So wird Gluten wieder verträglich – für jeden

Wiener Forscher haben ein Mittel entwickelt, das Gluten im Körper von Zöliakie-Patienten unschädlich macht – und es könnte schon in wenigen Jahren in den Apotheken liegen. 

Wiener Forscher haben ein Mittel gegen Zöliakie entwickelt, das schon 2021 in Apotheken erhältlich sein soll
Wiener Forscher haben ein Mittel gegen Zöliakie entwickelt, das schon 2021 in Apotheken erhältlich sein soll Foto: Malkovstock/iStock

Brot, Burger oder Pasta sind für Patienten mit Zöliakie absolut tabu – denn schon kleinste Mengen des in den meisten Getreidesorten enthaltenen Klebereiweiß Gluten können bei ihnen heftige Reaktionen wie Bauchkrämpfe, Durchfall und Erbrechen auslösen.

Das liegt an einer Fehlfunktion der Körperabwehr: Sobald die Betroffenen Gluten zu sich nehmen, greift das Immunsystem die Zellen des Dünndarms an. Mediziner forschen seit langem an Medikamenten gegen das Leiden. Die Entwicklung eines solchen Mittels ist allerdings mit vielen Schwierigkeiten verbunden – denn es müsste in das Immunsystem eingreifen und wäre damit mit starken Nebenwirkungen verbunden.

Neues Mittel fängt Gluten ein und macht es unschädlich

Wissenschaftler der Technischen Universität Wien schlugen darum einen anderen Weg ein bei ihrem Versuch, Menschen mit Zöliakie den Verzehr von Getreideprodukten ohne schmerzhafte Folgen zu ermöglichen: Sie entwickelten ein Mittel, das die Glutenmoleküle direkt angreift und sie unschädlich macht – und das, bevor die körpereigene Abwehr sie „erkennt“ und mit den schmerzhaften Attacken auf den Dünndarm beginnt.

„Unser Körper produziert Antikörper, die genau zu eindringenden Antigenen passen, wie ein Schlüssel zum Schloss – durch diese Immunreaktion werden diese Antigene unschädlich gemacht“, erklärt Prof. Oliver Spadiut, Leiter der Forschungsgruppe Integrierte Bioprozessentwicklung an der TU Wien. „Wenn man nun ein neuartiges Antikörper-Fragment findet und herstellt, das an das eindringende Gluten-Molekül andockt und es blockiert, ohne aber das Immunsystem anzuregen, dann kann man die Symptome der Zöliakie unterdrücken.“

Das Ziel des Forschungsprojekts war daher, einen Komplex aus zwei solchen Antikörper-Fragmenten herzustellen, die das Gluten-Molekül „umklammern“, sodass es keine weiteren Auswirkungen im Darm mehr haben kann.

Bereits 2021 in den Apotheken

Im Labor gelang es den Wissenschaftlern, bestimmte Bakterien so umzuprogrammieren, dass sie genau das gewünschte Antikörper-Fragment produzieren. „Es wird sich um ein Präparat handeln, das Zöliakie-Patienten zusammen mit glutenhaltigen Lebensmitteln einnehmen können, um die Zöliakie-Symptome zu lindern“, erklärt Oliver Spadiut. „Ob die Symptome dadurch ganz zum Verschwinden gebracht werden oder nur abgeschwächt werden, muss sich erst zeigen – das ist wohl auch von Person zu Person unterschiedlich. Wir rechnen jedenfalls fest damit, dass das Produkt bereits im Jahr 2021 in gewöhnlichen Apotheken zu haben sein wird.“

Menschen mit einer Glutenunverträglichkeit, der keine Zöliakie zugrunde liegt, ist damit freilich nicht geholfen. Doch in einer 2017 veröffentlichten Studie konnten Forscher zeigen, dass hinter vielen vermeintlichen Glutensensitivitäten in Wirklichkeit eine Unverträglichkeit sogenannter Fruktane steckt – diese Stoffe kommen in Weizen, aber auch in einigen Gemüsesorten vor.

Quelle:
Eggenreich, Britta, et al. (2018): The production of a recombinant tandem single chain fragment variable capable of binding prolamins triggering celiac disease, in: BMC biotechnology.