Was ist ein Reizdarm? Symptome, Ursachen und Behandlung

Wer ständig unter Bauchschmerzen, Durchfall und Verstopfung leidet, könnte unter einem Reizdarm bzw. Reizdarmsyndrom leiden. Bis zur Reizdarm-Diagnose ist es jedoch meist ein langer Weg für Betroffene, weil zunächst alle Erkrankungen ausgeschlossen werden müssen, bevor ein Reizdarmsyndrom diagnostiziert werden kann. Ein Überblick über Symptome, Ursachen und Behandlung.

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Wenn sich für anhaltende Darmbeschwerden wie Bauchschmerzen, Durchfall, Verstopfung und Blähungen keine organische Ursache finden lässt, sprechen Ärzte von einem Reizdarmsyndrom oder kurz Reizdarm. Welche Symptome auf die funktionelle Darmerkrankung hindeuten, welche Rolle Stress bei Reizdarm spielt und wie Reizdarm behandelt werden kann.

Grafik Reizdarm
Foto: PraxisVITA/Vivian Mule
Reizdarmsyndrom: 3 Fragen an den Experten

In die Praxis von Dr. Thomas Bacharach kommen viele Menschen, die unter Durchfall, Verstopfung oder Bauchschmerzen leiden. Nicht immer steckt dahinter ein Magen-Darm-Infekt. Auch das Reizdarmsyndrom kann als Ursache infragekommen. Eine besondere Rolle können dabei psychische Belastungen spielen, wie der Experte weiß. Dr. Bacharach erklärt, wie Psyche und Reizdarm zusammenhängen, wann die Diagnose ‚Reizdarm‘ gestellt wird und wie er Reizdarm-Patient:innen in seiner Praxis hilft.

1. Reizdarm und psychische Belastungen: Wie hängt das zusammen?

„Obwohl die genaue Ursache des Reizdarmsyndroms noch nicht vollständig geklärt ist, sehen wir Zusammenhänge, dass psychische Belastungen wie Stress, Angst und Depressionen eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Verschlechterung des Syndroms spielen können“, erklärt Dr. Bacharach. „Das Reizdarmsyndrom ist mittlerweile auch als Erkrankung der Darm-Hirn-Achse anerkannt. Das Gehirn und der Darm sind über ein Nervensystem und das zentrale Nervensystem miteinander verbunden. Stress und psychische Belastungen können diese Verbindung beeinflussen, was zu Veränderungen in der Darmeigenbewegung und der Schmerzwahrnehmung führen kann.“

2. Wann wird bei Darmbeschwerden ‚Reizdarm‘ diagnostiziert?

„Die Diagnose des Reizdarmsyndroms ist eine Ausschlussdiagnose“, sagt der Experte. „Das heißt, die Beschwerden dürfen durch keine andere Erkrankung erklärt werden können. Die Kriterien, nach denen das Reizdarmsyndrom diagnostiziert wird, haben sich in der Vergangenheit häufig geändert, was zu sehr unterschiedlichen Angaben der Häufigkeit des Syndroms führt.“

3. Was ist in der Behandlung von Reizdarm-Patient:innen wichtig?

„Die Behandlung meiner Reizdarm-Patienten ist immer individuell. Ich schaue mir die Ernährung meiner Patienten an, hier achte ich darauf, dass möglichst viel unterschiedliches Gemüse und Obst auf den Tisch kommt, idealerweise auch frisch gekocht wird und möglichst wenig Süßigkeiten oder Süßgetränke konsumiert werden“, sagt der Allgemeinmediziner. „Wichtig für unseren Darm ist auch regelmäßige Bewegung, eine gute Schlafhygiene und Stressmanagement.”

Über den Experten Dr. Thomas Bacharach

Dr. Thomas Bacharach ist Facharzt für Allgemeinmedizin mit eigener Praxis in Karlsruhe. Er hat sich auf funktionelle Magen-Darm-Erkrankungen spezialisiert und behandelt insbesondere Patienten mit der Diagnose „Reizdarm“, „Dünndarmfehlbesiedelung“ und „Nahrungsmittelintoleranzen und -unverträglichkeiten“. Aus eigener Erfahrung in der Vergangenheit von Reizdarm-Beschwerden weiß er, vor welchen Herausforderungen seine Patienten gestellt sind.

Mehr über den Experten erfahren Sie auf seiner Website, bei Instagram oder Facebook.

Was ist ein Reizdarm?

