Was tun bei einem Nervenzusammenbruch? Darauf kommt es in den ersten 48 Stunden an!

Belastende Ereignisse und ein ständig hoher Stresspegel können eine seelische Krise auslösen. Was sollte man bei einem Nervenzusammenbruch tun – als Betroffener, aber auch als Partner oder Freundin?

Ein Mann tröstet eine Frau
Emotionale Unterstützung vom Umfeld helfen Betroffene, schneller die seelische Krise zu überwinden Foto: iStock/kitzcorner

Ein Nervenzusammenbruch kann jeden ereilen. Dann kommt es darauf an, wie man selbst und das Umfeld reagiert. Den nur, wenn die richtigen Maßnahme ergriffen werden, können Langzeitfolgen verhindert werden. Denn aus einer kurzzeitigen psychischen Krise kann sich eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln. Was man bei einem Nervenzusammenbruch tun sollte.

Was ist ein Nervenzusammenbruch?

Ein Nervenzusammenbruch, in der Medizin akute Belastungsreaktion genannt, beschreibt eine extreme – aber normale – Reaktion nach einem außeralltäglichen, traumatischen Ereignis. Die auftretenden psychischen und körperliche Symptome zeigen an, dass die auslösende Situation die Bewältigungsmechanismen der Psyche übersteigt.

Was als traumatisch empfunden wird, ist individuell unterschiedlich. Häufig lösen jedoch Gewalterlebnisse, schwere Unfälle oder der plötzliche Tod nahestehender Personen eine Belastungsreaktion aus. Dabei können auch Menschen, die als Augenzeuge oder Helfer die Situation miterleben, traumatisiert werden. Aber auch chronischer Stress und Druck können in einen Nervenzusammenbruch münden, wenn die Psyche die Dauerbelastung nicht mehr kompensieren kann. Dann geht der Nervenzusammenbruch vielfach mit einem Burnout einher.

Neben dem Auslöser hängt das Auftreten einer akuten Belastungsreaktion auch von der psychischen Widerstandsfähigkeit (Resilienz) ab. Psychische Erkrankungen wie Depressionen oder eine Panikstörung, starke Erschöpfung und ein hoher Stresspegel rauben körperliche und psychische Ressourcen zur Bewältigung schwieriger Situationen und machen Menschen anfälliger für seelische Krisen. Selbst ein vergleichsweise harmlos erscheinendes Ereignis wie die Trennung vom langjährigen Partner kann dann schon einen Nervenzusammenbruch hervorrufen.  

Hält der Nervenzusammenbruch länger als 48 Stunden an, sprechen Mediziner:innen von einer akuten Belastungsstörung. Diese kann in eine behandlungsbedürftige posttraumatische Belastungsstörung übergehen, wenn die Symptome nach vier Wochen noch nicht verschwunden sind. Ist das seelische Gleichgewicht länger als drei Monate beeinträchtigt, handelt es sich um eine chronische Belastungsstörung.

Was sind die Symptome einer akuten Belastungsreaktion?

So individuell wie die Auslöser sind auch die Erscheinungsformen eines Nervenzusammenbruchs. Viele haben diesbezüglich ein stereotypes Bild im Kopf: Eine Person, die sich weinend oder schreiend zu Boden wirft – also wortwörtlich zusammenbricht. Starke emotionale Reaktionen sind bei einer akuten Belastungsreaktion nicht unüblich, aber sie treten nicht bei jedem Betroffenen auf. Oftmals zeigt sich ein Nervenzusammenbruch nach außen hin wesentlich undramatischer.  Das innere Erleben ist es, was sich vorübergehend extrem verändert.

Diese Symptome können auftreten:

  • Derealisation: Die Umgebung fühlt sich plötzlich fremd an.

  • Depersonalisation: Die Betroffenen fühlen sich von sich selbst – von ihren Gefühlen und ihrem Körpererleben – abgeschnitten, als wären sie betäubt.

