Gaslighting: Bedeutung und Merkmale in Beziehungen

Gaslighting ist eine Form von psychischer Gewalt, die auf der Ausübung von Macht und Kontrolle basiert: Der Täter manipuliert sein Opfer so stark, bis dieses anfängt, an der eigenen Wahrnehmung zu zweifeln. Psychotherapeutin Pamina Russek erklärt alles zu Gaslighting: die Bedeutung, Merkmale und was Opfer tun können.

JW Video Platzhalter
Zustimmen & weiterlesen
Um diese Story zu erzählen, hat unsere Redaktion ein Video ausgewählt, das an dieser Stelle den Artikel ergänzt.

Für das Abspielen des Videos nutzen wir den JW Player der Firma Longtail Ad Solutions, Inc.. Weitere Informationen zum JW Player findest Du in unserer Datenschutzerklärung.

Bevor wir das Video anzeigen, benötigen wir Deine Einwilligung. Die Einwilligung kannst Du jederzeit widerrufen, z.B. in unserem Datenschutzmanager.

Weitere Informationen dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Der Begriff Gaslighting bezeichnet eine Form der psychischen Gewalt, bei der der oder die Täter:in das Opfer so stark manipuliert, bis es an der eigenen Wahrnehmung zweifelt und in der Folge sich selbst und seine Umwelt infrage stellt. Die Auswirkungen dieser Manipulation können gravierend sein.

Woran man Gaslighting erkennt und wie man sich schützt, erklärt Diplom-Psychologin Pamina Russek im Interview mit Praxisvita.

Gaslighting: Bedeutung des Begriffs

Was ist Gaslighting? Die Bedeutung ist oft nicht klar, obwohl der Begriff immer häufiger fällt. Diplom-Psychologin Pamina Russek erklärt: „Gaslighting ist eine schwere Form von psychischer Gewalt, bei der Täter und Opfer miteinander vertraut sind“. Dies ist eines der wichtigen Merkmale von Gaslighting: Zwischen Täter und Opfer besteht ein Vertrauensverhältnis, das ausgenutzt werden kann. Ohne dieses Vertrauensverhältnis würde die beim Gaslighting angewandte Manipulation ins Leere laufen.

„Das Opfer wird über einen längeren Zeitraum von einer oder mehreren Personen kontinuierlich manipuliert und dermaßen verunsichert, dass es beginnt, seine eigene Wahrnehmung anzuzweifeln und die gewohnte Realität infrage zu stellen“, führt Frau Russek zur Gaslighting-Bedeutung weiter aus.

Woher kommt der Begriff Gaslighting?

Zurückzuführen ist der Begriff Gaslighting auf das Theaterstück „Gaslight“ des britischen Dramatikers Patrick Hamilton (1904-1962) aus dem Jahr 1938, in dem diese Form des schweren psychischen Missbrauchs erstmals beschrieben wird. Ingrid Bergmann (1915-1982) erhielt für ihre Rolle in „Das Haus der Lady Alquist“, der im englischen Original ebenfalls den Titel „Gaslight“ trägt, den Oscar als beste Hauptdarstellerin: Ihre Darstellung der Ehefrau Paula Alquist Anton, die von ihrem Mann Gregory gezielt in den Wahnsinn getrieben wird, sorgt heute noch für Gänsehaut. Gregory geht dabei perfide vor: Er hängt Bilder um, entwendet Schmuck und redet Paula immer wieder ein, sie würde sich das Flackern der Gaslampen ­– der namensgebenden Gaslights – nur einbilden.

Was ist Gaslighting? Manipulation und Verunsicherung

Die Manipulation beim Gaslighting basiert darauf, dass der Täter dem Opfer vorspielt, die Realität verzerrt wahrzunehmen. Das geschieht beispielsweise dadurch, dass bestimmte Ereignisse im Nachhinein vollkommen anders dargestellt werden oder dem Opfer weisgemacht wird, es hätte Aussagen/Versprechungen/Zusagen getroffen, an die es sich nicht erinnern kann.

In manchen Fällen manipuliert der Gaslighter nicht nur die Wahrnehmungen und Erinnerungen seines Opfers, sondern auch die Umgebung. Dann werden Gegenstände, die plötzlich an untypischen Orten auftauchen, zum Beweis dafür, wie zerstreut das Opfer sei. Auch das soziale Umfeld wird oftmals ins Netz der Manipulation verstrickt: Verwandte und Freunde werden zum Spielball des Täters, indem er sich beispielsweise über den vermeintlich schwierigen Charakter des Opfers beschwert und es so aussehen lässt, als verliere sein Gegenüber den Verstand.  

