Pseudodemenz: Definition, Symptome und Fallbeispiel

Die Pseudodemenz äußert sich ähnlich wie eine „echte“ Demenz; das kann die Diagnose erschweren. Doch es gibt feine Unterschiede in der Symptomatik, die die Abgrenzung erleichtern können.

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In 25 bis 30 Prozent der Fälle steckt hinter Demenz-Symptomen wie Vergesslichkeit nicht wirklich eine Demenz, sondern eine psychische Erkrankung. Solch eine Pseudodemenz ist häufig schwierig zu diagnostizieren. Einige Erkennungsmerkmale der Erkrankung helfen aber bei der Unterscheidung.

Eine Frau sitzt auf dem Sofa und stützt den Kopf in die Hände
Eine Pseudodemenz ist teilweise schwer von einer echten Demenz zu unterscheiden Foto: iStock/Jelena Stanojkovic
Pseudodemenz: Definition

Von einer Pseudodemenz spricht man, wenn eine Person Demenzsymptome zeigt, die sich aber nicht auf eine „tatsächliche“, degenerative Demenz zurückführen lassen. Die Symptome haben dann andere psychische oder organische Ursachen, in den allermeisten Fällen eine Depression (depressive Pseudodemenz) – aber auch etwa Dehydration, Mangelernährung, ein Unfall oder eine andere Erkrankung sind mögliche Auslöser.

Depressive Pseudodemenz: Manchmal schwer zu erkennen

Nach Angaben der Deutschen Depressionshilfe kommt die depressive Pseudodemenz vor allem im Zusammenhang mit Depressionen im Alter häufig vor – in dem Lebensabschnitt, in dem sich auch Demenzerkrankungen in den meisten Fällen manifestieren. Außerdem ähneln die Demenz-Symptome gerade im Anfangsstadium der Erkrankung häufig denen einer Depression. Dazu kommt, dass Demenzpatient:innen ein erhöhtes Risiko haben, zusätzlich an einer Depression zu erkranken.

Das heißt: Eine Demenz kann sich (unter anderem) durch eine depressive Symptomatik zeigen, eine Depression kann sich durch Demenz-Symptome äußern – und in vielen Fällen treten beide Erkrankungen zusammen auf. Das macht die Diagnosestellung häufig problematisch und kann bei einer depressiven Erkrankung zu der Fehldiagnose Demenz führen, was für die Betroffenen und deren Familien emotional sehr belastend sein kann.

Pseudodemenz: Die Symptome

Patient:innen mit einer Pseudodemenz zeigen häufig folgende Symptome:

Dazu kommen in der Regel Depressionssymptome wie eine traurige Grundstimmung, Antriebslosigkeit, Verlust von Freude und Interesse an Dingen, die zuvor Spaß machten, sozialer Rückzug, Schlafstörungen und Appetitlosigkeit.

Pseudodemenz bei Depression oder „echte“ Demenz?

Die Symptome im Anfangsstadium einer Demenz ähneln denen einer Depression: Traurigkeit, Interessensverlust, sozialer Rückzug sowie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen können bei beiden Erkrankungen auftreten. Die Unterscheidung zwischen der Pseudodemenz bei einer Depression und der „tatsächlichen“ Demenz ist demnach häufig schwierig – folgende Anhaltspunkte können jedoch dabei helfen:

  • Für den Pseudodemenz-Verlauf ist ein plötzlicher Beginn typisch, die degenerative Demenz beginnt hingegen meist schleichend.

  • Bei der depressiven Pseudodemenz herrscht häufig eine depressive Grundstimmung bei den Betroffenen; bei einer Demenz im Anfangsstadium ist die Stimmung der Patient:innen eher labil und häufigen Schwankungen ausgesetzt.

  • Demenzpatient:innen neigen dazu, ihre Gedächtnisprobleme genauso wie ihre depressiven Symptome zu verleugnen oder bagatellisieren und zeigen häufig die Tendenz, andere für ihre Gedächtnisprobleme und die daraus entstehenden Schwierigkeiten verantwortlich zu machen. Patient:innen mit Pseudodemenz reagieren auf ihre Vergesslichkeitssymptome eher mit großem Leidensdruck, Schuldgefühlen und Versagensängsten.

