Tourette-Syndrom
- Überblick
- Ursachen
- Symptome
- Diagnose
- Behandlung
- Vorbeugung
Das Tourette-Syndrom ist eine im Kindesalter auftretende, neuropsychiatrische Erkrankung, die zu den Ticstörungen gehört. Ein Tic ist eine unwillkürliche, plötzlich auftretende und immer gleichartig ausgeführte Muskelzuckung oder Lautäußerung, die der Betroffene zwar kurzfristig unterdrücken, aber nicht langfristig verhindern kann.
Beim Tourette-Syndrom tritt neben mehreren motorischen Tics mindestens ein vokaler Tic auf. Typische motorische Tics sind zum Beispiel Blinzeln, Naserümpfen oder Grimassieren. Zu den vokalen Tics gehören unter anderem Geräusche wie Räuspern, Schniefen oder Husten.
Was ist das Tourette-Syndrom?
Grimassieren, mit den Augen rollen, die Backen aufblasen, räuspern oder schniefen – die meisten Kinder entwickeln von Zeit zu Zeit Ticks und Angewohnheiten, die für die Eltern unverständlich sind und zuweilen bizarr wirken. Auch wenn solche Marotten manchmal störend sind oder die Nerven der Eltern strapazieren, besteht nur sehr selten ein Grund zur Sorge. Die meisten Eigenheiten legen sich nach einigen Wochen oder Monaten ganz von alleine.
In manchen Fällen können Tics allerdings auch einen Krankheitswert erlangen. Mediziner sprechen dann von einer Ticstörung. Dabei ist ein Tic im medizinischen Sinne nicht einfach nur eine lästige Angewohnheit, die sich mit etwas gutem Willen und Geduld überwinden lässt. Ein Tic ist eine unfreiwillige, unwillentliche, meist plötzlich einschießende Bewegung (motorischer Tic) oder Lautäußerung (vokaler Tic), die keinen offensichtlichen Zweck erfüllt und immer genau auf die gleiche Weise ausgeführt wird. Kurzfristig auftretende Tics sind bei Kindern nicht ungewöhnlich. Experten schätzen, dass ungefähr 10 bis 15 Prozent aller Grundschüler vorübergehend von Tics betroffen sind. Nur bei wenigen Kindern liegt eine chronische Ticstörung vor. Hierzu gehört zum Beispiel das Tourette-Syndrom, das Mediziner auch als Gilles-de-la-Tourette-Syndrom bezeichnen. Es beginnt immer im Kindesalter und zeichnet sich durch folgende Symptome aus:
- Mehrere motorische Tics kommen zusammen mit mindestens einem vokalen Tic vor. Die Tics müssen aber nicht zwangsläufig gleichzeitig auftreten.
- Die Tics treten in der Regel in Serien mehrfach am Tag, fast jeden Tag oder immer wieder über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr auf.
- Die Häufigkeit, Art, Lokalisation und Ausprägung der Tics können im Laufe der Zeit variieren. Manchmal verschwinden die Symptome auch für mehrere Wochen oder sogar Monate vollständig, treten aber dann unvermutet wieder auf.

Typische Tics sind zum Beispiel Räuspern, Husten, Zwinkern oder Naserümpfen, aber auch komplexere Aktionen wie Springen, im Kreis Drehen oder Aufstampfen. Manche Tourette-Patienten schreien lauthals, fluchen und schimpfen wie ein Rohrspatz oder schlagen und kneifen sich selbst, was in schweren Fällen zu Selbstverletzungen führen kann. Betroffene empfinden ihre Tics als unvermeidbar und können diese bestenfalls kurzfristig hinauszögern, jedoch nicht endgültig unterdrücken. Sie vergleichen das Gefühl eines Tics in etwa mit einem Schluckauf oder mit dem Bedürfnis zu Niesen: Beides lässt sich für eine gewisse Zeit unterdrücken, irgendwann wird der Reiz aber übermächtig und entlädt sich spontan.
Das Tourette-Syndrom tritt bei ungefähr einem Prozent aller Kinder auf. Dabei sind Jungen drei- bis viermal häufiger betroffen als Mädchen. Die Tics beginnen meistens in einem Alter von sechs bis acht Jahren und sind bei Grundschulkindern nur sehr selten so stark ausgeprägt, dass sie einen echten Krankheitswert haben. Einen Höhepunkt in Ausprägung und Häufigkeit erreichen die Tics häufig während der Pubertät, danach verbessern sich die Symptome bei vielen Kindern spontan. In manchen Fällen verschwinden die Tics im Laufe der weiteren Entwicklung sogar vollständig, sodass das Tourette-Syndrom bei Erwachsenen insgesamt seltener ist als bei Kindern. Grundsätzlich kann die Erkrankung jedoch auch im Erwachsenenalter weiter bestehen.
Probleme entstehen für die Tourette-Betroffenen oft nicht durch die Tics selbst, sondern aufgrund der Reaktion von Lehrern, Mitschülern, Kollegen und anderen. Vor allem Tourette-Patienten, die an schweren motorischen Tics mit ausfahrenden, bizarr wirkenden Bewegungen leiden oder die ohne es zu wollen stimmgewaltig Flüche, Beleidigungen und Schimpfwörter ausstoßen, sind in der Öffentlichkeit sehr auffällig. Bei Erwachsenen rufen sie Unverständnis, Empörung und Verärgerung hervor, bei anderen Kindern sorgen sie für Spott und Hänseleien. Auch die Eltern von betroffenen Kindern sind mit dem eigentümlichen Verhalten ihres Kindes oft überfordert und machen sich Vorwürfe. Alles wird in Frage gestellt: die Erziehung, die Ernährung, vielleicht sogar die Berufstätigkeit der Mutter. Oder ist das Kind am Ende vielleicht einfach nur ein verwöhntes Einzelkind? Bis die richtige Diagnose durch einen Facharzt gestellt wird und die Betroffenen und ihre Angehörigen über das Krankheitsbild aufgeklärt werden, vergehen häufig mehrere Jahre.
Durch die auffälligen Tourette-Symptome werden auch ganz alltägliche Dinge wie die Fahrt in der Straßenbahn oder der Kinobesuch zur Herausforderung. Aufgrund von Vorurteilen und Diskriminierung neigen viele Tourette-Patienten dazu, sich sozial zurückzuziehen. Auch Resignation und depressive Verstimmungen sind nicht selten. So kann eine grundsätzlich harmlose Ticstörung vor allem bei stark ausgeprägten Symptomen schwerwiegende psychische Probleme nach sich ziehen. Es ist deshalb immer ratsam, beim Verdacht auf ein Tourette-Syndrom möglichst frühzeitig einen Arzt aufzusuchen, um Folgeschäden zu vermeiden.