„Das Reizdarmsyndrom ist eine funktionelle Darmerkrankung, die durch Symptome wie Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall und/oder Verstopfung gekennzeichnet ist“, erklärt Dr. Bacharach.

Dabei ist der Darm in seiner Funktion gestört, ohne dass körperliche Erkrankungen wie ein Infekt oder eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung nachgewiesen werden können. Entsprechend der ärztlichen Leitlinien müssen bei einem Reizdarm, medizinisch auch ‚Colon irritabile‘ genannt, die Beschwerden im Gastrointestinaltrakt über mindestens drei Monate bestehen und einen Leidensdruck verursachen. Der ICD-Code für das Reizdarmsyndrom ist K48.

Die funktionelle Darmerkrankung ist weit verbreitet – laut einigen Studien zeigt jeder Zehnte Symptome, die auf einen Reizdarm hindeuten. Frauen sind ungefähr doppelt so häufig betroffen wie Männer. Neben Erwachsenen kann ein Reizdarm bei Kindern auch auftreten.

Reizdarm ist nicht gefährlich

Wichtig zu wissen ist, dass ein Reizdarm nicht gefährlich ist – auch wenn das Syndrom einen hohen Leidensdruck verursachen kann. Weder verkürzt ein Reizdarm die Lebenserwartung, noch besteht ein höheres Risiko für Darmkrebs oder andere organische Krankheiten.

Welche Reizdarmsyndrom-Symptome sind typisch?

Die Beschwerden bei einem Reizdarmsyndrom können individuell sehr unterschiedlich sein und konzentrieren sich hauptsächlich auf den Darm. Doch auch im Unterbauch kann es zu Schmerzen kommen.

Typische Reizdarm-Symptome sind:

Die Reizdarm-Symptome bei Frauen äußern sich meistens mehr durch Verstopfungen. Während der Menstruation können sich die Beschwerden verstärken.

Männer hingegen haben mehr mit Durchfall zu kämpfen. Die Beschwerden können aber auch abwechselnd auftreten – mal leiden Betroffene unter einem harten Stuhlgang, mal unter einem Reizdarm mit Durchfall. Zudem kommt es vor, dass bei Reizdarm Rückenschmerzen auftreten können, zum Beispiel im Lendenwirbelbereich.

Die Beschwerden treten normalerweise nur tagsüber auf und stören in der Nacht nicht den Schlaf. Was den Leidensdruck der Betroffenen zusätzlich erhöht: Es ist häufig nicht klar, welche Auslöser für einen erneuten Schub verantwortlich sind – mal kann es an der Ernährung liegen, mal am Stress und ein andermal an einem Magen-Darm-Infekt.

Reizdarm-Symptome ähneln Reizmagen-Symptomen

Manche Menschen mit einem Reizdarm zeigen zusätzlich gelegentlich Symptome eines Reizmagens, zum Beispiel Magendruck, Sodbrennen, Oberbauchschmerzen sowie Übelkeit und Erbrechen. Auch allgemeine Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Müdigkeit können auftreten.

Ob es sich nun um Reizdarm-Symptome oder Reizmagen-Symptome handelt, ist nicht immer eindeutig feststellbar, denn die Symptome und Auslöser sind häufig ähnlich oder bedingen sich gegenseitig.

Welche Reizdarm-Ursachen kommen infrage?

Die genauen Ursachen des Reizdarm-Syndroms sind noch nicht eindeutig geklärt. Es gibt viele Theorien, die verschiedene körperliche und psychische Auslöser nahelegen. Oftmals handelt es sich um multifaktorielle Ursachen, das bedeutet, dass mehrere Ursachen gleichzeitig für die Entstehung des Reizdarmsyndroms verantwortlich sind.

Der Darm selbst zeigt bei Reizdarm keine krankhaften Veränderungen, ist aber trotzdem in seiner Funktion gestört. Meistens bewegt er sich deutlich zu viel und unkoordiniert. Mediziner:innen bezeichnen dies als Motilitätsstörung (Bewegungsstörung). Außerdem haben Menschen mit einem Reizdarm oft eine herabgesetzte Schmerzschwelle in den Eingeweiden (viszerale Hypersensitivität) – das heißt, sie reagieren sensibler auf Druck, Dehnung und andere Einflüsse auf den Darm.

