Stilldemenz: Warum frisch gebackene Mütter vergesslich werden

Starke Vergesslichkeit nach der Geburt, vor allem bei stillenden Müttern, ist ein häufiges Phänomen. Was genau bedeutet eine Stilldemenz eigentlich?

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Das Gedächtnis leidet bei Frauen nicht nur während der Schwangerschaft. Auch nach der Geburt haben viele frisch gebackene Mütter das Gefühl, ständig irgendetwas zu vergessen. Vor allem Frauen, die ihr Kind stillen, fällt es oft schwer, sich zu konzentrieren. In diesem Falle spricht man von der sogenannten Stilldemenz. Die Ursachen und auch Symptome sind dabei vielfältig.

Gibt es die Stilldemenz wirklich?

Ja, die Stilldemenz gibt es wirklich. Es ist sogar wissenschaftlich erwiesen, dass schwangere Frauen und werdende Mütter an Vergesslichkeit leiden. Dabei unterscheidet sich die Stilldemenz jedoch von einer herkömmlichen Demenzkrankheit, wie sie häufig im Alter auftritt. 

Während bei einer Demenz Nervenzellen im Gehirn absterben, die das kognitive Verhalten und somit auch die Gedächtnisleistung beeinflussen, entsteht eine Stilldemenz hauptsächlich aufgrund von hormonellen Veränderungen, beginnend während der Schwangerschaft und nach der Geburt. Ein kognitiver Leistungsabfall ist hier anders als bei einer "normalen Demenzerkrankung" nicht im Gehirn nachweisbar.

Gedächtnislücken nach der Schwangerschaft: Ursache von Stilldemenz

Während der Schwangerschaft verändert sich der Hormonhaushalt der Frau. Es wird vermehrt das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet. Gründe dafür sind unter anderem starker Schlafmangel, Ängste und weitere Schwangerschaftsbeschwerden. Ist das Baby geboren und übernimmt die stillende Mutter die Versorgung des Neugeborenen, steigt der Cortisolspiegel unter Umständen noch einmal an. Denn an ausreichend Schlaf ist dann meist nicht mehr zu denken – unter anderem dieser Schlafmangel führt zu Stress. Nicht ohne Grund bekommen viele junge Eltern immer wieder zu hören: "Schlafen kann man in der ersten Zeit nach der Geburt sowieso nicht!" Die Folge: Massiver Stress, der das Gehirn in Mitleidenschaft ziehen kann.

Ein hoher Cortisolspiegel sorgt also für Vergesslichkeit. Aber auch noch zwei weitere Hormone haben bei einer Stilldemenz einen starken Anteil daran, zunehmend die Konzentration zu verlieren. Nach der Geburt schüttet das Gehirn der Mutter vermehrt die Hormone Oxytocin und Prolaktin aus. Oxytocin, auch Bindungshormon genannt, sorgt gleich zu Beginn für eine enge Mutter-Kind-Beziehung. Dieser Vorgang wird auch "Bonding" genannt. Das Hormon Prolaktin regt die Milchbildung an, sodass die Mutter das Kind auch ausreichend stillen kann. Dies sorgt dafür, dass andere, vermeintlich unwichtige Dinge während der Stillzeit ausgeblendet werden. So können sich die stillenden Mamas ganz auf die Versorgung des Babys konzentrieren. Was hier also vordergründig als Schwangerschaftsdemenz abgetan wird, ist im Grunde genommen auch eine Verschiebung des Fokus. Das Baby und die Versorgung stehen im Mittelpunkt.

Es ist daher ein ganz natürlicher und wichtiger Vorgang, dass sich stillende Mütter auf die Nahrungsversorgung des Kindes konzentrieren. Dass man dabei jedoch andere Dinge schlichtweg vergisst, ist zwar ärgerlich, aber zum Glück kein Dauerzustand.

Stilldemenz-Dauer: Wie lange hält starke Vergesslichkeit nach der Geburt an?

In der Regel folgt nach einer möglichen Schwangerschaftsdemenz die Stilldemenz. Nach circa einem Jahr reguliert sich der Hormonhaushalt der Mutter wieder, sodass sich die Vergesslichkeit dann wieder im normalen Rahmen bewegen sollte.

Stilldemenz: Welche Symptome treten auf?

Nicht jede stillende Mutter hat auch eine Stilldemenz. Und wie stark diese ausgeprägt ist, ist von Fall zu Fall unterschiedlich und hängt auch mit der Aufgabenverteilung, dem Organisationstalent und schlichtweg mit der Wahrnehmung zusammen. Häufige Symptome, die bei einer Stilldemenz auftreten sind:

  • starke Vergesslichkeit

  • Wortfindungsstörung

  • Kommunikationsprobleme

  • starke Müdigkeit und Gereiztheit

Vorsicht bei Traurigkeit und Abgeschlagenheit

Der erste Monat und die darauffolgenden Wochen mit Baby sind für Mutter und Vater immer anstrengend. Dennoch gilt es darauf zu achten, dass Überforderung und Erschöpfung nicht überhandnehmen. Treten bei Frauen nach der Geburt neben der Vergesslichkeit Symptome wie starke Traurigkeit, das Gefühl von innerer Leere, Schuldgefühle, Ängste und Panikattacken sowie Hoffnungslosigkeit auf, könnte es sich um eine postnatale Depression, auch Wochenbett-Depression genannt, handeln. Rund zehn bis 15 Prozent entwickeln nach der Schwangerschaft eine Depression in den ersten Wochen nach der Geburt. Was dann helfen kann, lesen Sie hier:

Positive Erfahrungen: Warum eine Stilldemenz auch Vorteile hat

Schon wieder den Schlüssel irgendwo liegen gelassen, die wichtige Rechnung verlegt oder einen wichtigen Termin vergessen: Natürlich ist eine Stilldemenz für die Bewältigung des Alltags und insbesondere für das Familienumfeld eine kleine Herausforderung. Viel wichtiger ist jedoch, dass eine Stilldemenz auch positive Effekte haben kann. So verblassen mitunter unangenehme Erinnerungen an die Geburt und die damit verbundenen Schmerzen. Die Gefahr eines Geburtstraumas verringert sich. Und eines der wichtigsten Dinge im Leben der Mutter tritt in den Vordergrund: das Kind. Die Versorgung des Neugeborenen durch das Stillen hat oberste Priorität.

