Systemische Therapie: Ansatz, Wirkung, Risiken

Die Systemische Therapie legt den Fokus im Unterschied zu anderen Therapieformen nicht allein auf den Patienten. Vielmehr wird bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen den sozialen Beziehungen eine große Bedeutung beigemessen. Anwendung findet die Systemische Therapie bei Erwachsenen, Kinder und Jugendlichen.

Zwei Personen in einer Therapiesitzung
Die systemische Therapie wird erst seit 2019 von der Krankenkasse bezahlt Foto: istock_NoSystem images

Es gibt eine Vielzahl von Therapieformen, mit denen psychische Krankheiten behandelt werden können. Ein Therapieverfahren sticht dabei heraus: Die Systemische Therapie. Denn sie legt offen, welchen Anteil das Beziehungsgefüge an einer psychischen Erkrankung hat. Auch wenn diese Therapieform oft auch als systemische Familientherapie bezeichnet wird, können auch Partnerschafts- und Arbeitsbeziehungen Gegenstand der Behandlung werden.          

Welchen Ansatz verfolgt die Systemische Therapie?

Anhänger der Systemischen Therapie sehen psychische Erkrankungen nicht als Ausdruck eines rein inneren Konflikts, sondern als passende Reaktion auf die soziale Umwelt: Psychische Störungen des Einzelnen weisen auf eine Störung im Beziehungsgeflecht hin, in dem der Einzelne eingebettet ist. Daher suchen systemische Therapeuten die Ursachen für die Entstehung und Aufrechterhaltung von psychischen Krankheiten in der Interaktion des Patienten mit Familienmitgliedern und Beziehungspartnern. 

Wann zeigt die Systemische Therapie Wirkung?

Seit 2008 wird in Deutschland die Systemische Therapie als wissenschaftliches Psychotherapieverfahren anerkannt – jedoch nur für Erwachsene. Krankenkassen sind seit Ende 2019 verpflichtet, die Therapieform in ihren Leistungskatalog aufzunehmen. Während Erwachsene die Kosten für die Behandlung erstattet bekommen, müssen Eltern für eine Systemische Therapie ihrer Kinder selbst aufkommen.

Bei folgenden psychischen Erkrankungen ist die Wirksamkeit der Systemischen Therapie wissenschaftlich bestätigt:

  • Affektive Störungen (Depressionen und bipolare Störungen)
  • Süchte und Abhängigkeiten
  • Essstörungen
  • Wahnhafte Störungen, wie Schizophrenie 
  • Angst- und Zwangsstörungen
  • Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen 

Eine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Systemischen Therapie ist, dass sich der Patient auf die Behandlung einlässt. Zwischen Patient und Therapeut sollte zudem ein Vertrauensverhältnis entstehen.

Wie läuft die Systemische Therapie ab?

Die Behandlung sollte bei einem Psychotherapeuten erfolgen, der eine entsprechende gesetzlich anerkannte und qualifizierte Ausbildung zum Systemtherapeuten absolviert hat.

Der Therapeut versucht, Beziehungsstrukturen und Verhaltensweisen in einem sozialen Netz zu analysieren. Dazu setzt er unter anderem zirkuläre Fragen ein, die den Zweck haben, eine andere Sichtweise einzunehmen und eigene Annahmen zu hinterfragen. Im Rahmen einer Paartherapie oder einer Eheberatung könnte der Therapeut einen der beiden Partner fragen, wie enge Freunde das Verhältnis bewerten würden.

Um die Rolle einzelner Familienmitglieder zu ergründen, greifen Therapeuten mitunter auch zum Genogramm, das einem Stammbaum ähnelt. Patienten ergänzen aber zusätzlich Linien, um Beziehungsnetzwerke sichtbar zu machen.

Ähnliche Ziele verfolgen Therapeuten mit der sogenannten Systemischen Aufstellung. Der Patient positioniert dabei Personen stellvertretend für Mitglieder seiner Familie im Raum. Durch die Aufstellung visualisiert er seine Wahrnehmung und Annahmen über die Beziehungsstrukturen in seiner Familie oder Partnerschaft und über seine Rolle darin.

Die Systemische Therapie kann als Einzel- oder Gruppentherapie stattfinden und dauert zwischen 24 bis 48 Sitzungen. Zwischen den einzelnen Sitzungen sollten größere Abstände liegen, damit der Patient neue Erkenntnisse in seinen Alltag integrieren und erproben kann.

Welche Risiken hat die Systemische Therapie?

Im Idealfall wirft die Systemische Therapie ein neues Licht auf Beziehungsmuster – und deshalb birgt sie auch Risiken. So können neu gewonnene Erkenntnisse, besonders über die eigene Rolle im jeweiligen sozialen Gefüge, belastend oder überfordernd für den Patienten sein.

Die Therapie kann außerdem Spannungen und Beziehungsabbrüche im sozialen Gefüge zur Folge haben. Aufgrund dessen muss der Therapeut den Patienten vor Beginn der Behandlung über mögliche negative Auswirkungen der Systemischen Therapie aufklären.

Depression: Wo finde ich Hilfe?

Wenn Sie sich ständig erschöpft und traurig fühlen oder unter Schlafproblemen leiden, kann dies auf eine Depression hindeuten. Spätestens nach zwei Wochen Niedergeschlagenheit ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen. Auf der Website der Deutschen Depressionshilfe finden Sie verschiedene Anlaufstellen. Dort sind auch Adressen für Notfälle gelistet. Bei konkreten Suizidgedanken ist es wichtig, die nächstgelegene Klinik mit psychiatrischer Notaufnahme aufzusuchen.

Bei akuten Sorgen oder Ängsten können Sie jederzeit anonym die Telefonseelsorge unter den Telefonnummern 0800/111 0 111 oder 116 123 anrufen.

Wenn Sie nicht selbst betroffen sind, aber depressive Symptome bei anderen bemerken, erhalten Sie auf der Website der Deutschen Depressionshilfe konkrete Handlungsempfehlungen. Besteht eine konkrete Suizidgefahr ist es wichtig, sofort den Rettungsdienst unter 112 oder die Polizei zu verständigen.

Quellen:

  • Von der Familentherapie zur Systemtherapie - Ein kurzer historischer Überblick, in: Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e. V.

  • Hansen H. (2019): A bis Z der Interventionen in der Paar- und Familientherapie: Ein Praxishandbuch (Leben lernen). Verlag Klett-Cotta, Stuttgart

  • Myers, D. G. (2014): Psychologie. Springer-Verlag, Berlin

  • Von Schlippe, A. (2016): Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I: Das Grundlagenwissen, Göttingen