Sprechtraining: Das Geheimnis unserer Stimme

Wissenschaftler sind sich einig: Erst wenn wir sprechen, zeigen wir, wer wir sind. Was die Stimme alles über uns verrät und wie wir sie durch Sprechtraining und andere Tipps gesund halten, erklärt Phonochirurg Professor Dr. Markus Hess.

Frau hält Vortrag vor drei Männern
Sprechtraining: Die Stimme lässt sich durch spezielle Übungen stärken Foto: iStock/PeopleImages
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Sie ist unsichtbar, nichts als Atem, nichts als warme Luft - und doch ist die Stimme bei jedem Menschen so einzigartig wie der Fingerabdruck. "Es gibt keine zwei Menschen auf der Welt, die gleich klingen", erklärt Prof. Dr. Markus Hess. Er ist Phoniater, ein Facharzt für die Stimme, und hat in Hamburg die erste Stimmklinik Deutschlands gegründet. "Stimme ist nicht nur die Funktion eines kleinen Organs, sondern vor allem ein wesentlicher Persönlichkeitsausdruck", erklärt er.

Doch während die meisten Menschen viel Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild legen, kümmert sich kaum jemand bewusst um die Ästhetik seiner Stimme. "Erst, wenn sie einmal nicht funktioniert, merken wir, wie wichtig sie für uns ist", sagt Prof. Hess. "Durch einen Stimmverlust fühlen sich Betroffene oft sogar nicht mehr wie sie selbst." Kein Wunder, schließlich entsteht unsere Identität erst durch unsere Stimme.

In diesem Video: Wie kann ich meine Stimme stärken?

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Prof. Markus Hess, HNO-Arzt und Phoniater, zeigt Übungen, um die Stimme zu stärken

So bedeutete das Wort "Person", das aus dem Lateinischen stammt, ursprünglich "Stimme". Die Persönlichkeit wurde früher also nicht über das Aussehen eines Menschen, sondern über seine stimmlichen Äußerungen definiert. Und: Stimme ist etwas essenziell Menschliches. Kein anderes Lebewesen vermag es, so viele verschiedene Töne - bis zu 325! - hervorzubringen.

Der Klang der Stimme ist entscheidend

Studien belegen: Beim Sprechen macht der eigentliche Wortinhalt nur sieben Prozent aus. 55 Prozent der durch Sprache übermittelten Botschaften werden über äußere Erscheinung, Gestik und Mimik eines Menschen übertragen. Und rund 38 Prozent des Gesagten sind allein in der Stimme verschlüsselt.

Das heißt: Beim Zuhören hält sich das menschliche Gehirn nur für Millisekunden mit den Worten selbst auf. Die Verarbeitung der Tonmelodie dagegen ist weitaus komplexer. Sobald die menschliche Kehle den ersten Laut produziert, kommt das einer mehr oder minder freiwilligen Offenbarung einer Vielzahl von Informationen gleich. Jeder kennt das: "Du klingst nicht gut", schallt das entlarvende Urteil oft schon aus dem Telefonhörer, bevor wir den ersten Satz zu Ende gesprochen haben.

Die Stimme sagt viel über uns aus

Die Hamburger Stimmklinik

Während Stimmkliniken in den USA und England schon lange zum normalen Gesundheits-Angebot gehören, praktizieren in Deutschland lediglich etwa 150 Phoniater. Um das Bewusstsein für das Organ Stimme zu verbessern, hat Prof. Dr. Markus Hess auf dem Gelände des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf die erste deutsche Stimmklinik eröffnet. Gemeinsam mit Fachärzten, Logopäden und Stimmtherapeuten behandelt er Erkrankungen der Stimme, aber auch klassisches Stimmtraining gehört zum Praxis-Alltag.

Ob wir es nun wollen oder nicht: Wir sagen immer mehr als die Worte, die wir gebrauchen. Forscher fanden heraus, dass Menschen weltweit anhand der Stimme nicht nur Alter oder Stimmung einer Person, sondern sogar deren Körpergröße oder physische Statur zuverlässig einschätzen können.

Doch wie entsteht das Wunder Stimme überhaupt? Nun, wir verdanken sie zwei Schleimhäuten, die nur etwa einen Zentimeter groß sind - den Stimmlippen (umgangssprachlich auch Stimmbänder genannt). Sie liegen wie ein Verschluss in der Luftröhre und zerhacken die Luft beim Ausatmen durch Öffnen und Schließen - so entsteht ein Ton. "Der individuelle Klang entsteht dann durch die Form der Stimmlippen, ihren Abstand zum Mund, den Resonanzkörper darüber - also Rachen, Mund und Nase - sowie die Artikulation durch Zunge und Lippen," erklärt Markus Hess.

Die Stimme braucht Pflege

Etwa einen Millimeter schwingt jedes der beiden Stimmbänder für einen Ton hin und her. Im Schnitt legen sie so täglich vier bis sechs Kilometer zurück - bei Vielsprechern kann es sogar doppelt so viel sein.

Angesichts dieser Hochleistung verwundert es nicht, dass es auch für das Organ Stimme gewisse Regeln gibt, die man für seine Gesundheit und Langlebigkeit einhalten muss. Denn genau wie Herz, Lunge, Leber und Co. durch eine falsche Lebensweise geschädigt werden können, leidet auch die Stimme unter falscher Belastung. "Als Laie merkt man erst dann, dass man die Stimme falsch belastet hat, wenn eine Veränderung eintritt, die wir grob Heiserkeit nennen", erklärt Prof. Hess. "Der Ton ändert sich, die Stimme bricht manchmal weg, man hat häufig einen Räusperzwang."

