Tagtraum statt Tablette: Wirksame Strategien gegen Konzentrationsprobleme
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Konzentration steigern mit Traubenzucker, schneller im Kopf dank Kaffee, Denkleistung optimieren mit Medikamenten? Unsere Expertin Diplom-Psychologin Cora Besser-Siegmund weiß, was bei Konzentrationsproblemen dauerhaft hilft.
Fördert Kaffee die Konzentration oder ist das nur Einbildung?

Wenn ich müde bin, wird das vom Körper in der Regel als unangenehm wahrgenommen und alles, was sich unangenehm anfühlt, führt zu Konzentrationsschwierigkeiten. Koffein belebt die Rezeptoren meines Nervensystems. Die Tasse Kaffee hebt so meine Stimmung in einen positiven Bereich – das sogenannte positive Erregungsniveau. Mir geht es dann besser und mein Gehirn beschäftigt sich gerne mit neuen Daten. Aber: Die Gehirnzellen benötigen auch Erholung – und diese wird von Koffein unterbunden.
Kann es auch ein Zuviel an Koffein geben?
Ja. Am wichtigsten ist immer: Wie ist mein Ausgangszustand? Starte ich aus der Erschöpfung heraus, aus einer echten Müdigkeit, fühle ich mich durch die stimulierende Wirkung des Kaffees wohler und mein Großhirn kann besser arbeiten. Ist mein Erregungsniveau aber schon sehr hoch und ich trinke noch zusätzlich Kaffee, erreiche ich ein zu hohes Erregungsniveau. Dann ist keine Konzentration mehr möglich, denn je höher ich toure, desto mehr sinkt mein Leistungsniveau. Gerade kniffelige, kognitive Aufgaben – also wenn ich die Lösung für eine Aufgabe suche oder etwas lernen möchte – lassen sich am besten auf dem mittleren, dem positiven Erregungsniveau bewältigen. Denn dann ist meine Konzentration auf den Punkt.
Wie erkenne ich dieses richtige Konzentrationsniveau?
Das mittlere Erregungsniveau ist dann erreicht, wenn ich angenehm wach bin, mein Atem ruhig geht und meine Muskeln eine angenehme Grundspannung haben, ohne dass ich mich angestrengt fühle – mein Körper fühlt sich leicht an und die Dinge, die ich mache, fallen mir „leicht“. Atme ich sehr schnell – atme ich mehr ein als aus – ist das ein Zeichen dafür, dass ich zu hoch toure. Geht mein Atem aber fließend, atme ich in den Bauch und länger aus als ein, dann befinde ich mich auf dem mittleren Erregungsniveau und kann mich am besten konzentrieren.
Wie wirkt Traubenzucker auf meine Konzentration?
Traubenzucker wirkt anders als Kaffee. Er ist in dem Sinne keine „Droge“. Unser Gehirn kann nur Glukose verwerten, um tätig zu sein – es verbraucht ca. 80 Prozent der durch die Nahrung in Form von Kohlenhydrate zugeführten Glukose. Das Gehirn ist das Organ unseres Körpers, das am höchsten tourt. Traubenzucker ist ein Einfachzucker, also reine Glukose, er muss nicht erst, wie komplexe Kohlenhydrate, vom Körper aufgespaltet werden. Traubenzucker überwindet somit sehr schnell die Blut-Hirn-Schranke, d. h. er kreist nicht so lange im Körper, sondern zischt sofort hoch zu den Gehirnzellen und wirkt sich deshalb positiv auf meine Konzentrationsschwierigkeiten aus.
Also helfen mir zuckerhaltige Süßigkeiten, mich besser zu konzentrieren?
Kurzfristig gesehen ja, langfristig gesehen nein. Die Wirkung von Süßigkeiten verpufft rapide, da die durch sie gelieferte Glukose eben sehr schnell im Hirn, aber eben auch schnell verbraucht ist. Der Erschöpfungszustand stellt sich dann sehr rasch wieder ein und eine erneute Zuckerzufuhr ist notwendig. Dieses permanente Hoch und Runter – diese Achterbahnfahrt – mindert meine Konzentrationsfähigkeit.
Welche Nahrungsmittel sind gut für mich, um konzentriert sein zu können?

Hochwertige, also komplexe Kohlenhydrate sind das A und O für die Leistungsfähigkeit des Gehirns und z. B. in Vollkornbrot enthalten. Die Kohlenhydrate spalten sich langsam, d. h. sie kreisen im Blut und liefern nach und nach Glukose. Deshalb sind die so in Mode gekommenen Eiweißdiäten so fatal, denn sie beziehen das Gehirn und dessen Glukosebedarf nicht mit ein. Doch der Kopfarbeiter benötigt Glukose, also Kohlenhydrate.
Eine Diät beeinflusst also meine Konzentrationsfähigkeit?
Ja. Hungerstrecken bereiten dem Körper Stress. Das Gehirn sagt dann: So, jetzt schalten wir den Körper um und lagern Fett ein. Dem Hirn wird dann die Glukose abgezogen, die der Körper zur Fetteinlagerung braucht – meine Konzentration sinkt rapide. Regelmäßiges, gesundes Essen ist der Basistrick für eine gute Konzentration.
Wie wirkt sich allgemeiner Stress auf meine Konzentrationsfähigkeit aus?
Stress ist der Hauptauslöser für Konzentrationsprobleme. Die Natur hat einen Mechanismus eingerichtet, der bei Stress unser Großhirn ausschaltet – den sogenannten Blackout. Denn wenn wir früher einem Raubtier gegenüberstanden, sollten wir nicht lange nachdenken, sondern uns schnellstmöglich in Sicherheit bringen. Diese Beeinträchtigung des Großhirns zeigt sich in einer Konzentrationsstörung: Ich kann nicht mehr in Ruhe denken, kann keine Lösung finden, kann nichts mehr im Kopf behalten.

