Sex im Alter: Gesund oder gefährlich?

Hält Sex im Alter jung und stärkt das Herz? Oder ist eine rege Sexualität im Alter sogar schädlich für die Gesundheit? Die Antwort: Sex im Alter ist gesund – aber scheinbar nur für ein Geschlecht.

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Sex gehört zu den schönsten Beschäftigungen der Welt – warum sollte das im Alter anders sein? Bedenken könnte es bezüglich der potenziellen Gesundheitsgefahr geben: Steigert Sex im Alter etwa das Risiko für einen Herzinfarkt?

Sex im Alter
Sex im Alter ist gesund, kann aber auch Risiken bergen Foto: wundervisuals/iStock

Ist Sex im Alter gesund?

Ist eine rege Sexualität im Alter gesund? In zahlreichen Studien haben sich Forschende mit dieser Frage beschäftigt. Und wie bei vielen Themen ist es nicht ganz leicht, aus wissenschaftlicher Sicht eine eindeutige Antwort darauf zu geben.

Sex im Alter: Studie zu Sex im Seniorenalter

Im Jahr 2016 wertete ein Team der Michigan State University Daten von 2.204 Senior:innen aus, die im Rahmen der Langzeitstudie „National Social Life, Health and Aging Project“ erfasst wurden. Bei Erhebung der ersten Daten waren die Proband:innen 57-85 Jahre alt – fünf Jahre später fanden erneut Befragungen statt.

Die Auswertung ergab: In der Gruppe der älteren Männer, die einmal pro Woche oder öfter Sex hatten, traten in den folgenden fünf Jahren deutlich mehr „kardiovaskuläre Ereignisse“ wie Herzinfarkte, Herzinsuffizienz und Schlaganfall auf. Überraschend: Bei Frauen konnten die Forscher:innen diesen Effekt nicht beobachten.

Männliche Senioren: Sex kann Herzgesundheit schaden

„Erstaunlicherweise haben wir herausgefunden, dass wöchentlicher Sex ältere Männer einem fast doppelt so hohen Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse aussetzt wie Gleichaltrige, die sexuell inaktiv sind“, sagte Studienleiterin Hui Liu in einer Pressemitteilung. Männer, die ihr Liebesleben als besonders lustvoll und befriedigend beschrieben, hatten sogar ein noch höheres Herzerkrankungsrisiko als Männer, die eher mittelmäßig zufrieden waren.

Lius Theorie zur Ursache dahinter: Weil ältere Männer aus medizinischen oder emotionalen Gründen häufiger Schwierigkeiten haben, zum Orgasmus zu kommen, als ihre jüngeren Geschlechtsgenossen, verausgaben sie sich womöglich mehr und setzen ihr Herzkreislaufsystem stärker unter Stress.

Für Frauen ist eine aktive Sexualität im Alter gesund

Für ältere Frauen ergab die Studie ein ganz anderes Bild: Studienteilnehmerinnen, die über ein sehr befriedigendes Liebensleben berichteten, litten in den folgenden fünf Jahren mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit an Bluthochdruck als Frauen, die mit ihrem Sexleben weniger zufrieden waren.

Liebe und Sexualität im Alter machen das Leben schöner

Allerdings sollten ältere Männer aufgrund dieser Studie keinesfalls auf Sex verzichten. Denn die negative Auswirkung von Sex scheint sich bei ihnen ausschließlich auf die Herzgesundheit zu beschränken. Einen anderen wichtigen Aspekt untersuchten Forscher:innen der britischen Universitäten Anglia Ruskin University und University College London in einer 2019 veröffentlichten Studie: Sie interessierten sich für den Zusammenhang von Sex im Alter und Lebensfreude. Das Ergebnis: Menschen, die im Alter ein erfülltes Sexleben haben, sind deutlich glücklicher und zufriedener. Für Männer traf dies in der Studie vor allem in Bezug auf penetrativen Geschlechtsverkehr zu – für Frauen eher auf Dinge wie Küssen, Petting und Streicheleinheiten; penetrativer Sex wirkte sich nicht messbar auf ihre Lebenszufriedenheit aus.

