Tabuthemen: Worüber Männer nicht sprechen
In punkto Gesundheit gibt es immer noch viele Tabuthemen, über die Männer nicht gern sprechen. Der Experte für Männergesundheit und Urologe Dr. med. Christoph Pies lüftet die Geheimnisse der Männer und verrät, was Männer tun können, um ihre Leiden zu lindern.
- Tabuthemen in der Gesellschaft: Was es für Männer schwer macht, über ihre Leiden zu reden
- Was ein Tabu für Männer ist und warum das 5 Lebensjahre kosten kann
- Tabus bei Männern in Deutschland: Vermeidungsstrategien bei Themen rund um das Geschlecht
- Früherkennung bei Prostatakrebs sollte kein Tabu sein
- Tabuthema Prostatavergrößerung: Oft ist das Gewicht die Ursache
- Hausmittel und pflanzliche Arzneien zur Behandlung der Prostata
Inkontinenz, Potenzschwierigkeiten oder Prostataleiden sind für viele Männer Tabuthemen, bei denen sie nicht besonders auskunftsfreudig sind. Während Frauen scheinbar kaum Probleme haben, über intimste Themen zu sprechen, schweigen Männer lieber und schieben damit Gesundheitsthemen auf die lange Bank.
Für den Mediziner Dr. Christoph Pies lässt sich das organisch-biologisch erklären. Männer besäßen nur ein Sprachzentrum in der linken Gehirnhälfte und hätten deshalb schlechtere verbale Fähigkeiten. Frauen hingegen hätten zudem die Fähigkeit, nonverbale Signale wie Gesichtsausdrücke besser zu interpretieren. „Unsere männliche Unfähigkeit, Emotionen zu erkennen und die eigenen Gefühle in Worte zu fassen, hat sogar einen Namen: Alexithymie“, erklärt Dr. med. Christoph Pies.
Tabuthemen in der Gesellschaft: Was es für Männer schwer macht, über ihre Leiden zu reden
Selbst im fortschrittlichen 21. Jahrhundert gibt es noch Tabuthemen in der Gesellschaft, die verschwiegen werden. Bei Männern handelt es sich dabei meist um psychische und emotionale Themen oder um Dinge, die mit Sexualität zu tun haben. Die Rolle des „harten“ Mannes, der alles durchsteht, ändert sich nur langsam. Ein Zitat des ersten deutschen Kanzlers Konrad Adenauer bringt es auf den Punkt: „Es gibt Dinge, über die spreche ich nicht mal mit mir selbst.“
Die größten Hindernisse für Männer, sich zu öffnen, hängen mit einer immer noch klassischen Männerrolle zusammen. Laut Christoph Pies wachsen Männer in diese tradierte Rolle hinein. Mit 20 seien Krankheiten überhaupt kein Thema. Man(n) fühle sich jung, stark und unsterblich. Mit 30 würden Männer eher in Familie und Beruf investieren als in die Gesundheit. „Doch schon um die 40 zeigen sich dann oft erste Anzeichen von gesundheitlicher Vernachlässigung“, weiß der Urologe aus eigener Praxis.
Was ein Tabu für Männer ist und warum das 5 Lebensjahre kosten kann
Gesundheitsthemen im Allgemeinen würden von Männern schlicht verdrängt, bestätigt Christoph Pies. Das fehlende Gesundheitsbewusstsein beruhe auf einer Mischung aus fehlender Risikokompetenz, kurzsichtigem Denken und Verdrängungsmechanismen.
„Einfache und offensichtliche Zusammenhänge zwischen Verhaltensweisen wie Rauchen, übermäßigem Essen und Trinken, mangelnder Bewegung, intensivem Sonnenbaden, Stress und auftretenden Krankheiten werden beharrlich geleugnet.“, sagt Pies. Männer hätten ein geringeres Gesundheitswissen, häufiger chronische Krankheiten und pflegten einen anderen Umgang damit.
Der Mediziner ist sich sicher, dass das Verdrängen der Tabuthemen rund um die Gesundheit sogar wertvolle Lebenszeit kostet: „In der Summe resultiert daraus eine um mindestens 5 Jahre kürzere Lebenserwartung als bei Frauen.“
Vor allem auf der psychischen Ebene wird die medizinische Unterversorgung von Männern augenfällig. Männer würden laut Christoph Pies erst dann als krank akzeptiert, wenn sie Zeichen einer körperlichen Erkrankung vorweisen können. „Psychische Erkrankungen sind bei Männern chronisch unterdiagnostiziert“, so der Urologe. Diese bahnten sich in häuslicher Gewalt, Alkoholismus oder Suiziden ihren Weg nach außen. So sterben Männer fast doppelt so häufig durch Selbstmord wie Frauen.
Tabus bei Männern in Deutschland: Vermeidungsstrategien bei Themen rund um das Geschlecht
Wenn es um die körperliche Gesundheit und Vorsorge geht, sind es besonders die Themen rund um die Geschlechtsorgane, die Männer nicht gern in Angriff nehmen. Vorsorgeuntersuchungen sind immer noch eine Domäne der Frauen, ihre Quote liegt bei 40 Prozent. Männer hingegen nehmen präventive Untersuchungen nur zu 20 Prozent wahr. Drei von vier Männern sollen laut Befragungen ausgeprägte Krankheitsängste haben, schlagen aber Untersuchungsangebote aus Angst vor einer schlimmen Diagnose aus.
„So entwickelt der Mann Vermeidungsstrategien: Auf der Arztbesuch-Ausredenliste findet sich Zeitmangel auf Platz eins, gefolgt von Angst vor einer schlechten Diagnose und Respekt vor der Prostatauntersuchung mit dem Finger“, sagt Christoph Pies.
