapie mit regelmäßigem Besuch von Selbsthilfegruppen folgen.“

Sucht: Jeder will Respekt und Geborgenheit

Nach der körperlichen Entwöhnung dauert es oft Monate oder gar Jahre, bis die seelische Abhängigkeit besiegt ist. Denn oft stellt der Griff zu Alkohol, Medikamenten oder anderen Drogen eine Ersatzhandlung dar, um ein Loch zu füllen, das der Betroffene in seinem Leben spürt.

Um diesen gefühlten Mangel auszugleichen, ist der Halt bei Freunden, in Vereinen oder in der Partnerschaft wichtig. Falls Beziehungen durch die Sucht zu sehr belastet sind, kann eine Psychotherapie, bei der Angehörige mitbehandelt werden, große Hilfe leisten. Positive neue Herausforderungen, wie z. B. ein Ehrenamt oder ein Hobby, können das Leben erfüllter machen und die Möglichkeit zu neuen, respektvollen Freundschaften eröffnen.

Denn Menschen, die uns ernst nehmen, Sorgen und Probleme mit uns teilen und uns ein Gefühl des Respekts und der Geborgenheit geben, sind der beste Schutz vor dem Rückfall in die Sucht.

Quelle: Mach mal Pause, 1/2010