Die für das Gaslighting typische Manipulation findet nicht permanent, aber wiederholt über einen längeren Zeitraum statt. Große Dramen sind dabei nicht nötig, die Manipulation ist meist subtil. Der Vorwurf, der Partner würde fremdgehen, wird beispielsweise ein ums andere Mal mit einem „Du siehst doch Gespenster“ weggefegt. Der vermeintlich nach dem Kochen nicht abgedrehte Herd ist indes ein Zeichen dafür, dass man nicht alleine zurechtkomme. So wird das Opfer verunsichert, bis es an sich selbst zweifelt.

Gaslighting-Opfer: Symptome sind vielfältig

Die Auswirkungen der Gaslighting-Manipulation können gravierend sein. Die meisten Opfer ziehen sich aufgrund der systematischen Verunsicherung von ihrem sozialen Umfeld zurück und sind damit dem Gaslighter, also dem oder der Täter:in, ausgeliefert.

Durch die ständigen Erniedrigungen drohen depressive Verstimmungen oder sogar schwere Depressionen, Sozialphobien und andere emotionale Störungen.

Gaslighting Beispiele: Nicht nur in Liebesbeziehungen wird manipuliert

Eines der am häufigst genannten Gaslighting Beispiele ist eine Liebesbeziehung, in der ein:e Partner:in sein/ihr Gegenüber manipuliert. Bei der Antwort auf die Frage, was ist Gaslighting, muss allerdings klar gesagt werden: Manipulation kann auch außerhalb einer romantischen Beziehung stattfinden. „Gaslighting braucht als Grundlage eine vertrauensvolle Beziehung“, erläutert Pamina Russek. Überall dort, wo solch vertrauensvolle Beziehungen stattfinden, kann es also zu Gaslighting kommen – nicht nur in Liebesbeziehungen.

Im familiären Umfeld kann es beispielsweise die Mutter sein, die ihr Kind bis zur völligen Verunsicherung manipuliert und glauben lässt, als „schwieriges Kind“ an allem, was in der Familie vor sich geht, die Schuld zu tragen. Solch eine Manipulation wirkt sich auf das gesamte Sozialverhalten des Kindes aus: Es wird unsicher im Umgang mit seinen Mitmenschen, zieht sich bis in die Isolation zurück und wird von Schuldgefühlen gequält.

Am Arbeitsplatz zeigt sich Gaslighting vor allem dann, wenn Hierarchien ausgenutzt werden. So kann ein Vorgesetzter seinen Mitarbeiter gezielt manipulieren, um beispielsweise dessen Loyalität auszunutzen oder dessen Position zu schwächen.

Gaslighting: Welche Anzeichen und Merkmale gibt es?

Könnte man Gaslighter pauschal klassifizieren, wäre diese Form der psychischen Gewalt sicherlich leichter zu entlarven. Die Realität sieht jedoch anders aus, da nicht jede:r Täter:in gleich ist – zumal sich viele ihrer Taten nicht bewusst sind. Kaum ein:e Täter:in sagt zu sich selbst: „Ich möchte die Kontrolle über Person X erlangen, also wende ich Gaslighting an, um sie zu manipulieren.“

Dennoch hat Autor Preston Ni für seinen Artikel „8 Ways Gaslighters Manipulate and Control Relationships“ Warnzeichen aufgelistet, die manipulative Gaslighter entlarven können:

  1. Chronisches Lügen: Gaslighter verbreiten Unwahrheiten über ihre Opfer – ganz egal, ob sie dabei ihrem Opfer selbst oder dessen Freunden gegenübersitzen.

  2. Ständiges Wiederholen von Anschuldigungen: Zu einer gezielten Manipulation gehört, die Unwahrheiten mehrfach zu wiederholen – solange, bis die anderen sie glauben.

  3. Zermürbung der Opfer: Opfer von Gaslighting beschreiben immer wieder, dass sie irgendwann einfach zu müde waren, um sich weiter zu wehren.

  4. Aggressive Reaktion auf Vorwürfe: Konsequentes Leugnen des eigenen Handelns wird oft bis auf die Spitze der Provokation betrieben. 

  5. Trennung der Opfer vom sozialen Umfeld: Um Macht und Kontrolle auszuüben, muss das Opfer sich isoliert fühlen. Dabei stört ein aktives, liebevolles Umfeld.

  6. Emotionale Abhängigkeit schaffen: Gaslighter erniedrigen ihre Opfer nicht nur, sondern spielen ihnen auch vor, ihnen Halt und Wärme zu geben. So entsteht eine emotionale Abhängigkeit.

  7. Falsche Hoffnungen schüren: Teil des Gaslighting ist das Versprechen, dass alles gut werden wird: Würde sich das Opfer nur bessern, stünde einem schönen Leben nichts im Weg. 