Mediziner:innnen gehen davon aus, dass psychosomatische Vorgänge, bei denen Körper und Psyche in wechselseitiger Beziehung zueinander stehen, eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung des Reizdarmsyndroms darstellen. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass viele Patient:innen nicht nur an Reizdarm-Symptomen, sondern auch an Depressionen oder Angststörungen leiden. Somit könnte die Erkrankung ein ‚Hilfeschrei der Seele‘ sein. Wichtig zu wissen in diesem Zusammenhang ist aber: Reizdarm ist keine psychische Erkrankung. Vielmehr können die Symptome durch psychische Belastungen verstärkt werden und sich bessern, wenn Patient:innen ihr Stresslevel senken und/oder die psychische Erkrankung behandelt wird.

Darüber hinaus gibt es den Hinweis, dass ein ‚erlerntes Krankheitsverhalten‘ ein Reizdarmsyndrom möglicherweise begünstigen kann, wie es in der aktuellen Behandlungsrichtlinie (S3-Leitlinie) heißt. Das bedeutet nicht, dass Betroffene sich ihre Beschwerden einbilden oder extra schlimm darstellen. Sondern vielmehr, dass sie in der Kindheit unterbewusst das Gefühl bekommen haben könnten: Wenn ich krank bin, kümmern sich meine Eltern mehr um mich. Dies könnte laut Expert:innen zur Folge haben, dass Betroffene im Erwachsenenalter Körpersymptome überinterpretieren, sodass sich dadurch die Symptome weiter verstärken.

Psychosoziale Faktoren können somit insgesamt eine Rolle spielen und für die spätere Behandlung wegweisend sein.

Stress und Reizdarm bedingen sich gegenseitig

Stress und psychische Erkrankungen gelten sowohl als Ursache als auch Auslöser für Reizdarm-Schübe – so die Vermutung. Gehirn und Darm sind über Nervenbahnen miteinander verbunden und bedingen sich so gegenseitig. Aus diesem Grund diskutieren Expert:innen derzeit, den Begriff ‚funktionelle Darmbeschwerden‘ durch ‚Störungen der Darm-Hirn-Interaktion‘ zu ersetzen.

Dr. Thomas Bacharach beobachtet diesen Zusammenhang auch bei seinen Patient:innnen. „Stress kann zur Freisetzung von Stresshormonen wie Cortisol führen. Hierdurch wird der Körper in einen Kampf- oder Fluchtmodus versetzt, die Verdauung muss hintenanstehen.“

Ihm zufolge kann ein weiterer Aspekt sein: „Menschen, die unter Stress oder psychischen Belastungen leiden, haben andere Verhaltensweisen. Sie verändern ihre Essgewohnheiten und greifen zum Beispiel schneller zu Fast Food. Zudem kann es häufiger zu Schlafstörungen kommen.“

Dabei kann jedoch die Reizdarm-Erkrankung selbst Betroffene psychisch belasten, wie der Mediziner erklärt: „Das Ganze ist keine Einbahnstraße. Menschen mit Reizdarm haben durch die Erkrankung Stress. Sie müssen zum Beispiel in der Öffentlichkeit nach Toiletten suchen, fühlen sich mit einem geblähten Bauch unwohl oder haben Stress bei Essenseinladungen, da manche Lebensmittel ihre Beschwerden verstärken können. Dadurch kann die Lebensqualität leiden und die Menschen in die soziale Isolation führen.“

Darüber hinaus gibt es noch weitere mögliche Reizdarm-Ursachen und Risikofaktoren:

  • Funktionsstörungen der Galle (gestörter Gallensäuremetabolismus)

  • Magen-Darm-Grippe (Gastroenteritis), die auch nach der Genesung die Darmtätigkeit negativ beeinflussen kann

  • veränderte Immunantwort im Darm (enterale Immunantwort)

  • veränderte Reizweiterleitung der Darmwand

  • veränderte Dichte von sensorischen Darmzellen (enteroendokriner Zellen)

  • erhöhte Aktivität von Enzymen (Proteasen), die für die Eiweißspaltung im Darm zuständig sind

  • gestörte Darmflora

  • erbliche Veranlagung

  • Antibiotika-Therapien (Antibiotika schädigen den Darm)

  • gestörter Serotoninhaushalt

Auch Wechseljahre und Reizdarm könnten in einem Zusammenhang stehen – wissenschaftlich geklärt ist das noch nicht. Zu beobachten ist allerdings, dass viele Frauen in den Wechseljahren unter Verdauungsstörungen leiden. Es gibt daher die Theorie, dass hormonelle Veränderungen bei Frauen einen Einfluss auf die Reizdarm-Beschwerden haben könnten. Dasselbe gilt auch für Schwangerschaft und die Menstruation – viele Reizdarm-Patientinnen leiden unter PMS, dem prämenstruellem Syndrom.

