Schmerzen in der Schulter

Jeder Vierte leidet unter behandlungsbedürftigen Schultererkrankungen. Prof. Sven Ostermeier erklärt, wie man Schmerzen in der Schulter vorbeugen kann und was im Falle einer Erkrankung hilft.
Kein anderes Gelenk ist so beweglich wie unsere Schulter. Das macht sie allerdings leider auch besonders störanfällig. Immerhin 25 Prozent aller Menschen haben zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens behandlungsbedürftige Schmerzen in der Schulter. Damit gehören Schmerzen in der Schulter zu den häufigsten Gründen für Arbeitsunfähigkeit.
Dabei können wir mit regelmäßiger Bewegung und speziellen Nahrungsergänzungsmitteln Schmerzen in der Schulter oft vorbeugen. Und wenn die Schulter dann doch einmal schmerzt, ist mit Wärme, Medikamenten und konsequenter Krankengymnastik eine Heilung oft möglich. Unser Experte erklärt, wie das geht und stellt sanfte Aufbau-Übungen für die Schulter vor.
Prof. Ostermeier, warum ist unsere Schulter so empfindlich?
Das Problem ist ihre Anatomie: Die Gelenkpfanne ist eigentlich viel zu klein für den großen Oberarmkopf. Die Schulter wird also hauptsächlich von ihren Muskeln geführt: Sieben Hauptmuskeln und eine Bizepssehne halten sie an der richtigen Position. Wenn die Schulter aus irgendeinem Grund ihre Zentrierung verliert, führt das zu Schmerzen in der Schulter.
Generell kann man sagen: Ab dem 40. Geburtstag steigt die Schultererkrankungsrate deutlich an. Im Schnitt sind meine Patienten 55, wenn sie sich erstmals wegen einer Erkrankung der Rotatorenmanschette in Behandlung begeben. Mehr als 30 Prozent der über 60-Jährigen haben Risse oder Teilrisse in einer der Schultersehnen.
Was ist denn das häufigste Problem bei Schmerzen in der Schulter?
Die meisten Probleme beginnen mit einer Entzündung an der Rotatorenmanschette. Diese entsteht, wenn die Sehnen überlastet werden. Wenn ich immer dieselben Bewegungen ausführe – als Maler beispielsweise ständig über Kopf arbeite. Die meisten Leute kennen Sehnenscheidentzündungen in der Hand – dasselbe passiert auch in der Schulter.

Sind die Schultersehnen überlastet, senden sie ein Entzündungssignal an das umgebende Gewebe. Es bildet sich ein Erguss. Die Schleimbeutel laufen voll. Man bekommt eine Schleimbeutelentzündung. So kann ein teuflischer Kreislauf entstehen. Die Sehnen kommen gar nicht mehr aus der Entzündung heraus, was letztendlich sogar zu einer Fehlstellung in der Schulter führen kann.
Was genau bedeutet eine Fehlstellung in der Schulter?
Natürlich kann eine Fehlstellung auch durch einen Sturz verursacht werden. Dann merken die Betroffenen häufig gar nicht sofort, dass sich die Stellung des Oberarmkopfes verschoben hat. Sogar ein Sturz auf die Ellenbogen könnte das bewirken. Die Probleme treten dann oft erst viel später auf.
Viel häufiger passiert die Verschiebung des Oberarmkopfes in der Gelenkpfanne aber durch die Muskeln. Ein gutes Beispiel dafür ist die sogenannte iPad-Schulter – verursacht durch die Benutzung von Smartphones oder Tablets. Bei einer aufrechten Haltung lastet der Kopf mit etwa sechs Kilo Gewicht auf der Wirbelsäule. Neigt man den Blick um etwa 60 Grad nach unten, erhöht sich diese Belastung um ein Vielfaches.

Die Folge: Schultermuskeln werden verkürzt und ausgerechnet diejenigen geschwächt, die eigentlich den Oberarmkopf unter dem Schulterdach zentrieren sollten. Das kann in einem Bereich, in dem die Bänder, Muskeln und Sehnen ohnehin wenig Platz haben, schnell zu Problemen führen. Deshalb sollten man die Geräte idealerweise so halten, dass man geradeaus schauen kann. Oder man sollte alle 15 bis 20 Minuten eine kurze Pause mit Dehnübungen einlegen.
Welche Dehnübungen empfehlen Sie bei Schmerzen in den Schultern?
Drücken Sie Ihre abgespreizte linke Hand Richtung Boden. Greifen Sie dann mit dem rechten Arm über den Kopf und ziehen Sie den Kopf leicht nach rechts. Wiederholen Sie diese Übung nach ein paar Sekunden auf der anderen Seite. Das hilft gegen Schulter- und Nackenschmerzen und entspannt die Schulter-Nacken-Muskulatur.
Wie schnell sollte ich bei Schmerzen in der Schulter einen Arzt aufsuchen?
Grundsätzlich rate ich dazu, spätestens nach zwei Wochen mit Schmerzen in der Schulter einen Arzt aufzusuchen. Viele Erkrankungen der Schulter können wir im Frühstadium effektiv und wirksam behandeln. Meist sind sogar Medikamente zur Schmerzlinderung und kräftigende krankengymnastische Übungen ausreichend, um den Oberarmkopf wieder besser im Gelenk zu zentrieren.