  8. Dominanz und Kontrolle: Gaslighter wollen Dominanz und Kontrolle erreichen, indem sie dafür sorgen, dass ihr Opfer sich verunsichert fühlt.

Gaslighting: Narzissmus als häufige Ursache

Das Bedürfnis, Kontrolle und Macht über den Partner zu bekommen und ihn emotional gefügig zu machen, kann meist darauf zurückgeführt werden, dass der Gaslighter den Drang hat, sich über andere zu erhöhen – etwa um den eigenen fehlenden Selbstwert zu kompensieren. Gaslighting wird daher oft von Narzissten angewendet: Durch die psychische Schwächung des Partners können sie sich in ihrer vermeintlichen Überlegenheit bestätigt fühlen.

Gaslighting-Sprüche: Diese 6 Sätze sind Warnsignale

Was ist Gaslighting und was nicht? Diese Unterscheidung kann pauschal nur schwer getroffen werden, da Manipulation so individuell ist wie Täter und Opfer es sind.

Anhand der folgenden sechs Gaslighting-Sprüche in der Grafik lässt sich ein besseres Bild davon zeichnen, wie verbale Manipulation aussehen kann. Im Fokus bei Gaslighting steht, die Wahrnehmung des Opfers infrage zu stellen:

Gaslighting Sprüche Grafik
Foto: iStock / Ponomariova_Maria

Diplom-Psychologin Pamina Russek warnt allerdings davor, Gaslighting-Sprüche zu wörtlich zu nehmen. "Zunächst tragen solche vorgefertigten Sätze sicherlich zum besseren Verständnis bei, was Gaslighting und seine Bedeutung angeht. Allerdings schaffen sie auch Schubladen. Man denkt dann schnell: 'Person XY hat diesen Satz gesagt, also ist sie ein Gaslighter'. Umgekehrt erkennt man eine Manipulation vielleicht nicht, nur weil keine vermeintlich typischen Gaslighting-Sprüche gefallen sind."

Was können Opfer von Gaslightern tun?

Durch das bestehende Vertrauensverhältnis zwischen Opfer und Täter ist sich das Opfer zunächst nicht bewusst, dass es manipuliert wird. „Als Betroffener schöpft man keinen Verdacht und sucht die Ursachen für die scheinbar unerklärlichen Ereignisse zu Beginn bei sich selbst“, beschreibt Pamina Russek das Problem. Erste Zweifel sollten aufkommen, wenn das Umfeld Alarm schlägt, sagt die Expertin: „Hinweise von vertrauten Personen (Familienangehörige, Freunde, nahestehende Kollegen) sollten ernstgenommen und als Warnzeichen gedeutet werden.“ 

So schwer das ist: Wer den Verdacht hegt, mit einem Gaslighter zu leben, sollte den Kontakt abbrechen. Alle Versuche, den Täter zu überführen oder gar zu bekehren, werden ins Leere laufen. „Da die Grundlage von Gaslighting nicht Liebe, sondern Macht und Kontrolle im Sinne eines antisozialen Verhaltens, bösartiger Narzissmus oder psychopathischer Eigenschaften sind, besteht für solche Beziehungen keine Hoffnung“, macht die Psychotherapeutin deutlich.

Wer erkennt, Opfer von Gaslighting geworden zu sein, sollte sich Hilfe suchen, da die erlebte Manipulation und Erniedrigung tiefe Wunden und spätere Narben zurücklässt. Eine Psychotherapie hilft Opfern von Gaslighting, den psychischen Missbrauch zu verarbeiten.

Unsere Expertin

Dipl.- Psych. Pamina Russek mit Praxis in München.

Depression: Wo finde ich Hilfe?

Wenn Sie sich ständig erschöpft und traurig fühlen oder unter Schlafproblemen leiden, kann dies auf eine Depression hindeuten. Spätestens nach zwei Wochen Niedergeschlagenheit ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen. Auf der Website der Deutschen Depressionshilfe finden Sie verschiedene Anlaufstellen. Dort sind auch Adressen für Notfälle gelistet. Bei konkreten Suizidgedanken ist es wichtig, die nächstgelegene Klinik mit psychiatrischer Notaufnahme aufzusuchen.

Bei akuten Sorgen oder Ängsten können Sie jederzeit anonym die Telefonseelsorge unter den Telefonnummern 0800/111 0 111 oder 116 123 anrufen.

Wenn Sie nicht selbst betroffen sind, aber depressive Symptome bei anderen bemerken, erhalten Sie auf der Website der Deutschen Depressionshilfe konkrete Handlungsempfehlungen. Besteht eine konkrete Suizidgefahr ist es wichtig, sofort den Rettungsdienst unter 112 oder die Polizei zu verständigen.