Ob eine Ernährung mit fettigen und hochkalorischen Speisen oder eine hastige Nahrungsaufnahme als Reizdarm-Auslöser infragekommen, ist wissenschaftlich nicht belegt. Dasselbe gilt für Alkohol und Rauchen. Beobachtet werden kann allerdings bei vielen Patient:innen, dass bestimmte Nahrungsmittel die Beschwerden verschlimmern, wie etwa laktosehaltige Lebensmittel, Weizen oder Kaffee.

Wann und wie wird die Reizdarm-Diagnose gestellt?

Wer immer wieder unter unklaren Darmbeschwerden und Bauchschmerzen leidet, sollte die Beschwerden unbedingt ärztlich abklären lassen, entweder in der Hausarztpraxis oder bei Gastroentrolog:innen. Denn dahinter können eine Vielzahl von Ursachen stecken, die auf unterschiedliche Art und Weise behandelt werden. Mögliche Erkrankungen, die Reizdarm-ähnliche Symptome hervorrufen, sind zum Beispiel Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder -allergien, Magen-Darm-Infekte sowie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen.

Aus diesem Grund führen Ärzt:innen eine sogenannte Differentialdiagnostik, bei der alle anderen Erkrankungen ausgeschlossen werden müssen, um die Diagnose ‚Reizdarm‘ sicher stellen zu können – was für Betroffene ein langwieriger Weg hin zur Reizdarm-Diagnose bedeuten kann.

Aktuell gibt es drei Kriterien, die bei Reizdarm erfüllt sein müssen, wie Dr. Bacharach erklärt:

  1. Seit mindestens drei Monaten anhaltende oder wiederkehrende Beschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen und meist Veränderungen im Stuhlgang.

  2. Die Beschwerden müssen die Lebensqualität deutlich einschränken und den Patienten zum Aufsuchen eines Arztes bewegen.

  3. Es darf kein anderes Krankheitsbild vorliegen, welches die Beschwerden erklären könnte.

Doch welche Schritte braucht es bis zur endgültigen Reizdarm-Diagnose? Im ersten Schritt führt der Arzt bzw. die Ärztin ein ausführliches Gespräch (Anamnese), in dem er/sie sich nach den genauen Symptomen erkundigt. Wichtig sind dabei diese Fragen:

  • Welche Beschwerden haben Sie und wo genau (zum Beispiel Unter- oder Oberbauchschmerzen)?

  • Seit wann bestehen die Beschwerden?

  • Wann treten die Beschwerden genau auf und wie lange dauern sie an?

  • Wann bessern sich die Beschwerden? Wann verschlechtern sie sich?

  • Gibt es Familienmitglieder, die unter Magen-Darm-Erkrankungen leiden?

  • Haben Sie physische oder psychische Vorerkrankungen oder Allergien?

  • Nehmen Sie Medikamente ein?

  • Haben Sie psychosoziale Belastungen, zum Beispiel in der Familie oder bei der Arbeit?

  • Wie ernähren Sie sich?

Hilfreich für Reizdarm-Diagnose: Ein Symptomtagebuch

Besonders hilfreich ist es, wenn Sie ein Symptomtagebuch führen, in dem Sie die jeweiligen Symptome und die äußeren Umstände (Mahlzeiten, Stress bei der Arbeit, Partnerkonflikte, etc.) über einen Zeitraum von mehreren Wochen dokumentieren. Auch ein Stuhlprotokoll und ein Ernährungstagebuch sind sinnvolle Diagnoseinstrumente, die Patient:innen über längere Zeit führen und dem Arzt bzw. der Ärztin wichtige Hinweise geben können.

Im Anschluss daran folgen weitere Untersuchungen, zum Beispiel:

  • Körperliche Untersuchung: Der Arzt bzw. die Ärztin tastet den Bauch ab, horcht mit einem Stethoskop die Darmgeräusche ab und tastet eventuell mit einem Finger den Enddarm ab.

  • Ultraschall: Bei einer Sonografie des Bauchs können sich gegebenenfalls krankhafte Veränderungen des Darms zeigen.

  • Blutuntersuchung: Anhand einer Blutuntersuchung werden Entzündungs-, Leber- und Nierenwerte sowie verschiedene andere Parameter überprüft.

  • Stuhluntersuchung: Besonders bei Durchfall ist oft eine Stuhlprobe sinnvoll, die im Labor auf mögliche Erreger untersucht wird.