Selbst bei kleinen Rissen lässt sich durch gezielten Muskelaufbau in vielen Fällen die volle Funktion des Schultergelenks wiederherstellen. Wenn wir allerdings den optimalen Behandlungszeitraum verpassen, können bleibende Einschränkungen auftreten, die schließlich eine Operation notwendig machen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Frozen Shoulder.
Was genau ist die Frozen Shoulder?
Auslöser ist meist ein Schmerzimpuls an der Schulter – wenn Sie sich beispielsweise am Türrahmen stoßen oder einen Fahrradunfall haben. Das kann dazu führen, dass sich eine der tiefstliegenden Strukturen in der Schulter, die Gelenkkapsel, spontan verdickt. Dadurch ist die Schulter plötzlich nicht mehr beweglich, sie versteift. Begünstigt wird dieser Prozess übrigens durch Stoffwechselerkrankungen wie eine Schilddrüsenunterfunktion oder eine Diabetes.

Die Schultersteife sollte möglichst schnell mit entzündungshemmenden Schmerzmitteln behandelt werden. Zusätzlich empfehlen wir eine ZRT, eine zellbiologische Regenerationstherapie, bei der durch punktuelle Vibration der Abfluss in den stark entzündeten Gewebeteilen angeregt wird. So schaffen wir es in etwa 80 Prozent der Fälle, eine Operation zu vermeiden. Das Problem ist nur, dass viele Patienten sehr spät kommen. Und dann ist das Zeitfenster verpasst.
Wie erkenne ich, ob eine Operation wirklich nötig ist?
Sie spielen vermutlich auf eine aktuelle Studie an, die gerade veröffentlicht wurde. Dort heißt es, dass gerade beim sogenannten Engpass-Syndrom Schulteroperationen oft überflüssig sind. Tatsächlich rate auch ich dazu, zunächst für einen längeren Zeitraum von mindestens sechs Wochen konservativ – also mit entzündungshemmenden Schmerzmitteln und Krankengymnastik – zu behandeln. Sollte nach dieser Zeit keine Besserung eintreten, kann eine Operation notwendig werden, um das Problem nicht noch zu verstärken.
Das gilt auch für andere Schulterprobleme – zum Beispiel einen Riss in der Rotatorenmanschette (Muskelgruppe, die das Schultergelenk umfasst): Wenn die Muskeln dort verkümmern, kann die ganze Schulterarchitektur wackelig werden. Dann kommt man um einen Eingriff oft nicht herum. Allerdings hat gerade die Schulterchirurgie in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht.
Welche neuen OP-Methoden gibt es?
Etwa zehn Prozent der Bevölkerung leiden unter dem sogenannten Schulter-Impingement. Das bedeutet: Im Schultergelenk wird es durch Reizung und Degeneration von Sehnen und Schleimbeuteln zu eng. Der Auslöser könnte beispielsweise ein Riss in der Rotatorenmanschette sein, der nicht genäht werden kann.
Durch die andauernde Reizung kommt es zu einer Verdickung der Sehnen, sodass der Kopf des Schultergelenks schließlich an das Schulterdach schlägt. Zuerst spüren die Betroffenen nur einen leichten Schmerz in der Schulter – später werden die dauerhaften Beschwerden zur Qual.
Eine neue Methode, mit der wir diese sogenannte Schulterenge gut behandeln können, ist das Inspace System. Um unter dem Schulterdach wieder Platz zu schaffen und den Oberarmknochen wieder an seinen Platz zu rücken, wird minimalinvasiv ein Ballon-Implantat unter die Schulterdecke geschoben. Dieses drückt den Oberarmkopf wieder nach unten und stabilisiert ihn dort. Das Implantat löst sich in den folgenden 24 Monaten auf. Erste Studien bestätigen, dass der Oberarmknochen auch nach Auflösung des Implantats an seinem Platz bleibt. Allerdings gibt es mit dieser Methode bislang keine Langzeiterfahrungen.
Was kann ich denn im Alltag machen, um meine Schulter zu schonen?
Achten Sie auf Ihre Haltung! Brust raus, Schultern nach hinten – so wie beim tiefen Einatmen. Diese Haltung sollten Sie mehrmals am Tag einnehmen. Sowohl beim Laufen als auch beim Sitzen. Ideal ist natürlich auch ein gezieltes Training der Schulter-Muskulatur.
Was machen Sie denn, um Ihre Schultern zu stärken?
Ich bin ein leidenschaftlicher Schwimmer. Allerdings ist auch das keine ideale Sportart. Sie kennen vielleicht dieses Überlastungssyndrom, die sogenannte Schwimmer-Schulter. Wenn man Schwimmen zu exzessiv betreibt und womöglich immer dieselbe Lage trainiert, kommt es zu einem Ungleichgewicht der Muskulatur.
Andererseits hat das Schwimmen den Vorteil, dass Sie Ihren Körper relativ kontrolliert bewegen und keine schlagartigen Bewegungen machen – wie beispielsweise beim Handball, Baseball oder Tennis. Wer diese Sportarten betreibt, ist ein ganz klassischer Schulterpatient.

