Vitamin-E-Mangel: Ursachen, Symptome und Behandlung

Wer sich ausgewogen und vielseitig ernährt, der muss nicht mit einem Vitamin-E-Mangel rechnen. Vitamin E ist in zahlreichen Lebensmitteln enthalten, ein Mangel kommt in Deutschland äußerst selten vor. Dennoch kann es unter gewissen Umständen (z.B. Krankheiten oder Lebenssituationen) zu einem Defizit bzw. einer Unterversorgung kommen.

ausgewählte Lebensmittel mit Vitamin E
Besonders Nüsse sind ein guter Vitamin E-Lieferant Foto: iStock/yulka3ice

Wozu braucht der Körper Vitamin E?

Neben Vitamin A und Vitamin C gilt auch das Vitamin E zu den wichtigsten Antioxidantien für den Menschen. Das Vitamin schützt die Zellen vor oxidativem Stress und nimmt eine wichtige Rolle im Zellstoffwechsel, insbesondere bei der Zellteilung, ein.

Hervorzuheben ist die antioxidative Wirkung von Vitamin E: “Es handelt sich bei den E-Vitaminen – eine Gruppe verwandter Vitamine – um sogenannte Radikalfänger, also chemische Schutzsubstanzen, die besonders reaktionsfreudige Stoffwechselprodukte im Körper schnell entgiften”, sagt Dr. med. Stefan Kabisch. Das betreffe besonders chemische Gruppen, die bindungsfreudigen Sauerstoff enthalten und dazu in der Lage sind, andere chemische Strukturen im Körper zu oxidieren (Antioxidans). Wovon hier die Rede ist? Von freien Radikalen, Sauerstoffverbindungen, die bei zahlreichen Stoffwechselvorgängen entstehen. Nehmen diese freien Radikale Überhand können sie erhebliche Schäden anrichten. “Diese Oxidation würde Membranen (Fett) oder Proteine (Eiweiß) schädigen”, so Dr. Kabisch. Die reaktionsfreudigen Verbindungen wirken unter anderem zellschädigend und werden auch mit der Entstehung von Krankheiten (z.B. Krebs) und dem Alterungsprozess in Verbindung gebracht.

Diese Faktoren können die Entstehung von freien Radikalen unter anderem begünstigen:

  • Entzündliche Prozesse im Körper (z.B. bei Arthrose, Arthritis)
  • Stress
  • UV-Strahlung
  • Nikotin
  • Schädliche Umwelteinflüsse bzw. -gifte

“Vitamin E verhindert das. Sehr ähnlich wie Vitamin C und andere Antioxidantien. Es kommt als fettlösliches Vitamin E auch in Körperbereiche, die wasserlöslichen Antioxidantien weniger gut zugänglich sind”, sagt Dr. Kabisch. “Die verschiedenen Vitamin-E-Varianten unterscheiden sich in ihrer antioxidativen Wirksamkeit.”

Vitamin-E-Mangel: Was ist das und wie äußert er sich?

Der Vitamin-E-Mangel zählt zu den Vitaminmangelerkrankungen, den sogenannten Hypovitaminosen. Darunter versteht man Krankheiten und Beschwerden, die durch einen Mangel an Vitaminen entstehen. Bei einem Vitamin-E-Mangel fehlen die fettlöslichen Tocopherole im Organismus. Es handelt sich um ein fettlösliches Vitamin, mit einem Vorkommen in acht verschiedenen Arten: alpha- beta-, gamma- und delta-Tocopherole sowie alpha- beta-, gamma- und delta-Tocotrienole.

“Vitamin-E-Mangel kommt in Deutschland jedoch sehr selten vor”, so Dr. Kabisch. Gesunde Menschen mit normalen Verdauungs- und Stoffwechselfunktionen sind kaum davon betroffen. Zu Symptomen kommt es bei Erwachsenen meist erst nach bis zu zehn Jahren Abstand – und auch nur infolge einer langen Periode der Unterversorgung. “Mögliche Symptome sind unspezifisch: Leistungsschwäche, Abgeschlagenheit/ Müdigkeit, Wundheilungsstörung, Hautveränderungen und Infektneigung.”