  • Gynäkologische Untersuchung: Bei Frauen mit Verdacht auf Reizdarm steckt manchmal auch eine gynäkologische Ursache (zum Beispiel Endometriose) hinter den Beschwerden.

  • Darmspiegelung: Bei einer sogenannten Koloskopie wird der Darm von innen mithilfe einer kleinen Kamera an einem Schlauch untersucht. Im Zuge dessen lassen sich gegebenenfalls auch Gewebeproben aus dem Darm nehmen.

Auch ein H2-Methan-Atemtest kann sinnvoll sein, um Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie eine Laktose- oder Fruktoseintoleranz auszuschließen – oder zu diagnostizieren.

Noch ein weiteres Diagnoseverfahren gibt Reizdarm-Betroffene Hoffnung: ein Darmprovokationstest, der im Zuge einer Darmspiegelung durchgeführt werden kann. Über das Endoskop können Lösungen mit unverträglichen Nahrungsmitteln wie Milch, Soja oder Weizen direkt auf die Darmschleimhaut abgegeben werden. Mithilfe der Kamera am Endoskop lässt sich dann erkennen, ob sich die Darmschleimhaut entzündet. Dieses Verfahren zählt allerdings noch nicht zum Standard der Differentialdiagnostik.

Wie sieht die Reizdarm-Behandlung aus?

Wichtig ist zunächst, dass Patient:innen von ihrem Arzt bzw. ihrer Ärztin umfassend über das Krankheitsbild aufgeklärt werden (Psychoedukation). Für das Verständnis der Erkrankung und die Behandlung kann es helfen, gemeinsam mit dem Arzt/der Ärztin ein plausibles, individuelles Krankheitsmodell zur Entstehung der Symptome zu entwickeln. Dazu gehören Faktoren, durch die sich die Symptome verschlechtern, wie zum Beispiel bestimmte Nahrungsmittel, Medikamente, Stress oder Schichtarbeit.

Die Behandlung des Reizdarmsyndroms erfolgt von Mensch zu Mensch unterschiedlich – eine Standardtherapie gibt es nicht. Dafür aber viele Maßnahmen, den Reizdarm in den Griff zu bekommen. Es kann sinnvoll sein, eine ganzheitliche Behandlung anzustreben, das heißt zum Beispiel eine Kombination aus Ernährungstherapie, Psychotherapie und Medikamenten. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt bzw. Ihrer Ärztin, welche Komponenten der Behandlung in Ihrem Fall sinnvoll sind.

Dies sind Maßnahmen, um die Reizdarm-Symptome zu lindern:

  • Ernährung bei Reizdarm: Wichtig ist herauszufinden, welche Lebensmittel individuell Darmbeschwerden provozieren und welche bekömmlich sind. Viele Betroffene reagieren zum Beispiel auf sehr fettreiche Speisen (vor allem Sahnesaucen) mit Bauchschmerzen und Durchfall. Rohe Zwiebeln, Hülsenfrüchte und Kohlgemüse lösen dagegen oft Blähungen aus.

  • FODMAP-Diät: „Bei einigen Patienten macht es Sinn, eine Low FODMAP-Ernährung einzuführen“, sagt Dr. Bacharach. „Hier werden fermentierbare Kohlenhydrate und Zuckeralkohol weggelassen, wodurch die Gasbildung im Darm reduziert werden kann. Diese Ernährungsform sollte allerdings meines Erachtens nicht dauerhaft durchgeführt werden, da es sonst zu Mangelernährung und einer Verarmung der Darmbakterien kommen kann.“

  • Bewegung: Körperliche Aktivität, am besten täglich, ist auf vielfältige Weise gut bei einem Reizdarmsyndrom. So kurbelt Bewegung die Darmtätigkeit an, wodurch die Verdauung gefördert wird. Viele Betroffene merken, wie sich dadurch Verstopfung und Blähungen verbessern. Neben Ausdauersportarten hilft auch Yoga, wie Dr. Bacharach weiß: „Bei Bewegung hat sich Yoga bewährt, welches ich mittlerweile selbst seit einigen Jahren praktiziere. Insofern kann ich hier praktische Empfehlungen geben und auch mit einigen Vorurteilen aufräumen.“

  • Stressmanagement: Um Stresshormone abzubauen, eignen sich verschiedene Maßnahmen. „Ich empfehle den Patienten neben der Yoga-Praxis auch mit Atemübungen oder Meditation zu beginnen, um selbst regelmäßig etwas für ihre innere Mitte machen zu können“, sagt. Dr. Bacharach.

