So spiegelt sich Einsamkeit im Gehirn
Alleine zu sein und sich einsam zu fühlen, kann nicht nur belastend sein. Einsamkeit verändert auch das Gehirn. Zu diesem Ergebnis kommt eine kanadische Studie, die Hirnscans von rund 40.000 Erwachsenen ausgewertet hat.

Gerade in Zeiten von Corona ist Einsamkeit ein Gefühl, das viele im Alltag begleitet. Aber bereits vor Beginn der Pandemie sahen Psychologen Einsamkeit als großes Problem unserer Zeit. Häufiges Alleinsein und fehlende soziale Kontakte können emotionalen Stress verursachen – und der wiederum schadet der Gesundheit.
Wenn man sich dauerhaft einsam fühlt, kann noch etwas passieren: Unser Gehirn verändert sich. Das zeigen kanadische Forscher, die auf neuronale Auffälligkeiten einsamer Menschen gestoßen sind.
Kanadische Studie untersucht neuronale Effekte von Einsamkeit
Ein Forschungsteam der McGill University in Montral sichtete eine Datenbank, die zwei wichtige Informationen preisgab: Die neuronalen Auffälligkeiten und eine psychologische Selbstauskunft von rund 40.000 Erwachsenen zwischen 40 und 69 Jahren. Bei der Selbsteinschätzung war vor allem die Frage „Fühlen Sie sich oft einsam?“ für die Forscher von Interesse. Hirnscans von Personen, die die Frage mit Ja beantwortet haben, wurden mit den Merkmalen des Gehirns derer verglichen, die sich nicht als einsam beschrieben. Die Forscher nahmen dafür ein spezielles Computersystem zur Hilfe, das besondere Merkmale der Hirnscans identifizierte.
Ausgeprägte Vorstellungskraft bei einsamen Menschen
Im Zuge der Analyse traten tatsächlich Unterschiede zwischen den Hirnscans einsamer und nicht-einsamer Menschen zutage. Betroffen waren gleich mehrere Hirnareale, die das sogenannte Ruhezustandsnetzwerk beschreiben. Dieses ermöglicht unter anderem die Vorstellungskraft, die Zukunftsplanung, Erinnerungen und Gedanken an andere.
Die Wissenschaftler stellen eine Hypothese zu ihren Ergebnissen auf. So würden einsame Menschen stärker an positive vergangene Erlebnisse denken und sich hoffnungsvolle Vorstellungen über die Zukunft machen. Die Vorstellungkraft diene somit als Bewältigungsmechanismus und Kompensationsstrategie für die fehlende soziale Interaktion und die damit verbundenen positiven Gefühle. Wie Einsamkeit und neuronale Auffälligkeiten genau zusammenhängen, müsse allerdings durch weitere Untersuchungen erforscht werden, erklären die Forscher.
Erforschung von Einsamkeit wichtig für Prävention von Krankheiten
Forschungen darüber, welche Prozesse im Gehirn durch Einsamkeitsgefühle hervorgerufen werden, können letztendlich einen entscheidenden Beitrag zur Prävention und Behandlung bestimmter Erkrankungen leisten. Denn Einsamkeit – das haben zahlreiche Studien in der Vergangenheit gezeigt – wirkt sich vor allem auf die mentale Gesundheit aus. Wahrgenommene soziale Isolation kann die kognitive Leistungsfähigkeit mindern, und das Risiko von Alzheimer und anderen neurodegenerativen Erkrankungen erhöhen.
Die Autoren der Studie sind sich sicher, dass „die Erweiterung unseres Wissens in diesem Bereich uns auch dabei helfen könnte, die Dringlichkeit der Verringerung der Einsamkeit in der heutigen Gesellschaft zu verdeutlichen“.
Quelle:
The default network of the human brain is associated with perceived social isolation, in: nature.com