Schlafstörungen: Depressionen sind häufige Ursache – was hilft Betroffenen?
Schlafstörungen bei Depressionen sind keine Seltenheit. Viele Menschen, die unter einem andauernden Seelentief leiden, finden abends im Bett kaum zur Ruhe. Doch auch umgekehrt kann eine Schlafstörung zu depressiven Symptomen führen. Die gute Nachricht ist: Schlaflosigkeit und Depression lassen sich gut behandeln.
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- Wie äußern sich Schlafstörungen bei Depressionen?
- Schlecht schlafen bei Depression: Das passiert im Gehirn
- Schlafprobleme bei Depression hängen mit Hormonen zusammen
- Wenn Schlafstörungen Depressionen auslösen
- Depression und Schlafstörung: Behandlung mit Psychotherapie und Psychoedukation
- Depression: Schlaf kann besser werden durch diese Selbsthilfe-Tipps
Schon seit über 100 Jahren ist bekannt, dass Schlafstörungen und Depressionen zusammenhängen. 1909 veröffentlichte der Psychiater Emil Kraeplin sein „Lehrbuch Psychiatrie“, in dem er erstmals Melancholie mit schlechtem Schlaf in Beziehung setzte. Seitdem beschäftigt sich die Forschung mit diesem Phänomen – dabei stellte sich heraus: Wer an einer Depression leidet, hat fast immer mit Schlafstörungen zu kämpfen. Doch auch ein schlechter Schlaf kann die Stimmung negativ beeinflussen. Wie der Zusammenhang genau ist und welche Behandlung angeraten ist, um beide Beschwerdebilder in den Griff zu bekommen.

Wie äußern sich Schlafstörungen bei Depressionen?
Wer schlecht geschlafen hat, ist tagsüber eher mürrisch und möchte am liebsten wieder ins Bett, um sich die Decke über den Kopf zu ziehen. Die nächste Nacht ist wieder besser und der Tag startet voller Elan und Tatendrang. Menschen, die an einer Depression leiden, erleben solche kraftvollen Tage nur selten – vor allem bei einer schweren Depression. Der Grauschleier, in den ihre Welt getaucht ist, lüftet sich nur selten. Eine gedrückte Stimmung, tiefe Erschöpfung und Freudlosigkeit werden zu Dauerbegleitern, der nur selten von der Seite weichen. Zu den typischen Symptomen einer depressiven Verstimmung zählt Schlaflosigkeit.
Meistens handelt es sich dabei um Einschlafstörungen, weil das Gedankenkarussell und möglicherweise auch die Furcht vor Alpträumen oder dem nächsten Tage abends im Bett besonders stark sind. Auch frühes Aufwachen kennen depressiv Erkrankte – manchmal sogar schon Stunden bevor der Wecker klingelt. Daneben fällt es vielen Betroffenen schwer, überhaupt das Bett zu verlassen: Aufgrund ihrer Müdigkeit und Antriebslosigkeit schlafen sie (zu) viel.
Schlecht schlafen bei Depression: Das passiert im Gehirn
Gesunde Menschen schlafen ein und befinden sich im Schnitt 1,5 Stunden im Tiefschlaf, danach folgt die erste REM-Phase, die Phase des Träumens. Axel Steiger, Oberarzt und Leiter der Ambulanz für Schlafmedizin am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München-Schwabing, hat mit seinem Team herausgefunden, dass die erste Tiefschlafphase bei Menschen mit Depression deutlich kürzer ist – es kann vorkommen, dass sie bereits nach zehn Minuten in den REM-Schlaf fallen. Dieser sei dem Experten zufolge bei depressiv Erkrankten viel länger als bei Menschen ohne Depression.
Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass Betroffene nachts weniger Tiefschlafphasen durchleben – die Zeiten, in denen sich Körper und Geist regenerieren. Dafür ist die Traumphase viel länger und kann mitunter als anstrengend empfunden werden.
Schlafprobleme bei Depression hängen mit Hormonen zusammen
Der Wissenschaftler Axel Steiger hat zusammen mit seinem Team nicht nur die Gehirnströme gemessen, sondern auch die nächtliche Hormonausschüttung. So ließ sich bei vielen Patient:innen mit Depression feststellen, dass der Cortisolspiegel in der zweiten Nachthälfte deutlich ansteigt. Cortisol ist ein Stresshormon, das als Gegenspieler zum Einschlafhormon Melatonin fungiert und somit die Schlafqualität negativ beeinflussen kann.