  • Psychotherapie: Leiden Betroffene nicht nur an Darmbeschwerden, sondern zeichnet sich ab, dass sie psychisch stark belastet sind, kann eine Psychotherapie angestrebt werden. Wenn eine mögliche depressive Verstimmung oder Angststörung behandelt wird, bessern sich in der Regel auch die Reizdarm-Symptome. In einer Psychotherapie kann es aber auch darum gehen, besser mit den Beschwerden im Alltag umzugehen und sich in Akzeptanz zu üben – auch wenn das schwerfällt.

  • Reizdarm-Medikamente: In den Phasen, in denen der Reizdarm längere Zeit Probleme bereitet, können verschiedene Medikamente hilfreich sein. Dabei richtet sich die Wahl des Arzneimittels danach, ob Verstopfung, Durchfall oder Bauchschmerzen dominieren. Wichtig ist, dass Patient:innen die Einnahme mit Ihrem Arzt bzw. Ihrer Ärztin besprechen. Auch dann, wenn die Medikamente nicht rezeptpflichtig sind.

Darüber hinaus gibt es einige Maßnahmen und sanfte Mittel gegen Reizdarm, die kurzzeitig Linderung verschaffen können. Dazu zählen zum Beispiel:

„Darüber hinaus hat sich bei mir die Gabe von Präbiotika und Probiotika, also Futter für die Bakterien und lebende Bakterien, bewährt. Dies ist nach der Studienlage aktuell noch nicht evidenzbasiert, allerdings kann ich hier aus der Erfahrung viele positive Rückmeldungen berichten“, sagt der Experte. Auch probiotische Lebensmittel können eine sinnvolle Komponente darstellen, um die gestörte Darmflora positiv zu beeinflussen. Dazu zählt zum Beispiel Kefir.

Wenn Sie es schaffen, die Symptome durch leichte Änderungen in Ihren Lebens- und Ernährungsgewohnheiten in den Griff zu bekommen, ist dies die beste Reizdarm-Behandlung. Die gute Nachricht: Bei etwa der Hälfte der Patient:innen entwickeln sich die Symptome eines Reizdarms langfristig von alleine wieder zurück.

Wie lässt sich ein Reizdarm vorbeugen?

Wenn Sie Funktionsstörungen wie einen Reizdarm vorbeugen wollen, achten Sie auf eine gesunde Lebensführung, bei der Sie auf die körperliche und psychische Gesundheit gleichermaßen achten.

Bei körperlichen Beschwerden gehen die meisten Menschen sofort zum Arzt bzw. zur Ärztin – bei psychischer Belastung meistens leider nicht. Doch dauerhafter Stress kann krank machen und die Entstehung eines Reizdarmsyndroms begünstigen. Wenn Sie daher erste Anzeichen von psychischer Erschöpfung bemerken oder sich länger als zwei Wochen lang niedergeschlagen fühlen, zögern Sie nicht, Ihre:n Ärzt:in aufzusuchen und sich ggf. in psychotherapeutische Behandlung zu begeben.

Auch diese Tipps helfen, um einem Reizdarm vorbeugen:

  • zwei- bis dreimal die Woche Sport treiben, zum Beispiel Joggen, Radfahren oder Schwimmen

  • ausreichend Entspannung im Alltag, zum Beispiel durch Lesen, Yoga, Autogenes Training

  • regelmäßige und gesunde Mahlzeiten mit vielen frischen Zutaten, Obst, Gemüse und Vollkornprodukten

  • Kaffee und Alkohol nur in Maßen trinken

  • erholsamer Schlaf

  • regelmäßig Händewaschen, um das Infektionsrisiko zu verringern

  • Antibiotika nur dann einnehmen, wenn es erforderlich ist

Nicht in jedem Fall lässt sich mit diesen Tipps ein Reizdarmsyndrom vorbeugen. Jedoch ist das Risiko für einen Reizdarm deutlich geringer, wenn Sie sich insgesamt gesund und ausgeglichen fühlen.

Quellen:

Layer, P., Andresen, V., Allescher, H., Bischoff, S. C., Claßen, M., Elsenbruch, S., ... & Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. (2021). Update S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Gemeinsame Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs-und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM)–Juni 2021–AWMF-Registriernummer: 021/016. Zeitschrift für Gastroenterologie, 59(12), 1323-1415.

Reizdarm, in: Bundesverband Deutscher Internistinnen und Internisten