Thrombosen nach Vektor-Impfung gegen Corona: Neue Theorie zur Ursache

Ein Team von Forschenden aus Deutschland ist der Frage nachgegangen, weshalb es in seltenen Fällen zu Thrombosen nach einer Vektor-Impfung gegen Corona kommt. Aufgrund ihrer Untersuchungen haben sie nun eine neue Theorie entwickelt, Verbesserungsvorschläge inklusive.

JW Video Platzhalter
Zustimmen & weiterlesen
Um diese Story zu erzählen, hat unsere Redaktion ein Video ausgewählt, das an dieser Stelle den Artikel ergänzt.

Für das Abspielen des Videos nutzen wir den JW Player der Firma Longtail Ad Solutions, Inc.. Weitere Informationen zum JW Player findest Du in unserer Datenschutzerklärung.

Bevor wir das Video anzeigen, benötigen wir Deine Einwilligung. Die Einwilligung kannst Du jederzeit widerrufen, z.B. in unserem Datenschutzmanager.

Weitere Informationen dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Die Vakzine von AstraZeneca und Johnson & Johnson stehen im Verdacht, bei manchen Geimpften Sinusvenenthrombosen auszulösen. In einigen Fällen führte das sogar zum Tod der Betroffenen. Zusammen mit den Blutgerinnseln tritt auch ein Mangel an Blutplättchen auf. Doch wie genau es zu den Thrombosen nach einer Vektor-Impfung gegen Corona kommt, ist bislang nicht geklärt. Deshalb hat sich eine Forschergruppe der Goethe-Universität in Frankfurt und der Universität Ulm auf Spurensuche begeben: In einem Preprint (Vorabveröffentlichung) haben sie jetzt die Ergebnisse ihrer Untersuchungen und eine neue Theorie präsentiert, wie unter anderem spiegel+ berichtet.

Was sind Vektor-Impfstoffe?

Vektoren sind ungefährliche Erkältungsviren, die sich im Menschen nicht vermehren können. Die Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson arbeiten mit diesen sogenannten Adenoviren:

• Dazu wurde das Erbgut der Viren mit einem kleiner Teil des Coronavirus-Genoms verändert, so dass es nun den Bauplan für die Herstellung des SARS-CoV-2-typischen Spikeproteins in sich trägt. 
• Nach der Impfung dringen die Viren in die menschlichen Körperzellen ein, die nun Spikeproteine produzieren. 
• Das wiederum aktiviert die Immunantwort: Antikörper werden entwickelt und man ist gegen das Coronavirus geschützt. 

Wichtig zu wissen: Es besteht kein Risiko, dass die Adenovirus-Vektoren-DNA in das menschliche Erbgut eingebaut wird.

Thrombosen nach Vektor-Impfung: Probleme im Zellkern?

Die seltenen Komplikationen nach der Impfung mit dem Vakzin – auch als Thrombosen mit Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) bezeichnet – könnten nun nach Ansicht der Forschenden mit genau diesem Prozess zusammenhängen. Offenbar kommt es zu Störungen beim Ablesen des kleinen Teils vom Vektor-Erbgut im Zellkern: „Genau hier liegt das Problem: Das Stück virale DNA ist nicht dafür optimiert, im Kern transkribiert zu werden“, so die Autoren. 

Der Vorgang wird in der Fachsprache Splicing (auf Deutsch: Spleißen) genannt. Dabei werden DNA-Abschnitte ohne Bauanleitung aus der Gensequenz herausgeschnitten und die anderen Abschnitte zur RNA (Ribonukleinsäure) mit den genetischen Informationen des Spikeproteins zusammengesetzt. Den Untersuchungen der deutschen Wissenschaftler zufolge entstehen bei diesem Ablesen im Zellkern fehlerhafte Varianten des Spikeproteins: Ein Teil ist zu kurz. Dadurch können diese Varianten nicht mehr wie beabsichtigt an der Zellwand andocken, sondern gelangen als frei lösliche Spikeproteine in die Blutbahn. Hier können sie dann zu Entzündungsreaktionen und Blutgerinnseln führen. Etwa einer von 100.000 Geimpften wäre davon betroffen.

Corona-Impfstoff kann durch Anpassungen verbessert werden

Der Fehler beim Splicing liegt offenbar im Impfstoff begründet: Es fehlt eine bestimmte Information, die für den gewünschten Prozess ausschlaggebend ist. Die Verfasser des Preprints haben bereits einen Vorschlag, wie sich das beheben ließe: „Mit den Daten können wir Unternehmen sagen, wie sie diese Sequenzen mutieren können, indem sie das Spike-Protein so codieren, dass unbeabsichtigte Spleißreaktionen vermieden werden“, so Rolf Marschalek, einer der Autoren, gegenüber der Financial Times. 

Die Zeitung berichtet auch, dass Johnson & Johnson bereits Kontakt aufgenommen hätte, um seinen Impfstoff anzupassen. Der genetische Code dieses Vakzins produziert allerdings weniger frei lösliche Spikeproteine und löst noch seltener Hirnvenenthrombosen aus. Für die mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna besteht die Gefahr des Splicing nicht, da sie nicht in den Zellkern eindringen.

Theorie muss noch geprüft werden

Der Preprint ist nicht die erste Untersuchung zu den gefährlichen Nebenwirkungen: Bereits zuvor hatten Forschende aus Greifswald in Blutproben von einem Zusammenhang zwischen dem AstraZeneca-Impfstoff und einer bestimmten Immunreaktion berichtet, die zu einem Mangel an Blutplättchen und Blutgerinnseln – also zu TTS – führt. Die aktuelle Veröffentlichung bestätigen dies, jedoch muss die Theorie noch weiter untermauert werden. Zudem soll der wissenschaftliche Beitrag erst noch von unabhängigen Gutachtern geprüft werden. Dann können die neuen Erkenntnisse zu Thrombosen nach einer Vektor-Impfung gegen Corona dazu beitragen, die Vakzine noch sicherer zu machen.