  • Gedankenkreisen

  • Erinnerungslücken

  • Gefühl der Hilflosigkeit

  • Sprachlosigkeit

  • Teilnahmslosigkeit

  • Schreckhaftigkeit

  • Starkes Weinen

  • Starke Stimmungsschwankungen

  • Albträume und Flashbacks, in denen das Erlebte intensiv nacherlebt wird

  • Psychosomatische Beschwerden wie Übelkeit, Herzrasen, Kopfschmerzen

Wie fängt ein Nervenzusammenbruch an?

Ein Nervenzusammenbruch – ob nach einem konkreten belastenden Ereignis oder infolge einer chronischen psychischen Erschöpfung – kann sich zu Beginn durch verschiedene körperliche Reaktionen bemerkbar machen. So kann es sein, dass Betroffene eine extreme innere Unruhe verspüren, unkontrolliert weinen müssen, plötzlich zittern, stark schwitzen, Herzrasen bekommen oder Übelkeit verspüren.

Was tun bei einem Nervenzusammenbruch? 6 wichtige Maßnahmen

Welchen Verlauf ein Nervenzusammenbruch nimmt, hängt entscheidend davon ab, wie man selbst und die anwesenden Personen reagieren. Die psychische Entlastung und Stabilisierung der Betroffenen sind die obersten Ziele. Folgende Maßnahmen können dazu beitragen, die Krise zu überwinden:

  • In psychiatrischen Einrichtungen gibt es Kriseninterventionsstellen, in denen das Personal speziell für psychische Ausnahmesituationen ausgebildet ist. Im Gespräch wird nicht nur emotionale Unterstützung geboten, sondern auch über weitere Behandlungsmöglichkeiten informiert. So kann ausgelotet werden, ob eine stationäre Aufnahme oder die Behandlung mit einem Beruhigungsmittel (Benzodiazepine) notwendig ist. Über die Telefonseelsorge und den bundesweiten Bereitschaftsdienst ist auch eine telefonische Beratung möglich. Wenn Suizidgefahr besteht, sollten umgehend Rettungskräfte gerufen werden.

  • Pflanzliche Beruhigungsmittel können Abhilfe schaffen, wenn die Symptome der Belastungsreaktion nicht stark ausgeprägt sind. Baldrian, Hopfen und Melisse wirken einzeln und in Kombination angstlösend, beruhigend und schlaffördernd.

  • Jeglicher zusätzlicher Stress und belastende Situationen sollten gemieden werden. Damit sich die Psyche stabilisiert, brauchen Betroffene Ruhe und Erholung. Damit das gelingt, sollten Betroffenen, wenn möglich, alltägliche Aufgaben und Verpflichtungen abgenommen werden.

  • Spätestens am folgenden Tag sollte der Weg zum Hausarzt führen. Das ist zum einen wichtig, um eine Krankschreibung zu erhalten. Wie lange diese gehen sollte, entscheidet der Arzt nach eingehender Anamnese. Per Definition halten die Symptome einer akuten Belastungsreaktion 48 Stunden an. Das sagt aber nicht zwangsläufig etwas darüber aus, wann Betroffene wieder arbeitsfähig sind. Zum anderen wird der Arzt über mögliche Behandlungsschritte informieren und mitunter eine Überweisung zur Psychologin ausstellen. Ein Nervenzusammenbruch erfordert jedoch nicht zwingend eine Psychotherapie.

  • Allem, was guttut und entspannt, sollten Betroffene nachgehen – ob Musik hören, Zeit in der Natur oder Sport. Nicht zu empfehlen sind hingegen meditative Übungen, da die Innenschau negative Gedankenspiralen befeuern kann. Generell sind Aktivitäten, die von den eigenen Gedanken ablenken, in den ersten Tagen nach einem Nervenzusammenbruch sinnvoll.

