Prostatakrebs: Probe für die Liebe

Wird einem Mann die Prostata entfernt, führt dies oft zu Erektionsproblemen. Ärzte raten trotzdem, möglichst schnell nach dem Eingriff wieder mit der Partnerin intim zu werden
Wird einem Mann die Prostata entfernt, führt dies oft zu Erektionsproblemen. Ärzte raten trotzdem, möglichst schnell nach dem Eingriff wieder mit der Partnerin intim zu werden

Welche Prüfungen sind zu bestehen, wenn der Mann Prostatakrebs hat? Maria Hösch erzählt von ihrem Schicksal. Dabei kann sie der Krankheit sogar Gutes abgewinnen.

Wie ein Blitz schlägt die Nachricht in ihr Leben. Maria Hösch, damals 50 Jahre alt, und ihr Mann Anton erhalten eine schockierende Diagnose. Die Ärzte sagen, dass der 61-Jährige an Prostatakrebs erkrankt sei. Das Ehepaar klammert sich an einander, und sie weinen, als sie das Untersuchungsergebnis lesen. Von einem Moment auf den anderen ist der Blick aufs eigene Leben verändert. "Was passiert, wenn du Anton verlierst?", denkt Maria Hösch.

Ihre Erinnerungen reisen 40 Jahre zurück in die Vergangenheit. Sie ist beim Rosenfest und hat sich chic gemacht. Und er, der Anton, fordert sie auf zum Tanz. So zart beginnt ihre Liebe. An seiner Seite zu sein fühlt sich gut an. So wie der Gedanke an die gemeinsame Zukunft. Mit 19 gibt sie ihm das Jawort. Sie bekommen vier Kinder und bauen eine Tischlerei auf. "Unser Leben - das war Teamarbeit, das waren wir zwei", sagt Maria. Ein Paar, das aufeinander zählen kann. "Ich habe keine Zweifel gehegt, dass weder Zuneigung noch das Begehren bei uns irgendwann aufhören werden", sagt Maria. "Über unsere Liebe hatte ich während unserer vielen Ehejahre nie groß nachgedacht. Sie war einfach da. Mal mehr, mal weniger. Eine Selbstverständlichkeit- bis mein Mann die Diagnose bekam."

Was wird aus der körperlichen Liebe?

Plötzlich ist alles aus dem Gleichgewicht, und Marias Gedanken kreisen um eine Frage: Was hat das Schicksal mit uns, was mit mir vor? Wird das, was kommt, meine Ehe belasten? Und: Was wird aus der körperlichen Liebe?

Maria Hösch, die mit ihrer Familie in einer Kleinstadt in der österreichischen Steiermark lebt, fasst einen wichtigen Entschluss:

"Schwäche kann und will ich mir nicht leisten." Es ist zwar die schwerste Krise ihres Lebens, aber beileibe nicht die erste. "Früher, wenn wir Sorgen hatten - ob ein wichtiger Kunde rechtzeitig zahlt, ob ein gebrochener Kinderarm wieder heilt, was auch immer -, haben wir ja auch alles miteinander besprochen, uns gegenseitig gestützt", erzählt sie mit leuchtenden Augen.

Die Krebserkrankung aber wirbelt ihre alten Gepflogenheiten gehörig durcheinander. Es wird zunehmend schwieriger für Maria, mit ihrem Mann zu reden. Natürlich muss Prostatakrebs nicht zwangsläufig tödlich verlaufen, aber Anton Hösch spürt auf einmal sehr genau, dass sogar das schönste, friedliche Leben irgendwann einmal enden muss. Und dass alle Anstrengungen vielleicht nicht gereicht haben, seine Liebsten materiell abzusichern. Ihn beschleicht das vermaledeite Gefühl, dass sein Leben unvollendet bleiben könnte, und er schottet sich ab.

"Anton ließ mich nicht an sich heran", erzählt Maria. "Er war einfach verstummt. Wie erstarrt saß er im Büro oder am Abendbrottisch neben mir und sagte kein Wort." Maria beobachtet ihn, liest seine Gesten und Blicke. Immer wieder nimmt sie ihn in den Arm, tausendfach versichert sie, dass sich alles zum Guten wenden wird. Ihre Zweifel, ihre Ängste, selbst ihre Tränen versteckt sie. Als der Frühling kommt, die Tage heller und länger werden, ist sie froh, wieder in ihren Garten hinauszukönnen. Heimlich weint sie, an der frischen Luft.

Über Sexualität reden

Etwas Erleichterung verschafft Maria die Festlegung des Operationstermins. Sie reden endlich wieder, jetzt über konkrete Probleme. Die Prostata wird mitsamt den kranken Zellen herausgeschnitten. Das Operationsrisiko ist gering, es gibt keinen Grund, sich zu fürchten. Sie beredet mit ihrem Mann auch die möglichen Folgen. Die Fakten kennen beide: 70 Prozent der Betroffenen haben nach der Prostataentfernung Erektionsprobleme, 53 Prozent weniger Interesse am Sex, 16 Prozent werden inkontinent. "Zum Glück haben wir schon immer offen über unsere Sexualität gesprochen, das machte es leichter, die richtigen Worte zu finden."

Sie beschließen, dem zu folgen, was Ärzte raten - nämlich recht bald nach dem Eingriff wieder intim zu werden. Das bedarf einiger Anstrengungen, von Massagen bis zum Abspielen erotischer Filme. "Selbst winzige Erfolge haben wir gemeinsam gefeiert, als hätten wir den Kilimandscharo bestiegen", verrät Maria lächelnd.

Aber es geht nicht nur bergauf, es gibt Rückschläge. Anton Hösch kann nur schwer akzeptieren, dass sein Körper dem Verlangen nach Sex nicht mehr einfach folgt. Zusätzlich gibt es Probleme wie Inkontinenz, durch die er sich gedemütigt fühlt. Aber Schritt für Schritt wird alles besser. "Ich weiß, es klingt unglaublich, aber unser Liebesleben ist inniger geworden", sagt sie. "Wir gehen viel achtsamer miteinander um."

Quelle: Meins, 2/2014