Fallbeispiel Pseudodemenz: Fehldiagnose Demenz bei einem 70-Jährigen

In einem Fallbericht zur Pseudodemenz in der Fachzeitschrift „BMJ Case Reports“ wird von einem 70-jährigen Mann berichtet, der seit fünf Monaten Probleme hatte, einfachen Texten und Fernsehsendungen zu folgen. Der Mann, der bereits eine depressive Erkrankung in seiner Vorgeschichte hatte, konnte nicht mehr Auto fahren, weil er sich ständig verfuhr.

Dazu kamen Symptome wie Erschöpfung, depressive Gedanken und die Angst vor dem Alleinsein. Er zog sich in sein Zuhause zurück, weil er Schwierigkeiten hatte, mit anderen Menschen zu kommunizieren. Er fürchtete, andere könnten schlecht über ihn denken und hatte Angst, „verrückt“ zu werden. Bei alltäglichen Tätigkeiten war er auf die Unterstützung seiner Frau angewiesen. Sein behandelnder Neurologe diagnostizierte schließlich eine beginnende Alzheimer-Demenz mit einer begleitenden Depression und verschrieb ihm entsprechende Medikamente.

Ein zusätzlich konsultierter Neuropsychologe widersprach der Einschätzung des Neurologen und diagnostizierte seinerseits eine Depression ohne Demenz. Nachdem der Neurologe hartnäckig auf seiner Diagnose bestand, wurde ein weiterer Neuropsychologe hinzugezogen und später ein Fachzentrum für Demenz. Die abschließende Diagnose lautete schließlich: Depressionen mit Pseudodemenz, aber keine degenerative Demenz.

Die Symptome des Patienten wurden offensichtlich durch die Depression ausgelöst und durch ein Beruhigungsmittel, das er regelmäßig einnahm, verstärkt. Nach Absetzen dieses Medikaments und unter Einnahme verschiedener Antidepressiva verschwanden seine Beschwerden nahezu komplett.

Pseudodemenz durch Medikamente

Wie das Fallbeispiel zeigt, kann eine Pseudodemenz auch durch Medikamente verursacht oder verstärkt werden. Gerade bei alten Menschen werden Probleme mit dem Gedächtnis dann häufig auf das Alter oder eine beginnende Demenz geschoben – in Wirklichkeit würde es aber in vielen Fällen schon helfen, das Medikament zu wechseln.

So haben beispielsweise einige Antidepressiva, Schlafmittel oder Wirkstoffe gegen Blasenfunktionsstörungen eine Minderung der Denkleistung als Nebenwirkung. Auf der sogenannten PRISCUS-Liste können Patient:innen und Angehörige einsehen, welche Medikamente aus diesen Gründen als ungeeignet für ältere Menschen gelten.

Pseudodemenz: Test zur Abgrenzung von der echten Demenz

Als Pseudodemenz-Test wird zunächst der sogenannte TFDD (Test zur Früherkennung der Demenz mit Depressionsabgrenzung) eingesetzt. Er nimmt etwa zehn Minuten in Anspruch und wird von geschultem Personal, etwa in einer Hausarztpraxis, durchgeführt.

Der Test überprüft unter anderem das Wortgedächtnis und die Sprechflüssigkeit, die zeitliche Orientierung und die Fähigkeiten, ein Ziffernblatt zu zeichnen. Weniger als 35 von 50 erreichbaren Punkten sprechen bei der Auswertung für das Vorliegen einer Demenz.

Zusätzlich helfen dem Arzt oder der Ärztin bei der Diagnose Informationen über die Vorgeschichte der Patient:innen, Berichte über ihr Verhalten im Alltag sowie Beobachtungen ihres Verhaltens während der Vorstellung in der Praxis. Auch bildgebende Verfahren und neuropsychologische Untersuchungen können zur Abgrenzung eingesetzt werden.

Helfen kann es in jedem Fall, wenn Betroffene und Angehörige bei Arztbesuchen auch eventuelle Depressionssymptome erwähnen und von möglicherweise vergangenen depressiven Episoden berichten.

Die gute Nachricht für Betroffene und ihre Angehörigen: Anders als eine echte degenerative Demenzerkrankung ist die Pseudodemenz heilbar – wird die zugrundeliegende Depression behandelt, verschwindet in der Regel auch die Pseudodemenz wieder.

Quellen:

Depression im Alter, in: deutsche-depressionshilfe.de

Tobe, Edward (2012): Pseudodementia caused by severe depression, in: Case Reports 2012