Wann kann ich meinem Kind ohne Bedenken Ohrlöcher stechen lassen?
Eltern diskutieren diese Frage immer wieder. Doch gibt es aus medizinischer Sicht Gründe, aus denen man seinem Kind keine Ohrlöcher stechen lassen sollte? Kinderärztin Dr. med. Nadine McGowan klärt auf.

Das sagt die Kinderärztin Dr. med. Nadine McGowan
Rein rechtlich gesehen gibt es kein Mindestalter, ab dem man Kindern Ohrlöcher stechen lassen darf. Das bedeutet, bis das Kind volljährig ist, liegt die Entscheidung bei den Eltern. Doch diese Entscheidung sollte gut durchdacht sein – denn die Auswirkungen des Stechens von Ohrlöchern sind gerade bei kleinen Kindern nur schwer bis kaum einzuschätzen.
Körperverletzung oder nur niedlich anzusehen?
Zwar sind rein medizinisch betrachtet eventuelle Komplikationen wie Infektionen bei Babys nicht unbedingt häufiger als bei älteren Kindern. Es kommt zwar selten vor, aber es ist durchaus möglich, dass das Kind nach dem körperlichen Eingriff – denn nichts anderes ist das Stechen eines Ohrlochs – Angst entwickelt. Wenn sich das Kind extrem erschreckt, weil es unerwartet den Schmerzen des Stechens ausgesetzt wird, vergisst es diesen Moment vielleicht nie wieder und wird auch in anderen ungewohnten Situationen mit mehr Angst als angemessen reagieren. Generell sollte die Entscheidung, ob der Nachwuchs Ohrlöcher bekommt oder nicht, in erster Linie vom Wunsch des Kindes selbst abhängen – häufig entwickelt sich das Interesse an Ohrringen ohnehin erst gegen Ende des Grundschulalters. Ich persönlich würde einem Kind aber erst in der Pubertät erlauben, sich Ohrlöcher stechen zu lassen. Weil man nämlich erst dann auch die Konsequenzen (die Löcher gehen nie wieder ganz zu, Schmerzen entstehen) wirklich absehen kann. Wenn Ihr Kind Sie darauf anspricht, nehmen Sie sich die Zeit, das Für und Wider gemeinsam abzuwägen. Dem Nachwuchs sollte zumindest klar sein, dass der Eingriff nicht ganz schmerzfrei ist und sich die Wunde möglicherweis entzünden kann.

Ohrlöcher stechen lassen: Worauf sollten Eltern achten?
In der Regel kann man sowohl in Juweliergeschäften als auch in Piercingstudios Ohrlöcher stechen lassen. Piercer verwenden dabei sterile Einwegnadeln, Juweliere Ohrlochstechsysteme mit sterilen Einmalkartuschen. Zwar sehen die Systeme auch heute noch aus wie Pistolen, doch es wird mittlerweile nicht mehr geschossen, sondern nur sanft gedrückt. Kinder entwickeln bei dieser Methode des Stechens vielleicht etwas weniger Angst. Doch egal ob Sie sich nun für den Juwelier oder den Piercer entscheiden – als Elternteil sollten Sie auf ein paar Dinge achten, bevor Sie die Ohrlöcher stechen lassen:
- Stichwort Hygiene: Das Geschäft sollte einen sauberen, ordentlichen Eindruck machen. Der Juwelier / Piercer sollte sich selbst die Hände, die Stechgeräte sowie die Ohrläppchen des Kindes unaufgefordert mit einer antiseptischen Lösung reinigen. Achten Sie darauf, dass vor dem Stechen kein Zeichen wie zum Beispiel mit einem Kugelschreiber auf die Haut gemacht wird. Die Farbstoffe in der Tinte erhöhen das Risiko für eine Infektion
- Beobachten Sie, wie der Juwelier / Piercer mit dem Kind umgeht. Er sollte in der Lage sein, das Kind zu beruhigen und abzulenken. Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl – und suchen Sie bei einem unguten Gefühl lieber ein anderes Geschäft auf
- Für den ersten Ohrring sollte ein kleiner Stecker aus reinem Gold, Chirurgenstahl oder Titan gewählt werden. Andere Metalle erhöhen das Infektionsrisiko unnötig. Hängerchen oder Kreolen eignen sich bei kleineren Kindern generell nicht – beim Spielen können diese leicht herausgerissen werden
Der Ohrring ist drin – und nun?
Haben Sie dem Kind Ohrlöcher stechen lassen, kann es gut sein, dass es sich schon kurz nach dem Eingriff neue Stecker wünscht. Das ist jedoch keine gute Idee, denn die Heilungsphase des Ohrläppchens kann lange dauern. Warten Sie dementsprechend einige Monate ab, bevor Sie sich nochmal beim Juwelier oder dem Piercer beraten lassen. Weisen Sie das Kind außerdem an, den Stecker alle drei bis vier Tage vorsichtig zu drehen. So wird verhindert, dass sich die Haut daran festsetzen kann. Bei möglichen Anzeichen einer Infektion, beispielsweise wenn der Ohrring an der Haut klebt, Flüssigkeiten aus dem Ohrloch austreten oder Schwellungen, Rötungen oder andere Hautausschläge zu sehen sind, sollten Sie den Kinderarzt aufsuchen.
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