Takotsubo: Wie kommt es zum Broken-Heart-Syndrom?
Takotsubo ist den meisten Menschen als Broken-Heart-Syndrom bekannt: Emotionale Ausnahmesituationen können Symptome auslösen, die selbst Mediziner auf den ersten Blick nicht von einem Herzinfarkt unterscheiden können. Und genau wie ein Herzinfarkt kann das Takotsubo-Syndrom gefährlich werden. Aber warum schlägt Stress bei manchen Menschen auf das Herz?
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Stress kann dem Körper zusetzen – so sehr, dass das Herz außer Kontrolle geraten kann. Bei Takotsubo, dem Broken-Heart-Syndrom, können heftige emotionale oder körperliche Belastungen das Herz verkrampfen lassen. Doch wie kommt es dazu? Eine Schlüsselrolle spielen Stresshormone.

Was ist Takotsubo?
1990 wurde Takotsubo von japanischen Wissenschaftler:innen erstmals beschrieben. Es handelt sich dabei um eine vorübergehende akute Herzinsuffizienz mit einer eingeschränkten Pumpfunktion der linken Herzkammer. Der Kardiologe Dr. med. Christof Burgdorf, erklärt: „Das Herz schlägt ganz schwach und der Herzmuskel hat eine eigentümliche Form. Die Herzspitze ist ausgebeult wie ein Ballon.“ Weil die Form an eine gleichnamige japanische Tintenfischfalle erinnert, gaben die Wissenschaftler:innen dem Syndrom den Namen „takotsubo“.
Als Synonym hat sich der englische Begriff „Broken-Heart-Syndrom", auf Deutsch „Gebrochenes-Herz-Syndrom", etabliert. Im deutschsprachigen Raum spricht man auch oft von Stress-Kardiomyopathie. Denn die Erkrankung wird häufig durch außerordentliche emotionale Belastungen ausgelöst wie etwa durch einen Todesfall in der Familie oder eine schwere Trennung. „Das sprichwörtliche ‚etwas bricht mir das Herz‘ hat also medizinisch gesehen durchaus seine Richtigkeit“, so Burgdorf.
Aber nicht nur negative, sondern auch positive Ereignisse können die Erkrankung verursachen. Daneben zählen auch körperliche Ausnahmesituationen zu den möglichen Auslösern. Takotsubo kann zum Beispiel nach einem epileptischen Anfall, einem Schlaganfall oder einem Asthmaanfall auftreten.
Takotsubo-Kardiomyopathie: Was sind die Ursachen des Gebrochenes-Herz-Syndroms?
Bei der Entdeckung von Takotsubo ging man noch davon aus, dass das Syndrom genau wie bei einem Herzinfarkt auf eine Durchblutungsstörung infolge von verstopften Herzkranzgefäßen zurückgeht. Diese These wurde schnell widerlegt. Man weiß inzwischen, dass bei Takotsubo der Herzmuskel verkrampft. Die genauen Wirkmechanismen sind bis heute nicht eindeutig geklärt. Untersuchungen von Takotsubo-Betroffenen lassen aber einige Erkenntnisse zu.
Beim Broken-Heart-Syndrom schüttet der Körper aufgrund eines überaktiven autonomen Nervensystems übermäßig viel Katecholamine aus, unter anderem Adrenalin und Noradrenalin. Die Stresshormone regulieren unter anderem die Herzfunktion und den Blutdruck, wenn der Körper unter Stress steht. In emotionalen oder körperlichen Extremsituationen wird der Körper mit Katecholaminen überschwemmt – bei einer Stress-Kardiomyopathie reichern sie sich im Herzen an und stören dadurch die Funktion der Herzmuskelzellen.
Doch nicht bei allen Menschen ziehen Stresshormone das Herz in Mitleidenschaft. Nach Schätzungen liegt die Zahl der Betroffenen im einstelligen Prozentbereich. Wissenschaftler:innen vermuten, dass eine höhere Empfindlichkeit auf Stressreize die Erkrankung begünstigt. Eine internationale Studie von Neurolog:innen aus dem Jahr 2015 stieß zudem auf funktionelle Veränderungen im Gehirn von Betroffenen. Dem Takotsubo-Syndrom kann Jahre vorher eine erhöhte Aktivität im Angst- und Stresszentrum des Gehirns vorausgehen. Menschen, die unter chronischem Stress, Angststörungen oder Panikattacken leiden, könnten daher mitunter ein höheres Risiko tragen.