Im Hinblick auf diese und viele andere Studien zu dem Thema wäre es sicherlich falsch, aus Rücksicht auf die Herzgesundheit auf Geschlechtsverkehr im Alter zu verzichten – denn die Lebenszufriedenheit wirkt sich stark auf die psychische und körperliche Gesundheit aus. Eine aktive Sexualität im Alter kann also stark zu einem glücklichen und gesunden Leben beitragen. Einige Untersuchungen weisen sogar darauf hin, dass regelmäßiger Sex Alterungsprozesse verlangsamen sowie vor Krebs und anderen Erkrankungen schützen kann.

Auch die Studienleiterin der Herzstudie rät älteren Männern nicht dazu, auf Sex zu verzichten. Sie sieht die Hausärzt:innen in der Verantwortung: „Ärzt:innen sollten mit älteren männlichen Patienten über die potenziellen Risiken von hoher sexueller Aktivität sprechen und die Herzgesundheit jener Männer, die im Alter häufig Sex haben, regelmäßig überprüfen.“ Umgekehrt sollten sich männliche Herzpatienten des potenziellen Risikos bewusst sein und das Thema bei Bedarf beispielsweise im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung bei ihrem Arzt oder ihrer Ärztin ansprechen.

Körperliche Veränderungen im Alter: Sexualität beeinträchtigt?

Im Bezug auf ihr Liebesleben machen sich viele Männer und Frauen Gedanken um mögliche Probleme, die mit zunehmendem Alter aufkommen könnten. So kann etwa der Abfall von Sexualhormonen bei beiden Geschlechtern zu einer nachlassenden Libido führen.

Begleiterscheinung der Wechseljahre wie beispielsweise Scheidentrockenheit kann bei Frauen dazu führen, dass der Sex plötzlich weniger Spaß macht. Bei Männern nehmen häufig Erektionsprobleme und die Angst davor im Alter zu – auch das kann den Spaß im Bett schmälern.

Zudem nehmen ältere Menschen im Schnitt mehr Medikamente ein – einige davon haben Nebenwirkungen wie Erektionsschwierigkeiten oder Libidoverlust. Bei bestimmten Cholesterin- und Blutdrucksenkern, Prostata- und Haarwuchsmitteln sowie bei Antidepressiva kann das zum Beispiel der Fall sein. Auch Depressionen im Alter können sich stark auf die Libido auswirken.

Erotik im Alter: Manchmal noch schöner als in jungen Jahren

Doch nicht nur der Körper verändert sich mit dem Alter, auch Psyche und Persönlichkeit entwickeln sich. Diese Veränderungen führen im Alter häufig dazu, dass der Sex eher noch schöner wird: So sind wir im Alter häufig entspannter und eher im Einklang mit uns selbst als in jüngeren Jahren. Studien zeigen etwa, dass das Selbstbewusstsein im Alter von etwa 60 Jahren im Schnitt am höchsten ist. Diese Entwicklungen können sich durchaus positiv auf die Libido auswirken.

Auch die äußeren Lebensumstände können die Sexualität im Alter positiv beeinflussen: Meist sind keine Kinder mehr im Haus, die Zeit und Energie für intime Stunden zu zweit rauben und die seltenen Schäferstündchen dann abrupt unterbrechen können. Niemand muss sich mehr Gedanken um Verhütung machen und ab dem Rentenalter lässt auch der arbeitsbedingte Stress nach, der für viele ein Lustkiller ist. Diese Aspekte können enorm befreiend wirken und dem Sexleben noch einmal neuen Schwung verleihen.

Statistik zu Sexualität im Alter: Wieviel Sex im Alter ist „normal“?