Früherkennung bei Prostatakrebs sollte kein Tabu sein
Gerade im Hinblick auf Krebserkrankungen kann das schwere Folgen haben. Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart bei Männern, die Zahl der Neuerkrankungen liegt jährlich bei über 60.000 Fällen. Bei der Sterblichkeit liegt sie mit gut elf Prozent auf Platz zwei der Krebstodesfälle hinter Lungenkrebs mit 25 Prozent.
Da Prostatakarzinome meist sehr langsam wachsen, können zwei von drei dieser Fälle geheilt werden. Und vier von fünf Männern mit dieser Diagnose sterben nicht an dem Krebs, sondern an anderen Ursachen. Bei zwei von drei verstorbenen Männern über 70 findet man laut Christoph Pies ein latentes Karzinom, das zu Lebzeiten nie Probleme gemacht hat.
Eine regelmäßige Krebsvorsorge sollte für Männer kein Tabuthema sein. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für Prostatakrebs. Auch die Ernährung spielt eine Rolle bei der Entstehung: Männer, die fettleibig sind (BMI über 30), gelten als besonders gefährdet.
Tabuthema Prostatavergrößerung: Oft ist das Gewicht die Ursache
Neben Prostatakrebs ist eine Prostatavergrößerung eins der häufigsten Tabus für Männer. Dass die Prostata vergrößert ist, merken Männer in der Regel lange nicht oder nur an unspezifischen Beschwerden. Erst, wenn die vergrößerte Vorsteherdrüse auf die Harnröhre und die Blase drückt, entwickeln sich Probleme beim Wasserlassen oder beim Halten des Urins. Ungefähr jeder zweite Mann entwickelt im Laufe seines Lebens eine gutartige Prostatavergrößerung. Besonders ab dem 50. Lebensjahr wächst diese Drüse.
Urologe und Autor Christoph Pies kennt die Ursachen – sie hängen mit den Hormonen zusammen. Denn selbst bei abnehmendem Testosteronspiegel produzierten ältere Männer vermehrt Dihydro-Testosteron (DHT), was die Prostatazellen zum Wachstum stimuliere. Auch ein Missverhältnis zwischen Testosteron und Östrogen könne eine Rolle spielen. Potenzstörungen und Prostatavergrößerung sollen ebenfalls gehäuft zusammen auftreten.
Übergewicht und mangelnde körperliche Betätigung tun ein Übriges. „Man könnte es auf den Nenner bringen: Je größer der Bauchumfang, desto größer die Prostata“, erklärt der Urologe.
Hausmittel und pflanzliche Arzneien zur Behandlung der Prostata
Durch Reduzierung des Übergewichts und mithilfe einer Ernährungsumstellung lasse sich das Risiko einer Prostatavergrößerung verringern. Eine Ernährung mit wenig Fett und rotem Fleisch, moderatem Alkoholkonsum sowie viel Eiweiß, Gemüse und Sojaprodukten könne dazu beitragen, dass die Prostata gesund bleibe. Sojaprodukte enthalten sogenannte Isoflavone, die den Testosteronspiegel senken können.
Auch Extrakte aus Heilpflanzen seien zur Behandlung von Prostatabeschwerden sehr beliebt, fast jeder zweite Mann mit einer Prostatavergrößerung greife zu solchen Präparaten. Dazu zählen zum Beispiel Kürbiskerne, Pinienwurzeln oder Gräserpollen. Auch Extrakte der Sägezahnpalme (Sabalfrüchte) sollen das Testosteron hemmen, das für das Prostatawachstum mit verantwortlich ist. Wenn sie in Kombination mit Extrakten aus der Brennnesselwurzel genommen wird, kann sie Wachstum und Entzündung der Prostata hemmen.
„Die weite Verbreitung und die hohe Therapietreue im Alltag lassen einen durchaus vorhandenen Effekt von Heilpflanzen vermuten“, bestätigt Christoph Pies.
Vorsorgekampagnen, Telemedizin und Früherkennung bei gesundheitlichen Tabuthemen
Das Gebiet der Männerheilkunde (Andrologie) ist noch jung, deswegen sind für Pies Kampagnen wie die „Movember-Bewegung“ oder die „Stiftung Männergesundheit“ wichtige Schritte, um die Belange der Männer ins Bewusstsein zu rücken.
„Männern Gesundheit von außen überzustülpen halte ich für schwierig“, sagt Christoph Pies und betont: „Der Arzt sollte nicht nur informierend, sondern motivierend zur Seite stehen. Gerade bei den Tabuthemen sehe ich riesiges Potential sich über telemedizinische Angebote mit einer geringen Hemmschwelle fachärztlichen Rat nach Hause zu holen.“
Neben gesunder Ernährung und Selbstbehandlung mit Arzneipflanzen sind Aufklärung, Vorsorge und Früherkennung bei Tabuthemen der Männergesundheit gefragt.
Unser Experte ist Dr. Christoph Pies. Er war bis Ende 2020 niedergelassener Urologe und arbeitet nun als Honorararzt, Telemediziner und Berater. Er möchte über Männergesundheit aufklären und unterhalten. Als Buchautor hat er bisher veröffentlicht: „Was passiert beim Urologen“, „Check-up Mann“ und jüngst „Fokus Prostata“. Zudem betreibt er den Podcast „Pinkelpause“. www.doc-pies.de.
Quellen:
Gutartige Prostatavergrößerung, in: prostata-hilfe-deutschland.de
Pinkelpause, in: pinkelpause.podigee.io