Darüber hinaus beobachteten die Forscher:innen, dass bei depressiv Erkrankten während des Schlafens weniger Wachstumshormone ausgeschüttet werden. Diese Hormone sind vor allem dafür bekannt, dass Kinder durch sie Wachstumsschübe im Schlaf erleben. Sie sind jedoch auch essentiell für einen gesunden Stoffwechsel, weil die Hormone unter anderem für Muskelaufbau und Fettverbrennung sorgen. Produziert die Hirnanhangdrüse im Schlaf weniger Wachstumshormone, so hat dies Auswirkungen auf die Lebensqualität: Müdigkeit, weniger Leistungsfähigkeit, Libidoverlust sowie Antriebslosigkeit können die Folge sein.
Wenn Schlafstörungen Depressionen auslösen
Umgekehrt sind Schlafstörungen ein Risikofaktor für Depressionen. Nach Schätzungen erkranken Betroffene mit Schlafproblemen etwa zehnmal häufiger an Depressionen als Menschen, die eine erholsame Nachtruhe haben. Denn dauerhaft schlechter Schlaf wirkt sich auf die Stimmung und Leistungsfähigkeit am Tage aus.
Schlechter Schlaf wird dabei auf drei wesentliche Ursachen zurückgeführt: Gene, die Struktur der Persönlichkeit sowie akuter Stress – die Wissenschaft bezieht sich dabei auf das sogenannte 3-Faktoren-Insomnie-Modell nach Spielmann. Wenn jemand perfektionistisch veranlagt ist oder seine Emotionen sehr kontrolliert und sie nicht frei auslebt (Neurotizismus), könne dies dem Modell zufolge zu Schlafstörungen führen.
Akute Schlafprobleme haben einen eindeutigen Auslöser: Stress, zum Beispiel am Arbeitsplatz oder in Beziehungen. Wenn diese Stressoren allerdings wegfallen, so verbessert sich auch wieder der Schlaf. Hält die Schlafstörung länger an, liegt dies in den meisten Fällen daran, dass weitere Stressfaktoren hinzukommen. Auch sogenannte aufrechterhaltende Faktoren begünstigen die Entwicklung von chronischen Schlafstörungen. Dazu zählen zum Beispiel zu viel Mittagsschlaf, unregelmäßige Schlafenszeiten, zu viel Zeit im Bett oder Ängste und Sorgen, dass der Schlaf nicht erholsam werden könnte.
Darüber hinaus können körperliche Erkrankungen die Nachtruhe erheblich beeinträchtigen. Dazu zählen zum Beispiel chronische Erkrankungen der Nieren und des Magen-Darm-Trakts, Epilepsie, Rheuma (mit chronischen Schmerzen), Herz- und Lungen-Erkrankungen, Kopfschmerzen, Schlaganfall und Multiple Sklerose. Auch Medikamente, Alkohol und Nikotin behindern einen erholsamen Schlaf. Darüber hinaus zählen Blindheit sowie Schichtarbeit zu den Risikofaktoren für Schlafstörungen.
Depression und Schlafstörung: Behandlung mit Psychotherapie und Psychoedukation
Doch was hilft Menschen, die Schlafprobleme durch ihre Depression bekommen haben oder umgekehrt schlecht schlafen und deshalb die Gefahr einer depressiven Erkrankung droht? Wichtig ist es zunächst, eine:n Ärzt:in aufzusuchen, um mit ihm bzw. ihr über diese Beschwerden zu sprechen und den Ursachen auf den Grund zu gehen.
In der Regel lässt sich eine Depression gut mit einer Psychotherapie behandeln – dann bessern sich auch die Schlafprobleme. Der nächtliche Cortisolspiegel geht zurück, wenn die psychische Erkrankung überwunden ist. Ein erholsamer Schlaf setzt zwar nicht sofort ein, aber mit der Zeit wird die Qualität immer besser.
Bei chronischen Schlafstörungen ist die Psychotherapie, genauer gesagt die kognitive Verhaltenstherapie, ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung. Im Fokus dabei steht die sogenannte Psychoedukation, bei der der Patient bzw. die Patientin über das Krankheitsbild mit medizin-wissenschaftlichen Fakten aufgeklärt wird – und wie aus schlechten Nächten wieder erholsame Nächte werden können.