Zu den charakteristischen Symptomen eines Vitamin-E-Mangels zählen u.a.:

Mögliche Ursachen von Vitamin-E-Mangel

Dass ein Defizit an Vitamin E in Deutschland sehr unwahrscheinlich ist, kommt nicht von ungefähr. Die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlene Tagesmenge (11 bis 15 Milligramm pro Tag) kann nahezu jeder gesunde Erwachsene über eine vielseitige und ausgewogene Ernährungsweise ohne Probleme abdecken.

Doch man braucht eines ganz unbedingt, um Vitamin E auch über die Nahrung aufzunehmen: eine funktionstüchtige Fettverdauung. Denn wie schon erwähnt handelt es sich um ein fettlösliches Vitamin.

Schwangere Frauen und stillende Mütter haben häufig einen leicht erhöhten Bedarf an Vitamin E, den es auszugleichen gilt. Doch hier spricht man noch nicht von einem Vitamin-E-Mangel. Dieser liegt erst dann vor, wenn die Aufnahme durch die Nahrung langfristig gestört ist,
beispielsweise bei folgenden Erkrankungen:

  • Chronische Funktionsstörungen der Bauchspeicheldrüse (z.B. chronische Pankreatitis)
  • Kurzdarmsyndrom (z.B. durch die chirurgische Entfernung bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie etwa Morbus Crohn)
  • fehlenden Gallensäuren (z.B. durch Krankheiten der Bauchspeicheldrüse oder der Galle)
  • entzündliche Darmerkrankungen (z.B. Zöliakie, Morbus Crohn)
  • Glutenunverträglichkeit

Allerdings gibt es seltener auch eine schwerere Ausprägung des Vitamin-E-Mangels: und zwar ein durch genetische Defekte verursachter Mangel. Dies ist zum Beispiel bei der seltenen Erkrankung “Familial Isolated Vitamin E deficiency” (kurz: FIVE) der Fall – der spezifische Gendefekt bringt eine Störung der Verstoffwechselung von Vitamin E bzw. von α-Tocopherol in der Leber mit sich. Das Vitamin kann dabei nicht in die Blutbahn abgegeben und vom Körper verarbeitet werden.

Wer hat einen erhöhten Vitamin-E-Bedarf?

Gewisse Personengruppen haben also wie oben erwähnt einen erhöhten Bedarf an Vitamin E, der ausgeglichen werden sollte. Dazu zählen schwangere und stillende Frauen. Doch nicht nur Schwangere und stillende Frauen benötigen mehr Vitamin E. Auch etwa Leistungssportler – aufgrund des stark gesteigerten Energieumsatzes für Muskel- oder Ausdauertraining. Übersicht über Personengruppen mit einem erhöhten Vitamin-E-Bedarf (außerhalb von ursächlichen Erkrankungen, siehe oben):

  • Schwangere Frauen
  • Stillende Frauen
  • Leistungssportler
  • Personen, die häufigem Stress ausgesetzt sind
  • Starke Raucher

Welche positiven Wirkungen hat Vitamin E?

Vitamin E hat viele positive Eigenschaften, von denen unser Körper profitiert. Vor allem kann es freie Radikale in gewissem Ausmaß neutralisieren. “Es schützt vor Alterungsprozessen, die auf chemische Radikale zurückzuführen sind”, sagt Dr. Kabisch. Das schließe zum Beispiel bestimmte Schäden durch Rauchen, Sonneneinstrahlung oder aggressive Medikamente ein. “Das Vitamin E hebt diese Schäden aber nicht vollständig auf, sodass auch eine gute Vitamin-E-Versorgung keine Garantie gegen Hautalterung, Krebs oder sonstiges Organversagen darstellt.”

Der Experte betont, dass es für die meisten untersuchten Krankheitsbilder somit auch keinen Nachweis eines Nutzens durch höhere Vitamin-E-Aufnahme über Supplemente (weder bei Morbus Alzheimer, Augenerkrankungen, Krebs, Herzinfarkt) gibt. “Einzig gegen die Fettleber und ihre direkten Folgeerkrankungen der Leber scheint eine Supplementation wirksam zu sein. Eine Empfehlung zur richtigen Dosis kann man auch hier noch nicht geben”, sagt er.

