Schützen Erkältungsviren vor schwerem Corona-Verlauf?
Bieten frühere Infektionen mit harmlosen Coronaviren Schutz bei COVID-19? Eine Studie legt nahe, dass diese Erkältungsviren vor einem schweren Corona-Verlauf schützen könnten.
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Eine Frage, die vielen seit einiger Zeit im Kopf herumgeistert: Schützen Erkältungsviren vor einem schweren Corona-Verlauf? Vermutlich schon.Es ist eine weitere positive Nachricht im Kampf gegen das Coronavirus: Forschende aus den USA haben herausgefunden, warum Menschen, die sich schon mal mit saisonalen Coronaviren angesteckt hatten, bei einer COVID-19-Erkrankung keine oder kaum Symptome zeigten. Die Erklärung: Antikörper durch die „alten“ Erkältungsviren könnten vor einem schweren Corona-Verlauf schützen. Zuvor hatte bereits der Virologe Christian Drosten im NDR-Podcast ähnliches berichtet.
Es gibt viele verschiedene Coronaviren
SARS-CoV-2, das unser Leben aktuell bestimmt, ist nur eines von vielen Coronaviren: Schon in den 1960er Jahren wurde erste Verwandte entdeckt. Manche sind ganz harmlos und sorgen lediglich für Beschwerden in den oberen Atemwegen. Anders ist es mit SARS-CoV-1: Diese Coronavirus ist auch sehr gefährlich, es forderte 2003 in Asien viele Opfer. Genauso MERS-CoV, ein weiteres Coronavirus, das 2012 im arabischen Raum grassierte.
Zu den harmlosen Coronaviren zählen dagegen 229E, NL63, OC43 und HKU1. Meist erwischen sie einen schon als Kind, rund ein Viertel aller Menschen haben mit ihnen Bekanntschaft gemacht. Und das erweist sich in der aktuellen Pandemie möglichweise als Vorteil, denn SARS-CoV-2 könnte nun eine gewisse Antikörperreaktion bei dieser Gruppe auslösen.
Hintergrundimmunität bei Corona durch harmlose Erkältungsviren?
Schon im vergangenen Jahr berichtete auch der deutsche Virologe Christian Drosten im NDR-Podcast davon, dass 15 Prozent aller Erkältungen durch bekannte Coronaviren hervorgerufen werden. Er erklärte dabei die Theorie der Hintergrundimmunität und bezog sich auf eine Studie aus China: Für diese hatten Wissenschaftler Haushalte mit Corona-Infizierten ins Visier genommen und beobachtet, dass die Ansteckungsrate mit gerade einmal 12 bis 13 Prozent extrem niedrig war. Christian Drosten stellte die entscheidenden Fragen dazu: „Wie kann das sein, dass sich so viele nicht infizieren, die mit im Haus waren? Spielt dabei so etwas wie Hintergrundimmunität eine Rolle?“ Dieser Frage sind nun auch die amerikanischen Wissenschaftler nachgegangen.
Erkältungsviren könnten vor schwerem Corona-Verlauf schützen
In einer aktuellen Studie hat das Team vom Translational Genomics Research Institute (Tgen) und der Northern Arizona University unter Leitung von Dr. John Altin und Dr. Jason Ladner das Blut von COVID-19-Patienten unter die Lupe genommen. Die Forschenden haben eine Methode entwickelt, mit der die Proben systematisch auf Antikörper gegen Coronaviren untersucht werden können.
Im Blutserum der Probanden fanden sie verschiedene Antikörper, die durch die SARS-CoV-2-Infektion gebildet wurden. Doch einige der entdeckten Antikörper waren schon in Proben vorhanden, die den Betroffenen vor der Corona-Infektion entnommen wurden. Die Vermutung von Studienautor Dr. Altin: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das COVID-19-Virus eine Antikörperreaktion hervorrufen kann, die beim Menschen bereits vor der aktuellen Pandemie vorhanden war.“ Durch eine solche Hintergrundimmunität, auch Kreuzimmunität genannt, können T-Zellen – die Immungedächtniszellen – bei einer Infektion mit einem neuen Coronavirus wieder aktiviert werden.
Auch Virologe Drosten ist dieser Meinung: „Es ist durchaus so, dass wir damit rechnen, dass es möglicherweise eine unbemerkte Hintergrundimmunität gibt – durch die Erkältungscoronaviren.“ Wer also in der Vergangenheit bereits mit einem harmlosen Coronavirus infiziert war, könnte heute einen gewissen Schutz gegen SARS-CoV-2 haben – eine Erkrankung könnte eher mild verlaufen.
Erkältungsviren könnten aber auch das Gegenteil bewirken
Die Hintergrundimmunität ist nur eine Erklärung dafür, warum manche Menschen – selbst wenn sie in einem Haushalt mit schwer an COVID-19-Erkrankten leben – keine oder kaum Symptome zeigen. Weitere Gründe könnten auch eine geringere Viruslast, ein besseres Immunsystem oder eine bessere Antikörperreaktion sein.
Außerdem geben Experten zu bedenken, dass bereits vorhandene Antikörper bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 auch das Gegenteil bewirken könnten: Es ist möglich, dass sie im schlimmsten Fall die Bildung neuer Antikörper verhindern und dadurch eine schweren Krankheitsverlauf begünstigen. Das kann durch eine Impfung allerdings verhindert werden.
Diese widersprüchlichen Aussagen zeigen: Es sind noch viele weitere Tests und Studien nötig. Denn obwohl nach den Ergebnissen der US-Studie Erkältungsviren vor schwerem Corona-Verlauf schützen könnten, ist eine wirkliche (Teil-)Immunität noch lange nicht nachgewiesen.
Quellen:
Epitope-resolved profiling of the SARS-CoV-2 antibody response identifies cross-reactivity with endemic human coronaviruses in: Cell Reports Medicine
SARS-CoV-2: Forscher entdecken kreuzreaktive Antikörper zu anderen Coronaviren in: aerzteblatt.de
Versteckte Helfer im Kampf gegen Sars-CoV-2 in: derstandard.de
NDR Podcast mit Christian Drosten, 16.04.2020 "Jetzt mit Hochdruck Forschungsfragen klären", in: ndr.de
Wie das neue Coronavirus zu seinen Namen kommt, in: swr.de