Dies kann zum Beispiel durch diese Verhaltensänderungen gelingen:
Schlafrestriktion: Ein festes und verkürztes Schlaffenster wird festgelegt, beispielsweise von Mitternacht bis 5 Uhr oder noch kürzer bis 4 Uhr. Nur in dieser Zeit darf der Patient bzw. die Patientin im Bett liegen – außerhalb dieses Fensters muss das Bett gemieden werden; einen Mittagsschlaf sollte man nicht einlegen. Dieser leichte Schlafentzug soll den Schlafdruck erhöhen, sodass Betroffene in dieser kürzeren Zeitspanne letztlich besser schlafen.
Schlafkompression: Wenn die Schlafrestriktion im Einzelfall nicht geeignet ist, kann die mildere Form der Schlafkompression angewendet werden. Diese Variante ist etwas lockerer, weil Betroffene sechs bis sieben Stunden im Bett verbringen dürfen.
Stimulus-Kontrolle: Bei dieser Reiz-Kontroll-Technik soll der Betroffene das sogenannte schlafstörende Verhalten ablegen. Dazu gehört zum Beispiel, nicht im Bett das Handy zu benutzen oder zu lange wach zu bleiben – denn wer keine gesunde Schlafhygiene hat, der assoziiert mit dem Bett keinen Ort der Ruhe, sondern der Reizüberflutung.
Bei Depressionen und Schlafstörungen können Medikamente eingesetzt werden – natürlich nur in ärztlicher Absprache. Wichtig ist, niemals von alleine Schlafmittel einzunehmen, sondern nur im Rahmen einer ärztlichen Behandlung. Starke Schlaf- und Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine kommen in der Regel erst infrage, wenn keine andere Therapie anschlägt und Betroffene zu sehr unter der Schlaflosigkeit leiden.
Es gibt einige Antidepressiva, die bei Schlafstörungen eingesetzt werden und sich positiv auf die Stimmung auswirken. Dazu zählen Medikamente wie Mirtazapin und Amitriptylin – allerdings kann hier Schlaflosigkeit paradoxerweise als unerwünschte Nebenwirkung auftreten. Auch Antidepressiva aus der Gruppe der sogenannten selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern können verschrieben werden.
Depression: Schlaf kann besser werden durch diese Selbsthilfe-Tipps
Die Stimulus-Kontrolle, die während einer Verhaltenstherapie besprochen wird, umfasst Maßnahmen, die die Schlafhygiene maßgeblich verbessern sollen – und somit die Schlafqualität erhöhen.
Für eine gesunde Schlafhygiene haben sich diese Tipps als hilfreich erwiesen:
keine üppigen Mahlzeiten am Abend essen
Alkohol vermeiden – auch nicht als „Einschlafhilfe“ nutzen
zwei Stunden vor dem Zubettgehen nicht mehr rauchen (oder ganz mit dem Rauchen aufhören)
keinen Kaffee nach dem Mittag trinken
keinen Mittagsschlaf machen
regelmäßig Sport treiben, aber nicht direkt vor dem Schlafengehen
Yoga, Thai Chi oder Spazierengehen für körperliche Entspannung
Meditation
Atemübungen
Traumreisen vor dem Schlafen
autogenes Training
progressive Muskelentspannung
Hilfreich ist es auch, für sich ein Einschlafritual zu finden: Vielleicht starten Sie das Ritual mit einem wohltuenden Entspannungsbad am Abend, trinken danach einen Baldriantee, legen sich dann ins Bett und hören eine geführte Traumreise, um sich behutsam auf den Schlaf einzulassen.
Und was ist, wenn das nächtliche Gedankenkarussell nicht zur Ruhe kommen will? Dafür gibt es auch verschiedene Lösungsansätze aus der kognitiven Verhaltenstherapie. Bestimmen Sie zum Beispiel tagsüber ein festes Zeitfenster, in denen das Gehirn grübeln darf. Oder stellen Sie sich einen Stuhl im Esszimmer vor – eine Art Gedankenstuhl –, auf dem Sie das aufkommende „Grübelmonster“ zwischenparken. Mit diesen Techniken und psychotherapeutischer Hilfe gelingt es vielen Betroffenen, Schlafstörungen und Depressionen gut in den Griff zu bekommen.
Depressive Menschen schlafen anders, in: Max-Planck-Gesellschaft
Riemann, D., Baum, E., Cohrs, S., Crönlein, T., Hajak, G., Hertenstein, E., ... & Spiegelhalder, K. (2017). S3-Leitlinie nicht erholsamer schlaf/schlafstörungen.