Stillen oder Formula-Nahrung – Was braucht ein Baby in den ersten sechs Monaten?
Ist Stillen wirklich so viel besser für das Baby als Formula-Nahrung? Wo genau liegen die Vorteile? Und was sollten Eltern tun, wenn Stillen nicht möglich ist? Wichtige Fragen für die Entwicklung eines Neugeborenen, denn die ersten sechs Monaten sind entscheidend für das ganze spätere Leben.
Das sagt die Kinderärztin Nadine Hess:
Klappt es mit dem Stillen, ist dies die beste und einfachste Möglichkeit, Ihr Baby in den ersten Monaten mit allem zu versorgen, was es zum wachsen braucht. Muttermilch hat immer die richtige Temperatur, ist keimfrei, meistens verfügbar und enthält neben einem perfekten Nährstoffmix auch noch mütterliche Antikörper, die das Kind vor Infektionen schützen können.
Laut Studien leiden gestillte Kinder zudem später seltener an Allergien und Übergewicht. Einigen Untersuchungen zufolge haben gestillte Kinder bis zum Schulalter sogar einen höheren Intelligenzquotienten als ungestillte (Belford MB et al, JAMA Pediatr. 2013 Sep; 167(9)836-44; Infant feeding and childhood cognition at ages 3 and 7 years: Effects of breastfeeding duration and exclusivity).
Aber es gibt auch Gründe, die Stillen nicht oder nur teilweise ermöglichen. Trotzdem berichten mir Mütter immer wieder, dass sie von ihrer Umgebung, teilweise sogar von ihren Hebammen, massiv unter Druck gesetzt werden, wenn sie sich – aus verschiedenen Gründen – gegen das Stillen entscheiden. Die wenigsten Frauen werden sich diesen Entschluss leicht gemacht haben. Es gibt keinen Grund, Müttern die nicht stillen wollen oder können, ein schlechtes Gewissen einzureden. Und selbstverständlich werden die Kinder – bei allen Vorteilen des Stillens – auch mit einer Formula-Nahrung gesund groß.
Dabei gibt es viele Auswahlmöglichkeiten: Die verschiedenen Produkte sind alle streng überwacht, kontrolliert und orientieren sich an der Zusammensetzung der Muttermilch. Eingeteilt werden die Formula-Nahrungen in Anfangsmilch („Prenahrung“) und Folgemilch. Grundsätzlich ist die Anfangsmilch für das gesamte erste Lebensjahr als Milchnahrung verwendbar. Der Nährstoffgehalt deckt die Bedürfnisse vollständig, sofern ab dem 5.-7. Lebensmonat mit Beikostfütterung begonnen wird. Dies gilt selbstverständlich auch für Folgemilchen.
Der Unterschied zwischen Prenahrung und Folgemilch besteht im höheren Kohlenhydratanteil der Folgemilch – sie enthält mehr Stärke. Diese hat zwar zur Folge, dass zunächst eine stärkere Sättigung eintritt, aber da es sich bei Stärke um rasch abbaubare Kohlenhydrate handelt, sinkt der Blutzuckerspiegel schnell wieder und das Sättigungsgefühl ist nur von kurzer Dauer. Darüber hinaus sind einige Folgemilchen durch Zusatz von Vanillin oder Maltodextrin (ein Zuckerstoff) süßer und angenehmer im Geschmack, was eine Prägung bis ins Erwachsenenalter nach sich ziehen kann. Folgemilchen mit Zusätzen sollten darum eher gemieden werden.
Sollten Eltern an Allergien leiden (wie allergisches Asthma, Neurodermitis), empfehle für die Kinder sogenannte HA-Nahrungen (hypoallergen). Bislang konnte jedoch nur ein gesunkenes Neurodermitis-Risiko nachgewiesen werden, ein Schutz vor Asthma oder einem allergischen Schnupfen besteht wohl nicht (von Berg A.; World Rev Nutr Diet. 2013;108:71-8; Dietary interventions für primary allergy prevention – what is the evidence?). Aber Vorsicht: Wird nur ein einziges Mal eine andere Milch als Muttermilch oder HA-Nahrung verwendet, ist der Effekt der möglichen Allergie-Vermeidung nicht mehr vorhanden. Werdende Eltern sollten sich also frühzeitig überlegen, ob Sie eine HA-Nahrung verwenden möchten oder nicht.
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