Sprechtraining – die Stimme schulen mit diesen Übungen

Sprechübung 1: Bauchatmung

Ob Sie in den Bauch atmen, erkennen Sie daran, dass die Bauchdecke sich beim Einatmen hebt und bei Ausatmen senkt. Dabei sinkt das Zwerchfell nach unten, es entsteht ein Sog im Brustraum und die Luft kann optimal in die Lunge strömen – die Atmung funktioniert mühelos. Ein positiver Nebeneffekt: Die Stimme klingt entspannt – das macht es angenehm, Ihnen zuzuhören. Um nicht wieder in die Brustatmung zu verfallen, legen Sie eine Hand auf Ihre Bauchdecke. Hebt und senkt diese sich nicht, atmen Sie bewusst in den Bauch ein.

Sprechübung 2: Kehlkopf entspannen

Den Kehlkopf brauchen Sie nicht nur zum Schlucken – er ist auch maßgeblich an der Stimmgebung beteiligt. Um ihn zu „pflegen“, führen Sie diese Übungen durch:

  • Öffnen Sie den Mund und lassen den Unterkiefer locker herunterhängen. Massieren Sie gleichzeitig mit einer Hand vorsichtig die Halsmuskulatur rechts und links des Kehlkopfs
  • Gurgeln Sie mit lauwarmem Tee
  • Lassen Sie den Kopf locker mit dem Kinn in Richtung Brust hängen und atmen Sie tief und ruhig ein und aus.

Sprechübung 3: Eine wohlklingende kräftige Stimme fördern Sie auch mit dieser Übung

Ziehen Sie die Schultern hoch, wenn Sie einatmen und halten kurz inne. Mit dem Ausatmen lassen Sie die Schultern lockern fallen. Wiederholen Sie die Übung im Stehen dreimal.

Wann wird Räuspern zum Zwang?

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Prof. Markus Hess, HNO-Arzt und Phoniater, erklärt den Räusperzwang

Die besten Tipps zum Stimme schonen

Der richtige Stimm-Modus

"Generell ist es wichtig, die Stimme in einem Modus zu benutzen, für den sie gedacht ist, den wir als angenehm empfinden. Das heißt, alles was mit Kreischen und Schreien zu tun hat, belastet und schädigt die Stimme."

Ausreichend Trinken

"Damit der Kehlkopf nicht austrocknet, ist es sehr wichtig, viel zu trinken - mindestens 1,5 Liter am Tag. Aber Vorsicht: Kaffee und Kamillentee trocknen aus. Besser sind koffeinfreie Getränke ohne Kohlensäure und Salbeitee."

Durch die Nase atmen

"Nasenatmung hat drei wichtige Effekte: Beim Einatmen wird die Luft auf beinahe Körpertemperatur erwärmt, die Luftfeuchtigkeit steigt auf über 90 Prozent und Schmutzpartikel werden fast vollständig herausgefiltert - optimale Bedingungen für unsere Stimmlippen. Aber: Es gibt Patienten, die nachts unbewusst auf Mundatmung umstellen - der Atemtrakt trocknet aus. Das merkt man daran, dass morgens der Mund ganz trocken ist. Die genaue Ursache kann der HNO-Arzt herausfinden."

Nicht Räuspern oder Husten

"Räuspern ist der kleine Bruder des Hustens - und beides sollte man tunlichst vermeiden! Zwar sind es Schutzmechanismen, aber beides strengt den Kehlkopf stark an. Besser: Einfach einen Schluck Wasser trinken."

Keine scharf gewürzten Speisen

"Alles, was Magensäure hochsteigen lässt, also z.B. Alkohol, Zigaretten, zu scharfes oder saures Essen und Kaffee, greift den Kehlkopf an. Kleinste Säurepartikelchen gelangen in den Kehlkopf und reizen ihn. Der automatische Abwehrmechanismus: ständiges Räuspern oder Husten."

Summübungen

"Die meisten kennen das Gefühl vom ,Kloß im Hals'. Dabei steckt allerdings nicht, wie oft vermutet, etwas im Hals fest. Das Gefühl ist das erste Anzeichen einer Überlastung der Kehlkopf- und Halsmuskeln. Dann hilft nur eines: einfach mal schweigen. Lockeres Flüstern schadet der Stimme aber nicht. Was der Stimme generell immer guttut, sind Summübungen, vor allem morgens zum ,Aufwärmen'. Dazu entweder in der Lautstärke an- und abschwellen oder mit einem tiefen Ton anfangen und immer höher werden."

Nach drei Wochen zum Arzt

"Halten Heiserkeit oder auch Schluckbeschwerden länger als drei Wochen an, sollte ein HNO-Arzt aufgesucht werden. Ebenso, wenn Schmerzen im Kehlkopfbereich auftreten, man schlecht Luft bekommt oder sich häufig verschluckt."

Im Video: Heiserkeit kann viele Ursachen haben

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Prof. Markus Hess, HNO-Arzt und Phoniater, erklärt die Ursachen von Heiserkeit