Vaginismus: Symptome und was zu tun ist

Ein Vaginismus (Scheidenkrampf) kann für betroffene Frauen extrem belastend sein. Welche Ursachen können Scheidenkrämpfe haben, was sind die Symptome und was können Betroffene dagegen tun? Die Frauenärztin, Psychotherapeutin und Sexualtherapeutin Dr. med. Julia Reeve beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.

Frau hält schützend die Hände vor den Unterleib
Als Vaginismus wird das krampfartige Zusammenziehen der Beckenbodenmuskeln bezeichnet. Betroffene Frauen haben Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und bei gynäkologischen Untersuchungen Foto: iStock/Doucefleur

Was ist Vaginismus?

Vaginismus (auch: Scheidenkrampf) ist die Bezeichnung für schmerzhafte Krämpfe und Verspannungen des Beckenbodens und der Vaginalmuskulatur. Die Expertin Dr. med. Julia Reeve erklärt: „Unter Vaginismus versteht man eine unwillkürliche und willentlich nicht kontrollierbare Anspannung von Beckenbodenmuskeln, sobald etwas in die Vagina eingeführt werden soll – alleine schon der Gedanke daran kann ausreichen, um die Anspannung der Muskeln zu bewirken. Diese Muskelanspannung führt dazu, dass penetrativer Sex nicht möglich ist oder nur unter starken Schmerzen erduldet wird.“

Allerdings treten diese Verspannungen und Krämpfe nicht nur beim Geschlechtsakt auf. Auch gynäkologische Untersuchungen, das Einführen von Tampons und sogar das tägliche Reinigungsritual werden zur schmerzhaften Prozedur.

Häufig werden die Beschwerden für die betroffenen Frauen auch zur psychischen Belastung: Das Gefühl, „keine normale Frau“ zu sein, und die Tatsache, dass mitunter kein wirkliches Sexleben möglich ist, führen häufig zu Minderwertigkeitsgefühlen und Scham.

Vaginismus-Symptome: So lässt sich ein Vaginismus erkennen

An diesen Anzeichen kann man einen Vaginismus erkennen:

●    Unfähigkeit, Geschlechtsverkehr zu haben und daraus resultierende Vermeidungshaltung
●    Vermeiden von/Angst vor frauenärztlichen Untersuchungen
●    Unfähigkeit, Tampons einzuführen
●    Angst, den Scheideneingangsbereich zu ertasten

Scheidenkrampf: Ursachen und Auslöser

Scheidenkrämpfe können sowohl körperlich als auch psychisch bedingt sein. „Nicht immer kann man den Grund für das Vorhandensein von Vaginismus finden“, so Dr. Reeve. Mögliche Ursachen sind:

  • Scheidentrockenheit, z.B. durch hormonelle Umstellungen in den Wechseljahren
  • Erkrankungen im Intimbereich
  • Vorangegangene komplizierte Geburten
  • Andere traumatische Erlebnisse wie sexueller Missbrauch

Auch traumatische Erlebnisse, die bereits in der Kindheit stattgefunden haben, können einen Vaginismus auslösen, so die Expertin: „In vielen Fällen liegen Mini-Traumata aus der Kindheit vor – wie beispielsweise Blasenkatheter-Untersuchungen als Kind, das Einführen von rektalen Zäpfchen als Kind oder Unfälle mit Genitalverletzungen. Sehr viel seltener infolge von sexuellem Missbrauch, bei meiner Klientel weniger als ein Prozent. Es kann aber auch ein psychisches Trauma der Grund sein – zum Beispiel, weil man als Kind furchterregende Erzählungen über die erste Hochzeitsnacht gehört hat.“

Vaginismus: Was tun?

Dr. Reeve rät an Vaginismus leidenden Frauen, sich Hilfe zu suchen: „Es ist nicht nötig, sich zu schämen. Suchen Sie sich professionelle Hilfe oder Kontakt zu anderen Betroffenen, die an Vaginismus gelitten haben und ihn überwunden haben – alleine oder mit professioneller Hilfe.”