Wie kann ich Blackouts vermeiden?
Sehr wichtig ist es, dem Gehirn regelmäßig Entspannung anzubieten. Das Nervensystem ist wie ein Pflanze: Gieße ich sie aller zwei Monate mit zehn Liter Wasser, wird sie weder die Durststrecke noch die Überflutung überleben. Das Nervensystem möchte jeden Tag seine Erholung, dann sind auch anstrengende Phasen nicht schlimm. Dieses Runterkommen nennt sich auch parasympathische Aktivierung: Die Gefäße werden gleichmäßig geöffnet, die Muskeln entspannen sich, der Atem geht tief. Wer das nicht zulässt, suggeriert seinem Körper, dass da draußen Krieg herrscht und er sich darauf einzustellen muss. Dauerhafte Konzentrationsprobleme sind die Folge.
Welche Maßnahmen kann ich bei Konzentrationsproblemen zur Entspannung ergreifen?
Sie sollten sich bei Konzentrationsschwierigkeiten eine kurze, regelmäßige Tagträumerei erlauben. Das erlaubt dem Hirn, geschehene Dinge zu verarbeiten. Auch sollten die Augen regelmäßig entspannt werden, z. B. mit einem bewussten Blick aus dem Fenster. Eine Bürotätigkeit zwingt den Blick häufig starr geradeaus auf den Bildschirm oder auf das Blatt Papier. Dieser fixierte Blick löst Stress aus. Die Natur hat es eigentlich so eingerichtet, dass bei einem lebhaften Blick, mal nach links, mal nach rechts, nach oben und nach unten, die meisten Gehirnzellen aktiv sind.
Kann ich dem Stress auch mit Sport entgegenwirken oder fördert er eher das Stresslevel?
Sport ist einer der wichtigsten und einfachsten Stresskiller. Denn Sport bedeutet Ausgleich. Stresshormone bauen sich am schnellsten in der körperlichen Bewegung ab, denn der Kreislauf kann sie dann geschwind abtransportieren. Es heißt nicht nur: hinsetzen und ausruhen, sondern auch: ausagieren.
Ist auch eine Medikamenteneinnahme bei Konzentrationsproblemen sinnvoll, z. B. des Arzneistoffes Methylphenidat, der in Ritalin enthalten ist?
Kurzfristig können Medikamente das Hirn ein bisschen erhellen, die Ursachen der Konzentrationsprobleme beheben sie aber nicht. Anders sieht es bei ADHS-Patienten aus. Sie leiden unter einem zu niedrigen Dopamin-Spiegel, das sogenannte Belohnungshormon. Ihre Zappelei ist ein ständiger Kampf gegen das Gefühl des Runtergezogenwerdens. Ritalin schafft hier den Ausgleich und der Patient wird ruhiger. Gebe ich einem Menschen mit normalen Dopamin-Spiegel Methylphenidat, überdreht er und eine Konzentration ist kaum noch möglich. Viele Studenten greifen zu Methylphenidat, um den Anforderungen des Studiums gewachsen zu sein. Meist ist schon vor der Einnahme des Medikaments ihr Aktivitäts- und Regenerationsrhythmus gestört, sie leiden unter erhöhtem Stress. Das Medikament peppt sie wieder auf, bringt sie auf das Level, auf dem sie sich fokussiert dem Lernstoff widmen können.

Würden Sie sagen, dass die Anforderungen an den Menschen heute höher geworden sind und deshalb gehäuft Konzentrationsschwierigkeiten auftreten oder haben sich die Anforderungen nur verändert und wir müssen noch lernen, damit richtig umzugehen?
Die Anforderungen sind höher geworden – beispielsweise allein durch die immense Informationsflut, die jeden Tag auf uns einströmt. Das Gehirn muss immer zielgerichteter selektieren und arbeiten, sich immer mehr konzentrieren. Dabei braucht das Gehirn dringend die Erholung, den Weitblick. Der Weitblick ist das Gegenteil von Konzentration. In diesem Zustand kommen uns die besten Ideen. Beides, der Weitblick und die Konzentration, sind wichtig. Beim Atmen würde man schließlich auch nicht fragen: Ist das Einatmen oder das Ausatmen wichtiger? Der Atem wird zu einer belebenden Sache, weil beides dazugehört. So ist es auch mit der Konzentration: Der gesunde Rhythmus ist der Zauber.
Im Interview: Cora Besser-Siegmund
Diplom-Psychologin, Business-Coach, Lehr-Coach; wingwave-Begründerin, Buchautorin (zuletzt erschienen: Schnelle Hilfe bei Angst und Stress).
Website: www.besser-siegmund.de
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