Die besten Lieferanten: Worin ist Vitamin E enthalten?

Vitamin E ist als fettlösliches Vitamin besonders in Ölen, Fetten und Nüssen zu finden, allerdings in unterschiedlichen Mengen. “Wesentliche Quellen sind Pflanzenöle, vor allem Keim- und Kernöle, sowie Pflanzenmargarine, die hieraus hergestellt wird. Außerdem gehören Nüsse, Kerne und Samen zu guten Vitamin-E-Quellen”, sagt Dr. Kabisch. “Olivenöl enthält hingegen relativ wenig Vitamin E. Mit Ausnahme von Tierleber liefern tierische Produkte kaum Vitamin E.” Ebenso zählt Vollkorngetreide zu den guten Vitamin-E-Lieferanten. Unverarbeitetes Obst und Gemüse sowie Kartoffeln zählen hingegen nicht dazu.

Extra-Tipp: Lagern Sie Öle, Nüsse und Samen geschützt vor Hitze, Licht und Lufteinwirkung (z.B. im Dunkeln und gut verschlossen). Ansonsten kann sich der Vitamin-E-Gehalt reduzieren.

Vitamin-E-Mangel: Aber wie viel Vitamin E ist wirklich „gesund“?

“Die empfohlene Dosis liegt bei 15-35 Milligramm pro Tag, das entspricht 50 Milliliter Sonnenblumenöl”, sagt Dr. Kabisch. “Mehr als das Zehnfache der Vitamin-Dosis sollte man nicht einnehmen.” Vitamin E werde ihm zufolge aufgrund seiner besonderen Fettlöslichkeit nur bei fetthaltiger Nahrung aufgenommen.

Doch der Experte rät bei der Vitamin-E-Aufnahme zur Vorsicht: “Eine langfristig zu hohe Dosis Vitamin E steht im Verdacht, Krebserkrankungen zu begünstigen, weil dem Körper andere antioxidative Schutzmechanismen quasi abtrainiert werden und bestimmte günstige Stoffwechselprozesse im Körper auf ein gewisses Maß an Radikalen angewiesen sind.”

Ob es Unterschiede zwischen der Aufnahme von natürlichem und synthetischem Vitamin E gibt? Ja! “Synthetisches Vitamin E ist oftmals instabiler oder wirkschwächer. Eine Substitution mit Nahrungsergänzungsmitteln ist aber ohnehin für die meisten Menschen unnötig”, sagt Dr. Kabisch.

Ist Vitamin E als Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll?

Viele Menschen gehen bei der Therapie eines Mangels zunächst von der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln aus. Doch ist das wirklich empfehlenswert? Dr. Kabisch sagt: “Nein. Wer einen nachgewiesenen Vitamin-E-Mangel hat, sollte der Ursache auf den Grund gehen und dann mit ärztlicher Absprache gegebenenfalls ein Ersatzpräparat in adäquater Dosis und Wirksamkeit einnehmen. Hohe Vitamin-E-Dosen können mit verschiedenen Arzneimitteln in gefährliche Wechselwirkungen treten. Die Langzeitrisiken der Supplementation sind noch nicht ausreichend erforscht – und ein Nutzen ohne Mangel kaum belegt.”

Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) gibt an, dass eine zusätzliche Einnahme von Nahrungs­ergänzungsmitteln nicht notwendig sei. In Lebensmitteln mit Fettsäuren stecke meistens jede Menge Vitamin E.

Quellen:

Interview Dr. Kabisch, Studienarzt in der Abteilung für Klinische Ernährung am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (Außenstandort Charité CBF)
https://www.msdmanuals.com/de-de/heim/ern%C3%A4hrungsst%C3%B6rungen/vitamine/vitamin-e
https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2010/11_10/EU11_2010_608_615.qxd.pdf
https://www.vitamine-im-zentrum.info/vitamin-e-mangel.html
https://www.assmann-stiftung.de/wp-content/uploads/2013/09/Vitamine-Mineralstoffe-Spurenelemente.pdf
Weißenborn A. et al.: Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln. J Consum Prot Food Saf (2018). Online-Publikation (2018).