Trichotillomanie: Zwanghaftes Haare ausreißen

Patienten mit einer Trichotillomanie reißen sich selbst die Haare aus. Es handelt sich um eine Zwangsstörung, die behandelt werden muss. Sie tritt häufiger bei Frauen als bei Männern auf. Welche Ursachen hat das Leiden und welche Therapien gibt es? 

Eine Frau begutachtet ihre Haare
Betroffene, die unter Trichotillomanie leiden, können ihren Zwang, Haare auszureißen, nicht kontrollieren Foto: iStock/Tunatura

Der Begriff Trichotillomanie ist vermutlich nicht vielen bekannt. Was sich dahinter verbirgt, ist eine Störung, bei der die Betroffenen darunter leiden, sich zwanghaft die Haare ausreißen zu wollen.

US-Schauspielerin Amy Schumer - Foto: IMAGO /MediaPunch

Im Fokus tritt die Erkrankung nun, nachdem sich US-Schauspielerin Amy Schumer unlängst zur Zwangsstörung Trichotillomanie bekannte. Die Schauspielerin leide bereits seit ihrer Kindheit unter der Krankheit, deren Ursache schwer zu benennen ist.

Im Interview mit "The Hollywood Reporter" erklärte Schumer ihren Schritt an die Öffentlichkeit: "Ich trage das schon so lange mit mir herum und habe mich so lange geschämt. Jetzt möchte ich es nicht mehr verstecken. Ich hoffe dadurch, dass ich es mit der Welt teile, etwas von meiner Scham zu verlieren und vielleicht anderen, denen es ähnlich geht, dabei zu helfen, sich nicht mehr zu schämen.“

Patient:innen mit einer Trichotillomanie reißen sich selbst die Haare aus. Meist sind davon eher Frauen als Männer betroffen. Und es handelt sich dabei um eine Krankheit, die unbedingt behandelt werden muss. Die Folgen können bei den Betroffenen nämlich einen irreparablen Schaden anrichten.

Ständig Haare ausreißen: Wann ist es eine Trichotillomanie?

Ärzt:innen sprechen von einer Trichotillomanie, wenn das Ausreißen der Haare einem Zwang nachgeht. Die Wortherkunft erklärt es ganz gut. Der Begriff Trichotillomanie selbst stammt aus dem Griechischen. Dabei steht "trix" für das Haar und "tillein" für reißen oder rupfen. Die Endung "mania" bedeutet Wahnsinn. Die Trichotillomanie gehört zu den weniger bekannten Zwangsstörungen. Oft fällt sie erst dann auf, wenn bei den Betroffenen große Stellen auf dem Kopf kahl werden.

Symptome: Wie äußert sich eine Trichotillomanie?

Personen, die an einer Trichotillomanie leiden, reißen sich in besonders schweren Fällen stundenlang die Haare aus. In der Regel verspüren die Betroffenen dabei keinen Schmerz, sondern eher Entlastung, da sie dadurch versuchen, eine innere Spannung loszuwerden. Neben dem lichtere werdenden Haar und kahlen Stellen äußert sich eine Trichotillomanie auch durch Wunden und Entzündungen, die durch das zwanghafte Ausreißen der Haare entstehen können.

Wimpern und Augenbrauen ausreißen bei Trichotillomanie

Dabei muss nicht unbedingt nur das Kopfhaar betroffen sein. Oft reißen sich Betroffene auch die Wimpern oder Augenbrauen aus. 

Sonderfall Trichophagie

Ganz selten kommt es vor, dass die Betroffenen sich nicht nur die Haare ausreißen oder zupfen, sondern die ausgerissenen Haare auch verschlucken. In diesem Fall spricht man von der sogenannten Trichophagie. Die Folgen können verheerend sein. So können Haarknäule im Magen-Darm-Trakt schwere Schäden verursachen.

Krankhaftes Haare-Ausreißen: Wie viele sind betroffen?

Laut der Universität Göttingen sind etwa 2,5 Prozent der Deutschen einmal im Leben von Trichotillomanie betroffen. Dabei sind neun von zehn Betroffenen Frauen. 