6 Erste-Hilfe-Tipps während der Stillzeit: Das beugt Gedächtnisproblemen vor

Die erste Zeit zu Beginn des Stillens im Wochenbett ist zwar eine große Herausforderung, aber auch eine intensive Zeit, die Mütter ganz schön fordern kann. Damit im Kopf vor lauter Überforderung, Schlafmangel und Stress nicht das Chaos ausbricht, gibt es ein paar Tipps und Tricks, die den Alltag erleichtern und dabei helfen, dass die drohende Stilldemenz nicht zu einer unüberwindbaren Hürde wird.

  1. Ausreichend Schlaf: Schlaf ist die beste Medizin, um den Stresspegel zu regulieren. Leichter gesagt als getan, mögen sich vielleicht viele frischgebackene Mamas denken, denn das Baby muss ja ausreichend gestillt werden. Und einfach schlafen, wann immer einem danach ist oder gar an Durchschlafen ist hier gar nicht zu denken. Passen Sie ihren Schlafrhythmus dem des Babys an. Das heißt: Schläft das Baby, legen Sie sich ebenfalls hin und verschwenden Sie ihre Zeit nicht mit Hausarbeiten oder ähnliches. Denn: Mit mehr Energie und ausreichend Schlaf wird auch das Gedächtnis nicht so stark beeinträchtigt.

  2. Genügend essen und trinken: Auch wenn das Baby während der ersten Zeit des Stillens im Vordergrund steht, sollten die Bedürfnisse der Mutter nicht vergessen werden. Essen Sie ausgewogen und ausreichend. Nährstoffe wie Vitamin C und Vitamin B12 fördern das Gedächtnis. Auch sollte unbedingt dafür gesorgt werden, dass die Mutter ausreichend Wasser zu sich nimmt. Empfohlen werden mindestens zwei Liter Wasser pro Tag. 

  3. Tagesablauf umstrukturieren: Auch wenn man als stillende Mutter etwas vergesslich ist, muss man die Last ja nicht alleine tragen. Strukturieren Sie ihren Tagesablauf so, dass einige Aufgaben vom Partner oder der Partnerin übernommen werden und wechseln Sie sich je nach Kapazität ab. Falls nötig, organisieren Sie sich eine Haushaltshilfe, die alltägliche Dinge mit erledigen kann.

  4. Notiz-Zettel oder To-do-App: "Kannst du mal bitte..." ist mal eben schnell daher gesagt und oft im nächsten Moment auch schon wieder vergessen. Schreiben Sie Notiz-Zettel oder To-do-Listen, damit in der Hektik nichts untergeht. Auch Organisations-Apps, die sogar eine Teil-Funktion mit anderen Usern haben, können helfen, sodass die wichtigen Aufgaben nicht der Stilldemenz zum Opfer fallen.

  5. Bewegung und frische Luft: Ein wenig frische Luft hat noch niemanden geschadet und unterstützt dabei, klarer denken zu können. Zudem hilft Bewegung beim Stressabbau. Wann immer es möglich ist, planen Sie daher eine kleine Draußen-Auszeit ein für sich allein oder nehmen Sie das Kind doch einfach mit – falls das Wochenbett überstanden ist und ein kleiner Spaziergang wieder erlaubt ist.

  6. Akzeptieren und nicht versteifen: Auch wenn die grauen Zellen während der Stillzeit ein wenig nachgelassen haben, hilft es nicht, sich krampfhaft an den Anforderungen festzuhalten, die Sie vielleicht an sich selbst hegen. Akzeptieren Sie einfach, dass Sie nicht an alles denken können und lenken Sie sich ein wenig ab. Ein gutes Gespräch unter Freunden auch mal abseits des Mama-Alltags kann helfen, sich zu entspannen und so Vergesslichkeit vorzubeugen.

Die Ursachen für eine Stilldemenz und der Grund, warum frisch gebackene Mütter so vieles vergessen, ist ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Verglichen mit den Geburtsstrapazen ist eine übermäßige Vergesslichkeit im Zuge einer Stilldemenz jedoch für die meisten Mütter eine kleine Begleiterscheinung, die man gerne in Kauf nimmt.

Quellen:

In der Schwangerschaft und nach der Geburt, in: deutsche-depressionshilfe.de (Stiftung Deutsche Depressionshilfe)

Cameron, E. E. et al.: Prevalence of paternal depression in pregnancy and the postpartum: an updated meta-analysis. J Affect Disord 2016; 206: 189–203

Bass III, P. F., & Bauer, N. (2018). Parental postpartum depression: More than “baby blues”. Contemporary PEDS Journal35(9).

Pietschnig, B. (2011). Stillberatung in der Praxis-Teil 2. Journal für Ernährungsmedizin13(1), 6-10.