Schwere Depression: Welche körperlichen Symptome treten auf?
Eine schwere Depression kann mit körperlichen Symptomen einhergehen. Dr. Hagemann, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, erklärt im Interview, wie sich Geist und Körper wechselseitig beeinflussen.
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Menschen, die an einer schweren Depression erkrankt sind, leiden nicht nur unter psychischen Symptomen wie Antriebs- oder Hoffnungslosigkeit: Bei den meisten treten im Zuge einer schweren Depression auch körperliche Symptome auf, die von Kopfschmerzen bis zu Magen-Darm-Beschwerden alles umfassen.

Schwere Depression: Mehr als „schlecht drauf“
Im Interview erklärt Dr. Hagemann, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, zunächst, dass eine schwere Depression nicht mit einer leichten depressiven Verstimmung, wozu meist auch die Winter- und Sommerdepression gehört, zu vergleichen sei:
„Während mildere Krankheitsformen kurzfristig sind, können schwere Depressionen Monate und Jahre andauern. Die Betroffenen überwinden das Tief aus eigener Kraft meist nicht. Sie verlieren immer mehr das Interesse an ihrer Umwelt und sind nicht mehr in der Lage, sich für etwas zu begeistern. Empathie, Freude und Konzentrationsfähigkeit nehmen merklich ab. Neben typischen Symptomen wie Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit und Interessenverlust leiden depressive Menschen oft unter innerer Unruhe sowie massiven körperlichen und seelischen Anspannungen.“
Schwere Depression: Symptome und Anzeichen
Die Diagnose über den Schweregrad einer Depression wird anhand mehrerer Merkmale gestellt. Als Basis hierfür gilt die ICD-10, also die „International Classification of Diseases and Related Health Problems“ in ihrer 10. Revision, die im Deutschen „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ heißt. In Kapitel 5 werden Psychische und Verhaltensstörungen klassifiziert.
Dr. Hagemann erklärt die Parameter, die bei einer Depressionsdiagnose ins Gewicht fallen. Zunächst werden die Patient:innen auf drei Hauptsymptome hin untersucht:
Depressive Stimmung die meiste Zeit des Tages
Interessens- und Freudlosigkeit
Antriebsmangel bzw. abnorme Erschöpfbarkeit
Weiterhin werden folgende Symptome abgefragt:
Verlust von Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl
Selbstvorwürfe
Schuldgefühle
Suizidgedanken oder suizidales Verhalten
Entscheidungsunfähigkeit
Psychomotorische Agitiertheit (krankhafte Unruhe) oder Hemmung
Schlafstörungen jeder Art (Ein- und Durchschlafstörungen, Früherwachen, Tagesmüdigkeit)
Appetitverlust oder Appetitsteigerung
Treten diese Symptome über einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen auf, so ist eine Depression zu diagnostizieren. Wenn alle drei Hauptsymptome und mindestens fünf der weiteren Symptome vorhanden sind, spricht der Mediziner von einer schweren Depression.
Schweren Depression: Diese körperlichen Symptome treten auf
Die von Dr. Hagemann angesprochenen massiven körperlichen Anspannungen, unter denen Patienten mit einer schweren Depression leiden, äußern sich meist sehr direkt. Körperliche Beschwerden wie ein verspannter Nacken, generell verspannte Muskeln, Rücken-, Kopf- oder Gelenkschmerzen begleiten viele Depressionspatienten. „Psyche und Körper sind eng miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Wer etwa immer angespannt ist, der ist prädestiniert für Nacken-, Kopf- und Rückenschmerzen“, so Dr. Hagemann.
Doch nicht nur Verspannungen gehören zu den körperlichen Symptomen einer schweren Depression. Erfahrungen von Betroffenen zeigen, dass auch folgende Beschwerden häufig auftreten:
Reduzierter Appetit und Gewichtsverlust
Atembeschwerden
Kreislaufprobleme wie Schwindel
Restless Legs Syndrom (RLS)
Körperliche Beschwerden: Depression wirkt wie ein Brennglas
Nicht nur neu auftretende körperliche Symptome spielen bei Depressionen eine Rolle. Bereits da gewesene Beschwerden werden durch die Krankheit häufig verstärkt. Dabei ist es unerheblich, ob sie tatsächlich schlimmer werden oder wie durch ein Brennglas nur intensiver wahrgenommen werden. Besonders zwischen Schlafstörungen und Depressionen gibt es einen wechselseitigen Zusammenhang: Schlafprobleme erhöhen das Risiko für eine handfeste Depression. Entwickelt sich schließlich eine schwere Depression, können Betroffene häufig noch schwerer in den Schlaf finden.
Behandlung: Medikamente gegen die Schmerzen oder die Depression?
„Bei den psychosomatischen Beschwerden sollten beide Seiten, sowohl die somatische als auch die psychische Seite, Beachtung finden“, betont Dr. Hagemann. Wichtig ist ein ganzheitlicher Behandlungsansatz. „Oft ist beim Auftreten der Symptome nämlich nicht klar, woher die Beschwerden kommen. Daher muss eine somatische Ursache ausgeschlossen werden, bevor eine psychische Genese angenommen wird.“
Dennoch ist eine Depression nicht im Ausschlussverfahren zu diagnostizieren: Es reicht nicht, körperliche Ursachen für die Beschwerden auszuschließen. Als erstes Warnsignal liefern die körperlichen Symptome einen Hinweis auf eine mögliche Depression, die später aktiv diagnostiziert werden muss. Leider ist die aktive Einbeziehung eines Psychosomatikers oder Psychotherapeuten immer noch viel zu selten. Es dauert im Schnitt sieben Jahre, bis psychosomatisch erkrankte Patienten beim Psychosomatiker oder zumindest beim Psychotherapeuten vorstellig werden.
Dr. Andreas Hagemann ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Ärztlicher Direktor der Privatklinik Eschweiler bei Aachen. Diese Privatklinik für Psychosomatik ist spezialisiert auf Angst- und Panikstörungen, chronische Schmerzen, Burnout und Depressionen.
Wenn Sie sich ständig erschöpft und traurig fühlen oder unter Schlafproblemen leiden, kann dies auf eine Depression hindeuten. Spätestens nach zwei Wochen Niedergeschlagenheit ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen. Auf der Website der Deutschen Depressionshilfe finden Sie verschiedene Anlaufstellen. Dort sind auch Adressen für Notfälle gelistet. Bei konkreten Suizidgedanken ist es wichtig, die nächstgelegene Klinik mit psychiatrischer Notaufnahme aufzusuchen.
Bei akuten Sorgen oder Ängsten können Sie jederzeit anonym die Telefonseelsorge unter den Telefonnummern 0800/111 0 111 oder 116 123 anrufen.
Wenn Sie nicht selbst betroffen sind, aber depressive Symptome bei anderen bemerken, erhalten Sie auf der Website der Deutschen Depressionshilfe konkrete Handlungsempfehlungen. Besteht eine konkrete Suizidgefahr ist es wichtig, sofort den Rettungsdienst unter 112 oder die Polizei zu verständigen.