Wichtig ist, einen Sport zu finden, bei dem Sie eintönige Bewegungen vermeiden und stattdessen immer den gesamten Muskelapparat trainieren. Und das auch gerne ganz gezielt im Fitnessstudio.
1 Wenn Ihre Schulter schwach und instabil ist
Problem: Riss in der Rotatorenmanschette
Was hilft: Ist der Riss eine Folge der Degeneration der Sehne, ist konsequente Krankengymnastik wichtig. Hat ein Trauma den Riss verursacht, muss er meist genäht werden.

2 Wenn Sie nachts vor Schmerzen nicht schlafen können
Problem: Kalkschulter
Was hilft: Schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente und Kühlung lindern die Schmerzen. Außerdem sollte der Arm geschont werden. Eventuell ist eine Stoßwellentherapie sinnvoll, bei der der Heilungsprozess beschleunigt werden soll.
3 Wenn Sie Ihre Schulter plötzlich nicht mehr bewegen können
Problem: Frozen Shoulder
Was hilft: Die Frozen Shoulder wird fast immer konservativ behandelt. Zuerst wird die Entzündung therapiert. Erst danach wird mit Physiotherapie die Beweglichkeit des Schultergelenks trainiert.
4 Wenn Sie sich nicht mehr kämmen können
Problem: Impingement
Was hilft: Die Schmerzen werden mit entzündungshemmenden Schmerzmitteln gelindert. Mithilfe von Physiotherapie kann das Schultergelenk wieder zentriert werden. Zeigt sich keine Verbesserung, muss operiert werden.

Vom Arzt empfohlen: Die besten fünf Aufbau-Übungen für die Schulter
Sie müssen weder ins Fitnessstudio, noch unendlich viel Zeit investieren – so leicht halten Sie Ihre Schulter gesund
1 Wischübung zur Seite

Setzen Sie sich seitlich zum Tisch auf einen Stuhl. Dann wischen Sie mit angewinkeltem Arm langsam über die Tischplatte. Steigern Sie diese Übung, indem Sie mehr Körpergewicht auf den Arm legen. Sinn dieser Übung: Dehnung der Schulter bei Schultersteife und Mobilisierung und Verbesserung des Schulterstoffwechsels.
2 Wischübung nach vorne

Setzen Sie sich ganz normal auf einen Stuhl an den Tisch. Wischen Sie mit ausgestrecktem Arm so weit wie möglich nach vorne und wiederholen Sie diese Übung. Sinn dieser Übung: Mobilisierung bei Schultersteife und Einengung der Schulterkapsel.
3 Armpendeln

Stellen Sie sich neben einen Tisch und legen Sie eine Hand locker darauf. Beugen Sie sich dann nach vorne und lassen Sie Ihre freie Hand leicht pendeln. Gerne auch mit einem kleinen Gewicht, etwa einer Wasserflasche. Sinn dieser Übung: Sie entlasten Ihre Schulter und fördern die Bildung von Gelenkschmiere.
4 Brustmuskeldehnung

Stellen Sie sich in einen Türrahmen und pressen Sie die Handinnenflächen gegen die Innenseite des Rahmens. Lehnen Sie sich dann leicht nach vorne. Sinn dieser Übung: Sie dehnen Ihre Brustmuskeln und fördern gleichzeitig die Zentrierung der Schulter.
5 Wandstützen

Stützen Sie sich gegen eine Wand. Ziehen Sie dabei Ihre Schulterblätter nach hinten. Danach entspannen Sie sich kurz und wiederholen dann die Übung. Sinn dieser Übung: Sie normalisieren die Position Ihrer Schulterblätter. Außerdem hilft die Wandstütze gegen Schmerzen in der Schulter nach langem Sitzen.
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