So gefährlich sind Narkosen
Rund zehn Millionen OPs werden in Deutschland jährlich mit vollständiger Betäubung durchgeführt. Immer wieder kommt es zu Komplikationen – eine der häufigsten ist das Delirium. Lesen Sie hier, wie Sie Ihr Narkoserisiko senken.
Knie-OP, Zahnbehandlung oder Polypen-Entfernung – dank modernster Betäubungsmittel können all diese Eingriffe heute durchgeführt werden, ohne dass der Patient etwas davon mitbekommt. Doch so bequem die Möglichkeit des „Tiefschlafs“ während des Eingriffs auch ist: Vollnarkosen bergen immer auch Risiken.
Herzinfarkt, Allergien & Co
Medizin-Experten raten: Unterziehen Sie sich einer Vollnarkose möglichst nur, wenn es unbedingt sein muss, das heißt, wenn sich der Eingriff nicht ohne künstlichen Tiefschlaf durchführen lässt. Wenn es nicht anders geht, senken Sie mit diesen Tipps Ihr Risiko von Komplikationen.
- Ehrlichkeit: Beantworten Sie beim Narkose-Vorgespräch alle Fragen – auch die unangenehmen – Ihres Arztes wahrheitsgemäß!
- Chronische Krankheiten: Erwähnen Sie dem Arzt gegenüber auch chronische Erkrankungen, die Ihnen selbst unwichtig erscheinen.
- Zeitplan beachten: Halten Sie sich unbedingt an den zeitlichen Rahmen, in dem Sie nichts essen und trinken dürfen.
- Medikamente: Teilen Sie dem Arzt mit, ob und welche Medizin Sie einnehmen. Denn bestimmte Präparate müssen schon einige Zeit vor dem Eingriff abgesetzt werden (z. B. Blutverdünner).
- Nicht schminken: Auf Make-up oder Gesichtscreme sollten Sie am OP-Tag verzichten. Der Grund: Eventuelle Pflasterfixierungen halten dann nicht gut – lebenswichtige Narkose-Utensilien könnten sich unbemerkt lösen.
Die häufigsten Komplikationen, die während einer Narkose auftreten können, sind Störungen des Herz-Kreislauf-Systems wie zum Beispiel Blutdruck- und Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzinfarkt, Beatmungsprobleme, Zurückfließen von Mageninhalt über die Speiseröhre in die Lunge oder allergische Reaktionen auf das Narkosemittel. Durch intensive Überwachung während eines Eingriffs können die Ärzte aber bei all diesen Komplikationen schnell eingreifen. Doch es gibt auch Gefahren, die oft nicht erkannt werden.
Delir: Besonderes Risiko für Ältere
Untersuchungen zeigen: Jeder zweite Patient über 60 ist nach einer OP vorübergehend verwirrt, leidet unter Merkstörungen und Desorientierung. Dieser Zustand kann Monate oder sogar dauerhaft anhalten. Delir heißt der Fachausdruck für dieses Phänomen, das auf einen Ausnahmezustand im Gehirn zurückzuführen ist. „Man kann es sich vorstellen, wie aus einem Albtraum aufzuwachen und nicht zu wissen, wo man ist und was geschieht – nur schlimmer“, sagt Claudia Spies von der Klinik für Anästhesiologie der Berliner Charité.
Wie kommt es zum Delir?
Die vorübergehende Störung des Bewusstseins und der Orientierung kann verschiedene Ursachen haben, zum Beispiel Flüssigkeitsmangel, Medikamentenunverträglichkeit, Entzündungen, Tumore, Blutungen oder Unterzuckerung. All diese Faktoren können zu einer Beeinträchtigung des Gehirnstoffwechsels führen. Eine wesentliche Rolle spielt auch das Alter: Ein älteres Gehirn braucht offenbar länger, um sich von der Narkose zu erholen. Besonders gefährdet sind über 70-Jährige, die schwerkrank sind. Das Problem: Ein Delir wird nicht immer gleich als solches erkannt. Und das ist gefährlich, denn die richtige Therapie ist wichtig, um schweren Folgeerkrankungen wie einer Demenz vorzubeugen.
Die richtige Therapie bei einem Delir
In den USA wurde das „help-Programm“ entwickelt, das bereits in einigen deutschen Kliniken zum Einsatz kommt: Speziell geschulte Pfleger übernehmen die Betreuung nach der OP. Zusätzlich kümmert sich ein Team von Neurologen und Fachärzten für Geronto-Psychiatrie um ältere Patienten. Um der Verwirrtheit entgegenzuwirken, muss zuerst die Ursache behandelt werden. Die Experten ergreifen Maßnahmen, damit der Betroffene entspannen kann und wieder den richtigen Tag-Nacht-Rhythmus bekommt; auf medikamentöse Ruhigstellung wird in der Regel verzichtet.