Takotsubo-Syndrom: Symptome wie bei einem Herzinfarkt
Das Broken-Heart-Syndrom wird häufig mit einem Herzinfarkt verwechselt – nicht nur von Betroffenen, sondern auch von Ärzt:innen. Besonders im Akutstadium ist eine Unterscheidung kaum möglich. Denn: „Die Symptome sind identisch“: Plötzlich einsetzende Luftnot, Schmerzen im Oberkörper und Brustenge (angina pectoris). „Die Diagnose können wir nur durch eine Herz-Katheter-Untersuchung stellen“, so Burgdorf. Zusätzlich kommen EKGs, Laborwerte und bildgebende Verfahren (Ultraschall vom Herzen und MRT) für die Diagnose zum Einsatz.
Es gibt ein wichtiges Unterscheidungskriterium zwischen einem Herzinfarkt und Takotsubo: „Bei einem 'klassischen' Infarkt ist eine der drei Herzkranz-Arterien verengt beziehungsweise verschlossen. Bei einem Takotsubo-Syndrom hingegen nicht.“ Zudem steigt Troponin – ein Proteineiweiß, das unter anderem als Biomarker für einen Herzinfarkt dient – in der Regel nur so leicht an, dass er noch im (höheren) Normbereich liegt. Dafür ist der Wert eines bestimmten Polypeptids (NT-proBNP) erhöht, der bei der Diagnostik einer Herzinsuffizienz eine wichtige Rolle spielt.
Die Diagnose Takotsubo wird gestellt, wenn bei Herzinfarkt-ähnlichen Symptomen folgende Kriterien erfüllt sind:
Die Funktion der linken Herzkammer ist gestört.
Keine verengten Herzkranzgefäße.
Das EKG zeigt Auffälligkeiten.
Den Symptomen ist starker Stress vorausgegangen.
Stress-Kardiomyopathie kann schwer verlaufen
Bis vor einiger Zeit ist man davon ausgegangen, dass die Takotsubo-Kardiomyopathie bei den meisten Betroffenen folgenlos ausheilt. Zwar setzt bei vielen eine Spontanheilung ein. Die Veränderungen des Herzmuskels bilden sich dann innerhalb weniger Wochen zurück. Es hat sich jedoch gezeigt, dass Komplikationen relativ häufig auftreten. Je nach Untersuchung ist von zehn bis 50 Prozent der Betroffenen die Rede.
Zu den möglichen Folgen – sowohl kurzfristig als auch langfristig – gehören Blutgerinnsel, ein kardiogener Schock und lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen. In rund fünf Prozent der Fälle enden die Komplikationen tödlich.
Broken-Heart-Syndrom: Besonders Frauen betroffen
Takotsubo trifft in 90 Prozent der Fälle Frauen – besonders nach der Menopause. Aus diesem Grund werden auch hormonelle Einflüsse als Risikofaktor diskutiert. So könnte der in den Wechseljahren stark abfallende Östrogengehalt im Blut zu einer Überaktivierung des Sympathikus, dem Stressmodus des Körpers, führen. Was jedoch die Komplikationen angeht, sind männliche und jüngere Patient:innen stärker betroffen, wie eine Auswertung von über 2.000 Patientenakten des internationalen Takotsubo-Registers (InterTAK) zeigt. Demnach erlitten zwischen 2011 und 2017 unter 50-Jährige häufiger als über 75-Jährige einen kardiogenen Schock.
Takotsubo-Therapie: Keine einheitliche Empfehlung
Um Komplikationen frühzeitig zu erkennen, werden Patient:innen in der Regel auf der Intensivstation monitorüberwacht. Zudem kommen Beta-Blocker und ACE-Hemmer zum Einsatz, die die normale Herzfunktion wiederherstellen sollen. Allerdings gibt es keine einheitliche Therapieempfehlung – auch, was die Prävention eines Rezidivs (Rückfall) angeht.
Burgdorf empfiehlt Patient:innen, „bewusst Ruhepausen in den Alltag einzubauen und Techniken wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung zu erlernen.“ Aber: „Vor bestimmten Dingen, wie dem Tod eines Angehörigen, kann sich niemand schützen. Wir können nur versuchen, achtsam mit uns selbst umzugehen – und in Notsituationen schneller Hilfe zu suchen“. Denn je schneller Takotsubo behandelt wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Erkrankung ohne Folgen ausheilt.
Unser Experte:
Dr. med. Christof Burgdorf, Oberarzt der Klinik für Kardiologie, Herz- und Gefäßzentrum Bad Bevensen.