Tinnitus-App: Lieblingslieder lindern Ohrgeräusche
Mit der eigenen Lieblingsmusik den Tinnitus lindern? Klingt preisverdächtig! Das fand auch die Jury eines großen US-amerikanischen Startup-Wettbewerbs. Praxisvita stellt den Wettbewerbsgewinner „Tinnitracks“ vor.
Tinnitus-App gewinnt Innovationspreis
Bei dem Wettbewerb „South by Southwest (SXSW) Accelerator“ treten auf einer mehrtägigen Veranstaltung 48 ausgewählte Finalisten aus aller Welt in verschiedenen Kategorien gegeneinander an. Beim diesjährigen SXSW-Accelerator gewann das Programm „Tinnitracks“ als beste Innovation in der Kategorie „Digital Health & Life Sciences Technologies“.
Bei der Entwicklung von Tinnitracks stützten sich die Forscher der medizinischen Fakultät Münster auf die Erkenntnis, dass Tinnitus nicht im Innenohr entsteht, sondern mit einer Fehlschaltung im Gehirn zusammenhängt. In mehreren seit 2010 veröffentlichten Studien fanden die Wissenschaftler heraus, dass speziell gefilterte Musik dabei hilft, die empfundene Lautstärke des Tinnitus und die psychologische Belastung des Patienten deutlich zu senken.
Wie funktioniert Tinnitracks?
Zuerst wird die persönliche Tinnitus-Tonfrequenz per Hörtest von einem HNO-Arzt oder Hörgerät-Akustiker ermittelt. Auf www.tinnitracks.com können Betroffene diese Frequenz eintragen und ihre persönlichen Lieblingslieder hochladen. Diese werden dann von dem Programm für die Therapie aufbereitet. Das bedeutet: Genau die Tonfrequenz, die der Betroffene ständig hört, wird aus dem Musikstück herausgefiltert.
Möglich ist dies, weil die Nervenzellen im Hörzentrum ihrer Frequenz nach angeordnet sind, vergleichbar der Tastatur eines Klaviers: An einem Ende liegen die tiefen Töne, am anderen die hohen. Die durch das Herausfiltern entstandene Lücke in der Klaviatur der Töne wird mit einem „stillen Ton“ belegt. Bildlich gesprochen: Wird die Klaviertaste angeschlagen, folgt Stille anstelle einer Reizung des Hörnervs.
Hören Betroffene die speziell aufgearbeitete Musik (nach der Aufarbeitung kann die fertige „Therapiemusik“ heruntergeladen werden), werden nur die Nervenzellen stimuliert, die außerhalb des Bereichs der Tinnitus-Frequenz liegen. Die für den Tinnitus verantwortlichen Nervenzellen im Hörzentrum werden hingegen nicht angesprochen. Der Klang des Musikstücks wird durch das Fehlen mancher Frequenzen leicht verändert, doch das Gehirn überbrückt diese Lücken.
Gehirntraining gegen Tinnitus
Das wiederholte Hören der Therapiemusik „trainiert“ einen Teil des Gehirns, der an der Tinnitus-Wahrnehmung beteiligt ist und trägt so dazu bei, das aus der Balance geratene Zusammenspiel von Nervenzellen des Hörzentrums wieder in Richtung eines normalen Gleichgewichts zu verschieben. Wie das Anti-Tinnitus-Training mit Musik genau funktioniert und welche Vorteile es hat, erklärt Dr. Johannes im Video.