Schwangerschaft trotz MS

Die Diagnose MS war für Janet ein Schock. Doch dank moderner Therapien erfüllte sich ihr sehnlichster Wunsch trotzdem – eine Schwangerschaft. Lesen Sie hier die bewegende Geschichte.

MS Schwangerschaft
Endlich ein Baby! Der Schwangerschaftswunsch lässt sich auch bei Frauen mit MS erfüllen Foto: istock/Rawpixel

Jeden Tag horcht Janet Laarßen* ganz tief in sich hinein: Ist der Bauch über Nacht schon größer geworden? Bewegt sich das Baby? Was selbst für gesunde Frauen ein einmaliges, intensives Erlebnis ist, ist für die Krankenschwester ein kleines Wunder. Denn seit der Diagnose Multiple Sklerose im Jahr 2010 hatte sie die Familienplanung gedanklich schon auf Eis gelegt.

Rückblick: Janet war gerade Anfang 20, als sie von einem Tag auf den anderen plötzlich Gleichgewichtsstörungen bekam. „Gerade in meinem verantwortungsvollen Job als Krankenschwester kann ich es mir absolut nicht leisten, dass der Körper plötzlich streikt. Mir war sofort klar: Ich muss mich untersuchen lassen.“ Doch die Ursache für die Probleme war zunächst unklar. „Beruflicher Stress“, lautete das Urteil des Hals-Nasen-Ohren-Arztes. Es gab keine weiteren Untersuchungen.

Doch dann bekam Janet zusätzlich Schmerzen im Auge. Sie ließ sich noch einmal gründlich durchchecken. Der Augenarzt reagierte sofort und wies sie ins Krankenhaus ein. Anhand der neurologischen Untersuchung folgte die Diagnose, die Janets Leben für immer verändern sollte: Multiple Sklerose. Eine chronische Krankheit des Nervensystems, die die Hülle der Nervenzellen schädigt und damit Lähmungen, Sehstörungen, Spasmen und mehr auslösen kann. In Deutschland sind etwa 140.000 Menschen betroffen. Für die junge Frau ist die Diagnose ein schlimmer Schock. „Ich habe sofort gedacht, das war’s. Jetzt verlierst du deinen Job, kannst keine Kinder bekommen.“

MS und Schwangerschaft schließen sich nicht aus

Doch so muss das Leben mit MS nicht sein! Heute weiß Janet: Es lohnt sich, aktiv zu werden – und der Schwangerschaftswunsch lässt sich auch bei Frauen mit MS erfüllen. „Ich habe mir sämtliche Informationen angelesen, die ich kriegen konnte. Und ich habe mich zum offenen Umgang mit meiner MS entschieden. Mein Arbeitgeber hat super reagiert.

Nach zwei Wochen bekam ich einen unbefristeten Vertrag und habe seitdem geregelte Arbeitszeiten. Nachtschichten gehören der Vergangenheit an, vor allem jetzt, wo ich schwanger bin – trotz MS.“ Vor der MS-Schwangerschaft haben sich Janet und ihr Freund Rat von verschiedenen Ärzten geholt.

MS wird von einer Schwangerschaft nicht ungünstig beeinflusst – im Gegenteil

Einstimmige Experten-Meinung: Eine Schwangerschaft ist der beste und natürlichste Schutz bei MS. Janet hat nun schon über die Hälfte ihrer Schwangerschaft genossen und kommt komplett ohne MS-Medikamente aus. „Anfangs hatte ich ein mulmiges Gefühl dabei, aber ich vermute, das war einfach nur Kopfsache“, sagt sie. „Mir geht es super, ich habe keine Beeinträchtigungen durch die Schwangerschaft, fühle mich rundum wohl.“ Ein tolles Gefühl für die junge Frau. Auch dem Baby geht es gut, alle Untersuchungsergebnisse sind bestens. Und obwohl ihr verschiedene Ärzte zum Beschäftigungsverbot geraten haben, geht sie weiterhin arbeiten – patientenfern im Chefarztsekretariat.

Auf ihre Sorgen angesprochen, berichtet Janet von der Angst davor, ob das Stillen klappen wird. „Und dann ist da noch eine kleine Sorge, dass es durch die Hormonumstellung und die neuen Herausforderungen zu einem neuen Schub kommen könnte.“

Obgleich die werdenden Eltern das Geschlecht des Babys schon wissen, mussten die Namensfindung und die Kinderzimmereinrichtung noch warten – zunächst haben Janet und ihr Freund sich bei strahlendem Sonnenschein das Jawort gegeben. Sie sind der beste Beweis dafür, dass man sich seine Träume trotz chronischer Krankheit erfüllen kann.

*Name von der Redaktion geändert

Eine Neurologin erklärt, warum MS-Kranke auf eine Schwangerschaft nicht verzichten müssen

Was müssen MS-Patientinnen in Sachen Familienplanung beachten?

Grundsätzlich steht die MS einer Familienplanung nicht im Wege, wenn vorab eine ausführliche ärztliche Aufklärung erfolgt, um auch die medikamentöse Behandlung auf die Familienplanung auszurichten. Das ist wichtig, da bei vielen Medikamenten gegen die MS eine Gefährdung des Ungeborenen möglich ist. In der Schwangerschaft besteht zudem ein deutlich geringeres Risiko für Krankheitsaktivität im Sinne von Schüben, das nach der Schwangerschaft wieder ansteigt.

Paar bei Beratung
Einer MS-Schwangerschaft steht nichts im Weg, wenn eine ausführliche ärztliche Aufklärung erfolgt Foto: istock/Tero Vesalainen

Gibt es MS-Medikamente, die sich mit einem Kinderwunsch vereinbaren lassen?

In der Vergangenheit war es notwendig, die MS-Therapien bei Kinderwunsch zu pausieren und damit möglicherweise eine Krankheitsaktivität in Kauf zu nehmen. Insbesondere bei hochaktiver MS bestanden damit eindeutige Argumente gegen eine Schwangerschaft. Einen deutlichen Fortschritt bieten diesbezüglich aktuell die Kurzzeittherapien. Durch eine kurzzeitige Therapiephase, die zu langzeitiger Wirkung ohne andauernde Medikamenteneinnahme führt, wird eine Schwangerschaft ohne Risiko für erhöhte Krankheitsaktivität nunmehr möglich.

Unsere Expertin

Prof. Alaleh Raji, Fachärztin für Neurologie am Neurozentrum Hamburg, Website: http://www.nzhb.de/