Zunächst ist eine gynäkologische Untersuchung sinnvoll, um organische Ursachen auszuschließen. Das kann auch den Leidensweg verkürzen, denn: Steckt etwa eine Scheidentrockenheit hinter den Beschwerden, kann diese ganz einfach mit entsprechenden Salben behandelt werden. Wichtig ist für betroffene Frauen, den Arzt oder die Ärztin vor der Untersuchung auf das Problem anzusprechen, damit gemeinsam ein Weg gefunden werden kann, die Untersuchung für die Patientin so wenig unangenehm wie möglich zu gestalten.

Wurden körperliche Ursachen ausgeschlossen, können folgende Tipps bei wiederkehrenden Scheidenkrämpfen helfen:

  • Mit dem eigenen Unterleib „Frieden schließen“: Die ständigen Schmerzen können dazu führen, dass der eigene Intimbereich zu einer Körperregion wird, die betroffene Frauen lieber komplett „ausblenden“. Um langfristig von den Krämpfen loszukommen und entspannen zu können, kann es aber helfen, den Intimbereich wieder neu kennenzulernen. Dazu kann er etwa mit einem Handspiegel betrachtet und vorsichtig betastet werden.
  • Beckenbodentraining: Mit Beckenbodenübungen kann man lernen, die Beckenbodenmuskulatur besser zu kontrollieren – dann fällt es leichter, die Muskeln in diesem Bereich gezielt zu entspannen.
  • Masturbation: Für an Vaginismus leidende Frauen kann das schon eine „Übung für Fortgeschrittene“ sein – denn häufig haben sie aus Angst vor Schmerzen Scheu, ihren eigenen Intimbereich zu berühren. Dennoch kann sie helfen, die Beckenmuskulatur zu lockern und wieder mehr positive Erlebnisse mit dem eigenen Unterleib zu verbinden.
  • Dehnübungen: Wer bereits einige Erfolge beim Entspannen der Beckenmuskulatur und dem Berühren des eigenen Intimbereichs hatte, kann versuchen, die Vagina ganz vorsichtig an Dehnungen zu gewöhnen. Dazu können zunächst Finger oder kleine Tampons verwendet werden – am besten in Verbindung mit Gleitgel oder Pflegeölen.

Dr. Reeve hat eine eigene Vaginismus-Therapie entwickelt: „Meine Therapie ist entwickelt aus jahrelangen Versuchen und Erfahrungen mit Patientinnen und aus den drei Säulen meiner Ausbildungen – nämlich als Frauenfachärztin, Psychotherapeutin und Sexologin. Man kann die Therapie als spezielles Desensibilisierungsprogramm bezeichnen, welches nur dreimal 1,5 bis 2 Stunden Sitzungen (an drei aufeinanderfolgenden Tagen) beinhaltet.“

„Von diesen insgesamt viereinhalb bis sechs Stunden sind nur ein bis zweieinhalb Stunden Übungen am gynäkologischen Stuhl – der Rest der Zeit ist mit Reden und Erklärungen gefüllt. Hiernach können die allermeisten Frauen ohne Angst und Anspannung Dilatoren von der Größe eines Penis in die Scheide einführen. Circa 85 Prozent der Patientinnen haben innerhalb von 30 Tagen nach Therapiebeginn angstfreien und schmerzfreien Geschlechtsverkehr.”

Wichtig: Die individuelle Ursache herausfinden

Vaginismus kann nur überwunden werden, wenn der Auslöser für die Krämpfe der Beckenboden- und Vaginalmuskulatur und die damit verbundene Angst gefunden wird. Anschließend können Frauen Schritt für Schritt versuchen, die Angst und den Vaginismus hinter sich zu lassen – am besten gemeinsam mit ihrem Partner.

Unsere Expertin: Die Frauenärztin, Psychotherapeutin und Sexualtherapeutin Dr. med. Julia Reeve leitet eine gynäkologische Praxis und hat eine eigene Vaginismus-Therapie entwickelt.

Eine Übersicht von Fachärzt:innen auf dem Gebiet Vaginismus finden Betroffene auf der Website der Vaginismus Selbsthilfe.