Trichotillomanie: Welche Ursachen?

Hinter einer Trichotillomanie verbirgt sich eine Störung der Impulskontrolle, die eine starke erbliche Komponente hat. Als weitere mögliche Ursachen kommen zudem traumatische Erfahrungen hinzu, wie:

  • ein nicht verarbeiteter Tod naher Angehöriger

  • Gewalterfahrungen

  • sexueller Missbrauch

  • Mobbing

  • emotionale Vernachlässigung in der Kindheit

Nicht immer lässt sich jedoch eine eindeutige Ursache für die Trichotillomanie finden. Jedoch spielen Ängste, anhaltender starker Stress und innere Unruhe eine große Rolle bei der Krankheitsentstehung. Denn es kann zwar eine Veranlagung zu zwanghaftem Verhalten bestehen, ob sich diese allerdings entwickelt, hängt von mehreren Faktoren ab.

Trichotillomanie bei Kindern: Eisenmangel als Ursache?

Eine Trichotillomanie entsteht nicht selten bereits in der Kindheit und manifestiert sich oft in der Pubertät. Bei Kindern unter sechs Jahren wurde bei der Suche nach einer möglichen Ursache auch ein Zusammenhang mit einem Eisenmangel beobachtet. Genaue Forschungsergebnisse gibt es bis dato dazu jedoch noch nicht.

Welche Folgen hat eine Trichotillomanie?

Reißen sich Menschen ihre Haare aus, bilden sich kahle Stellen auf der Kopfhaut, die dauerhaft zurückbleiben können. Das kann schnell zur sozialen Stigmatisierung führen. Mögliche Folgen sind auch Entzündungen der Kopfhaut oder Wachstumsstörungen der Haare. Zudem kommen unabhängig vom Auslöser weitere Probleme einer Zwangsstörung hinzu wie:

  • soziale Ausgrenzung

  • Probleme bei der Alltagsbewältigung

  • Angstzustände

  • Depression

Behandlung: Welche Therapie bei Trichotillomanie?

Die Therapie-Möglichkeiten bei einer Trichotillomanie sind diejenigen, die in der Regel auch bei anderen Störungen helfen können. Dabei gilt es in erster Linie herauszufinden, warum sich die Betroffenen die Haare ausreißen. Besonders gute Erfolge erzielt man mit psychotherapeutischen Verfahren.

Speziell die kognitive Verhaltenstherapie hat sich bei der Behandlung von Zwangsstörungen bewährt. Sie hilft den Patient:innen dabei, sich ihre eigenen Handlungen bewusst zu machen und herauszufinden, welche Auslöser es gibt. Im nächsten Schritt lernen sie, dieses Muster – das Ausreißen der Haare in bestimmten Situationen – durch andere Handlungen zu ersetzen. Sie können dann in auslösenden Situationen beispielsweise lernen, an einem Armband zu ziehen, anstatt sich Haare auf dem Kopf auszureißen.

Auch Techniken wie die progressive Muskelentspannung nach Jacobson, autogenes Training und Yoga helfen Betroffenen, inneren Druck auf gesunde Weise abzubauen. In seltenen schweren Fällen kombinieren Ärzte mehrere Behandlungsmöglichkeiten, zum Beispiel eine kognitive Verhaltenstherapie mit einer medikamentösen Therapie in Form von Psychopharmaka. Ohne Behandlung bekommen Betroffene die Symptome ihrer Trichotillomanie oftmals schwer alleine in den Griff.

Quellen
  • Georg-Elias-Müller-Institut für Psychologie – Universität Göttingen. Spezialisierte Kurzzeitbehandlung von Trichotillomanie, Ängsten und Schlafstörungen.
  • Rainer Maderthaner (2017): Psychologie, Stuttgart: UTB-Taschenbücher.
  • David Morris Schnarch (2017): Die Psychologie sexueller Leidenschaft, Stuttgart: Klett-Cotta.
  • Theodor Waitz (2020): Lehrbuch der Psychologie als Naturwissenschaft, Bremen: Inktank-Publishing.