Sind Vegetarier häufiger depressiv als Nicht-Vegetarier?
Studien stellen immer wieder Zusammenhänge zwischen einer vegetarischen Ernährung und psychischen Erkrankungen her. Eine tatsächliche Interpretation aber bleibt schwierig.
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Die Studie "Vegetarian diet and mental disorders: results from a representative community survey" des deutschen Wissenschaftlers Johannes Michalak ergab, dass Personen, die sich vegetarisch ernähren, häufiger an einer psychischen Erkrankung leiden als Fleischesser.
Daraus lässt sich allerdings nicht automatisch schließen, dass eine vegetarische Ernährung Depressionen und andere Erkrankungen begünstigt. Der Studienautor erklärt, warum.
Studie: Vegetarier:innen depressiver als Nicht-Vegetarier:innen
Für die Studie griffen Michalak und sein Team auf die Daten von zwei vorangegangenen, unabhängig voneinander durchgeführten Studien des Robert Koch-Instituts zurück. Die eine befasste sich mit der Ernährung in Deutschland, die andere mit der psychischen Gesundheit der Bundesbürger:innen. "Im Vergleich zu anderen Studien hatten wir so eine methodisch hochwertige Stichprobe für unsere Untersuchung", erklärte Michalak die Vorteile dieser Herangehensweise gegenüber dem "National Geographic".
Die Auswertung der Angaben unter Einbezug einer Kontrollgruppe ergab, dass Vegetarier:innen tatsächlich häufiger an einer psychischen Erkrankung leiden als Nicht-Vegetarier:innen. Berücksichtigt wurden depressive Störungen, Angststörungen und somatoforme Störungen (heute psychosomatische Belastungsstörungen), bei denen körperliche Symptome im Vordergrund stehen.
"Das war jetzt nicht mein Lieblingsergebnis", räumte Michalak ein. Der Psychologe und Universitätsprofessor lebt selbst vegetarisch.

Im Jahr 2007 ordneten sich laut "Statista" bereits 6,68 Millionen Deutsche als Vegetarier:innen ein oder als Menschen, die weitgehend auf Fleisch verzichten. Bis 2013 stieg die Zahl auf 7,5 Millionen – nur um im Jahr darauf auf 5,31 Millionen zu sinken. Ab 2017 stieg die Zahl der Vegetarier:innen erneut. 2021 ernährten sich wieder rund 7,5 Millionen Personen (überwiegend) vegetarisch.
Begünstigt eine vegane Ernährung wirklich psychische Erkrankungen?
Obwohl zahlreiche Studien einen Zusammenhang zwischen einer fleischlosen Ernährung und psychischen Erkrankungen herstellen konnten, bleibt die Interpretation dieser Ergebnisse schwierig. Denn ein Zusammenhang zwischen Vegetarismus und psychischen Erkrankungen bedeutet nicht automatisch, dass die vegetarische Ernährung für die psychischen Probleme verantwortlich ist.
Am Beispiel von Michalaks Studie zeigte sich zwar, dass Vegetarier:innen häufiger an Depressionen & Co. leiden. Aber: "Bei den meisten Befragten war es so, dass sie zuerst an einer physischen Erkrankung litten und dann mit der vegetarischen Ernährung begonnen haben." In diesen Fällen ist ausgeschlossen, dass eine vegetarische Ernährung die psychische Erkrankung begünstigt hat.
Depressionen & Co.: Ursachen sind komplex
Grundsätzlich gilt, dass psychische Erkrankungen nie auf nur einen Faktor zurückzuführen sind – also auch nicht auf eine bestimmte Ernährungsform. Laut Michalak stehen bei der Suche nach möglichen Ursachen drei Faktoren im Vordergrund: die Biologie, die Psychologie und das Sozialleben.
"Unter die biologischen Einflüsse fällt beispielsweise die Genetik. Auch, ob es bei der eigenen Geburt zu Komplikationen kam, wie viel man sich bewegt und eben auch die Ernährung fallen unter die Biologie", erklärt der Experte.
In der Psychologie spielt vor allem die Resilienz – also die psychische Widerstandskraft – eine Rolle, während ein gefestigtes soziales Umfeld dabei helfen kann, psychische Erkrankungen besser zu bewältigen oder gar nicht erst zu entwickeln.
Die Frage nach der Henne und dem Ei
Michalak weist auf die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten, die seine Studie ermöglicht, hin. Leiden Vegetarier:innen häufiger an Depressionen, kann dies zahlreiche Erklärungen haben. Allen voran steht die Frage, was zuerst da war: die psychische Erkrankung oder die vegetarische Lebensweise?
Die Ernährung könnte eine psychische Erkrankung beeinflussen, wenn eine Person zum Beispiel im Zuge einer fleischlosen Ernährung dauerhaft zu wenig Omega-3-Fettsäuren oder Vitamin B12 aufnimmt und es so zu Stimmungstiefs kommt. Ebenfalls wahrscheinlich ist, dass perfektionistisch veranlagte Menschen, die als Risikogruppe für Depressionen gelten, eher vegetarisch leben. Gleiches gilt für Frauen, die sich häufiger vegetarisch ernähren und gleichzeitig häufiger an Depressionen erkranken, allerdings auch häufiger zum Arzt gehen und somit häufiger Diagnosen gestellt bekommen.
Die Schlussfolgerung, Vegetarier:innen würden als Folge des Fleischverzichts depressiver werden als Nicht-Vegetarier:innen ist demnach zu kurz gesprungen.
Quellen:
Vegetarier sind depressiver als Fleischesser: Eine Studie erklärt den Zusammenhang, in: nationalgeographic.deVegetarian diet and mental disorders: results from a representative community survey, in: National Library of Medicine
Anzahl der Personen in Deutschland, die sich selbst als Vegetarier einordnen oder als Leute, die weitgehend auf Fleisch verzichten, in: statista.com
Ernährung in Deutschland, in: rki.de
Psychische Gesundheit in Deutschland, in: rki.de
Wenn Sie sich ständig erschöpft und traurig fühlen oder unter Schlafproblemen leiden, kann dies auf eine Depression hindeuten. Spätestens nach zwei Wochen Niedergeschlagenheit ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen. Auf der Website der Deutschen Depressionshilfe finden Sie verschiedene Anlaufstellen. Dort sind auch Adressen für Notfälle gelistet. Bei konkreten Suizidgedanken ist es wichtig, die nächstgelegene Klinik mit psychiatrischer Notaufnahme aufzusuchen.
Bei akuten Sorgen oder Ängsten können Sie jederzeit anonym die Telefonseelsorge unter den Telefonnummern 0800/111 0 111 oder 116 123 anrufen.
Wenn Sie nicht selbst betroffen sind, aber depressive Symptome bei anderen bemerken, erhalten Sie auf der Website der Deutschen Depressionshilfe konkrete Handlungsempfehlungen. Besteht eine konkrete Suizidgefahr ist es wichtig, sofort den Rettungsdienst unter 112 oder die Polizei zu verständigen.