Wie oft man Sex im Alter hat, ist selbstverständlich individuell – die Unterscheidung zwischen „normal“ und „normal“ gibt es darum nicht. Aber natürlich gibt es Zahlen: So ergab eine Befragung  der University of Michigan unter 1002 65-80-Jährigen, dass Sex im Leben dieser Altersgruppe durchaus noch eine wichtige Rolle spielt. Zwar nahm die sexuelle Aktivität mit zunehmendem Alter ab – zwischen 65 und 70 Jahren hatten noch 46% der Befragten ein aktives Sexleben, zwischen 71 und 75 Jahren 39% und zwischen 76 und 80 Jahren 25%. Allerdings waren 73% aller Befragten mit ihrem Liebesleben zufrieden.

Anderen Befragungen zufolge haben Menschen zwischen 50 und 70 Jahren im Schnitt noch etwa alle 14 Tage Sex; dann wird es in der Regel weniger. Dafür deuten aber einige Untersuchungen darauf hin, dass gerade bei Frauen mit steigendem Alter die Qualität der sexuellen Begegnungen sogar als höher empfunden wird als in jüngeren Jahren. Zu Sex im hohen Alter sind wenig Zahlen zu finden; die meisten Befragungen wurden mit bis zu 80-Jährigen geführt.

Zumindest scheint die Zufriedenheit mit dem eigenen Sexleben im Alter auch von der Einstellung abzuhängen: Einer in dem Fachblatt „Journal of Sex Research“ veröffentlichen Studie zufolge sind Männer Frauen im Alter mit ihrem Sexleben dann besonders zufrieden, wenn sie sich selbst noch jung fühlen und wenn sie dem Alter gegenüber allgemein positiv eingestellt sind.

Sex im Alter: Tipps für mehr Unbeschwertheit

Wie für alle Lebensabschnitte gibt es auch im Alter Tipps, die das Sexleben unbeschwerter machen können. Dazu gehören:

  • Medikamente wechseln: Ärzt:innen versäumen es häufig, ihre Patient:innen auf Nebenwirkungen von Medikamenten wie etwa Libidoverlust oder Erektionsprobleme hinzuweisen. So ahnen die Betroffenen häufig nicht, was die Ursache für ihre Beschwerden ist; dabei wäre das Problem in vielen Fällen einfach zu lösen. Wer Medikamente einnimmt, sollte Probleme im Bett darum unbedingt bei einem Arzt oder einer Ärztin ansprechen – vielleicht liegt es an einem bestimmten Wirkstoff und es gibt ein anderes Präparat, das keine entsprechenden Nebenwirkungen hat.

  • Scheidentrockenheit behandeln: Wenn eine neu aufgetretene Scheidentrockenheit bei Frauen die Lust auf Sex vertreibt, können spezielle Cremes oder ein Feuchtgel Abhilfe schaffen. Betroffene Frauen können sich dazu von ihrer Gynäkologin beraten lassen.

  • Gemeinsam Zeit verbringen: Körperliche Intimität funktioniert in der Regel dann am besten, wenn die Partner:innen sich auch emotional sehr nah sind. Diese emotionale Intimität lässt sich durch gemeinsam verbrachte Zeit, Gespräche (auch über sexuelle Bedürfnisse) und Streicheleinheiten abseits von penetrativem Geschlechtsverkehr erhöhen.

  • Hausmittel: Haben Männer im Alter mit einer sinkenden Libido zu kämpfen, können Hausmittel gegen sexuelle Unlust beim Mann Abhilfe schaffen. Auch bei sexueller Unlust bei der Frau gibt es einige Tipps, die der Libido wieder auf die Sprünge helfen können.

Dennoch gilt auch bei Sex im Alter: Er ist kein Muss – wer ohne glücklich ist, sollte sich nicht dazu zwingen. Wer aber Lust darauf hat, sollte sich von seinem Alter nicht einschränken lassen – denn Sex im Alter trägt zu einem glücklichen und gesunden Leben bei.

Quellen:

Liu, Hui, et al. (2016): Is sex good for your health? A national study on partnered sexuality and cardiovascular risk among older men and women, in: Journal of health and social behavior

Smith, Lee, et al. (2019): Sexual activity is associated with greater enjoyment of life in older adults, in: Sexual medicine

Estill, Amy, et al. (2018): The effects of subjective age and aging attitudes on mid-to late-life sexuality, in: The Journal of Sex Research