  • Der gewohnte Tagesablauf mit den üblichen Essens- und Schlafenszeiten sollte aufrechterhalten werden. Denn Struktur und Ordnung im Außen hilft, Chaos im Inneren zu bewältigen. Auf diese Weise lässt sich zudem verhindern, dass körperliche Grundbedürfnisse vernachlässigt werden. Vor allem ausreichend Schlaf ist für die psychische Regeneration essentiell.  

Nervenzusammenbruch beim Partner oder Freundin – was tun?

Zu erleben, wie der Partner, eine Freundin oder ein Familienmitglied einen Nervenzusammenbruch erleidet, kann extrem belastend sein – besonders, wenn man das Gefühl hat, keine Hilfe zu sein. Die Wahrheit ist aber: Man muss nicht viel tun, um Betroffene dabei zu unterstützen, die Krise zu bewältigen. Das Wichtigste ist es, emotional und ganz praktisch eine Stütze zu sein. Das können Sie konkret tun:

  • präsent sein bzw. die Betroffenen nicht alleine lassen

  • Hilfe anbieten

  • nicht über die Reaktion oder aufkommende Gefühle urteilen (z.B. sollte auch heftige Wut zugelassen werden)

  • Sicherheit und Geborgenheit vermitteln, sowohl über Worte („Ich bin für dich da“, „Ich lasse dich nicht allein“) als auch über Taten – so banal sie auch erscheinen mögen (z.B. Tee kochen oder körperliche Nähe wie Umarmungen anbieten, wenn dies von der Person ausdrücklich gewünscht ist)

Daneben kann die Bewältigung und Verarbeitung des belastenden Ereignisses ganz aktiv durch Gespräche gefördert werden. Über das Erlebte zu reden, ist ein wichtiger Teil des Verarbeitungsprozesses. Dieser sollte aber nicht von Außen forciert werden; Betroffene sollten selbst entscheiden, wann sie dafür bereit sind, ihre Gedanken zu verbalisieren.

Im Gespräch selbst sollte darauf geachtet werden, keine leeren Phrasen („Alles wird gut“, „Dir wird es bald besser gehen“) zu benutzen – sie sind zwar gut gemeint, können aber dazu führen, dass sich die Betroffenen in ihrem Schmerz nicht gesehen und nicht ernst genommen fühlen. Grundsätzlich ist es ratsam, sich aufs Zuhören zu beschränken, um den Betroffenen Raum zu geben, ihre Gedanken zu entfalten.

Wichtig

Eine nahestehende Person zu unterstützen, die sich in einer seelischen Krise befindet, verlangt viel von einem ab. Um zu verhindern, dass man nicht selbst in eine emotionale Erschöpfung gerät, sollte die Selbstfürsorge nicht vernachlässigt werden. Wenn Sie merken, dass Sie die Situation überfordert, bitten Sie Familie und Freunde um Unterstützung. Bessert sich der Zustand der Person nicht innerhalb weniger Tage, ist es ratsam, psychologische Beratungsstellen aufzusuchen.

Wie lässt sich ein Nervenzusammenbruch vorbeugen?

Vor belastenden Situationen kann sich niemand hundertprozentig schützen. Einfluss hat man aber darauf, wie man auf psychische Belastungen reagiert. Wer ganz gezielt seine Resilienz stärkt, stattet seine Psyche mit Fähigkeiten aus, die es ermöglichen, eine seelische Krise abzuwenden. Zu den Dingen, die die Resilienz aufbauen, gehören

  • Stresshormone abbauen, z.B. durch Entspannungsübungen wie Yoga oder progressive Muskelentspannung,

  • das Pflegen sozialer Kontakte,

  • eine ausgeglichene Work-Life-Balance (z.B. durch Downshifting),

  • regelmäßige körperliche Bewegung und

  • ausreichend Schlaf.

Diese Dinge sollte man besonders nach einem Nervenzusammenbruch tun, damit sich die Psyche schnell erholt.