Probiotika bei Reizdarm: Helfen Bakterien gegen die Darmbeschwerden?

Der Einsatz von Probiotika bei Reizdarm ist umstritten. Denn wie gut die Bakterienstämme tatsächlich helfen, ist nicht abschließend geklärt. Wie Probiotika beim Reizdarmsyndrom eine Besserung herbeiführen sollen und warum Ärzt:innen die Mittel mittlerweile empfehlen.

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Bauchkrämpfe, Blähungen, Verstopfung oder Durchfall bestimmen den Alltag von Menschen mit Reizdarm. Heilbar ist die Erkrankung nicht, aber verschiedene Maßnahmen können die Beschwerden lindern, wie etwa Reizdarm-Medikamente. Auch Probiotika bei Reizdarm stellen eine mögliche Therapie dar. In der aktualisierten Behandlungsleitlinie zum Reizdarmsyndrom (RDS) wird erstmals eine positive Empfehlung für ausgewählte Probiotika ausgesprochen.

Frau hält eine Probiotika-Kapsel gegen Reizdarmsymptome in der Hand
Probiotika können das Therapiekonzept bei Reizdarm ergänzen Foto: iStock/fizkes

Probiotika für den Reizdarm – einer von vielen Therapieansätzen

Beim Reizdarmsyndrom handelt es sich um eine chronische Erkrankung des Verdauungstrakts, bei der es zu regelmäßig wiederkehrenden Beschwerden kommt, beispielsweise Bauchschmerzen, Darmkrämpfe, Blähungen, Verstopfungen oder Durchfall. Mit der Diagnose beginnt für viele Betroffene ein Behandlungsmarathon. Denn es ist individuell unterschiedlich, was die Schübe bei einem Reizdarmsyndrom auslöst. Die Beschwerden können sich unter anderem durch bestimmte Lebensmittel, die Einnahme von Medikamenten oder psychische Belastungen verschlimmern.

Neben einer Ernährungsumstellung werden bei einem Reizdarm oft Probiotika empfohlen. Probiotika sind Zubereitungen mit lebenden Mikroorganismen wie Milchsäurebakterien oder Arznei-Hefen, die das Wachstum spezieller Bakterien im Darm unterstützen sollen. Diese Bakterien sind für eine funktionierende Darmflora wichtig. Probiotika sind zum Beispiel in naturbelassenen Joghurts, Buttermilch und Kefir enthalten oder als Nahrungsergänzungsmittel in Kapselform erhältlich.

Warum könnten Probiotika beim Reizdarmsyndrom helfen?

Eine mögliche Ursache des Reizdarmsyndroms liegt in der Störung der Darmflora, die auch als Darmmikrobiom oder Darmmikrobiota bezeichnet wird. Mit ihr ist die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die auf natürliche Weise im menschlichen Darm vorkommen, gemeint. Die Darmflora eines Menschen umfasst mindestens 1.000 Bakterienarten, wobei ihre Zusammensetzung individuell verschieden ist. Die im Darm lebenden Bakterien spielen eine wichtige Rolle für die Verdauung und das Immunsystem.

Da die Darmflora bei manchem Patient:innen mit Reizdarmsyndrom verändert ist, wird angenommen, dass Probiotika wie Milchsäurebakterien bei einem Reizdarm helfen können, indem sie fehlende Bakterien ergänzen beziehungsweise das Gleichgewicht der Darmflora wieder herstellen.

Reizdarm und Probiotika: So ist die Studienlage

Ob beim Reizdarmsyndrom Probiotika tatsächlich Beschwerden lindern, ist ein kontroverses Thema. Nach der aktuellen Studienlage können Probiotika nicht generell als wirksam oder unwirksam eingestuft werden. Vielmehr gilt es zu unterscheiden, welche Bakterienstämme bei welchen Symptomen helfen können. Das ist jedoch aufgrund der vorliegenden Studienergebnisse nicht so einfach.

Das Problem: Viele der vorliegenden Studien lassen sich nicht miteinander vergleichen, da sie unterschiedliche Schwerpunkte setzen oder die Zusammenstellung der Probiotika nicht ausreichend definiert wurde. Daher lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ausreichend beurteilen, welcher Bakterienstamm welchen Effekt hat.

Insgesamt zeigen jedoch eine Reihe von Studien, dass Probiotika typische Symptome des Reizdarmsyndroms reduzieren können. In einer großen Übersichtsarbeit haben Forschende 14 Einzelstudien analysiert, an denen insgesamt 1.182 Patient:innen mit chronischer Verstopfung teilnahmen. Bei der Probandengruppe, die Probiotika eingenommen hatte, sank die Durchgangszeit der Nahrung im Darm, die Häufigkeit des Stuhlgangs nahm zu und die Konsistenz verbesserte sich – im Vergleich zu den Kontrollgruppen, die ein Scheinmedikament (Placebo) bekommen hatten.

Welche Probiotika bei einem Reizdarm? Diese Mittel eignen sich

Die Medizin-Expert:innen, die dafür zuständig sind, geeignete Behandlungen für das Reizdarmsyndrom zusammenzustellen, haben daher ausgewählte Probiotika gegen Reizdarmbeschwerden in ihre Empfehlungen aufgenommen. Dabei richtet sich die Wahl der Bakterienkultur nach der jeweiligen Symptomatik der Patient:innen.

Eine generelle Empfehlung ist den Fachleuten zufolge nach wie vor schwierig. Denn was bei der einen Person gegen die Beschwerden hilft, lindert sie nicht zwangsläufig bei einer anderen. Grundsätzlich konnten jedoch bei vielen Probiotika positive Effekte bei Beschwerden wie Verstopfungen, Blähungen, Bauchschmerzen sowie Stuhlfrequenz und Konsistenz beobachtet werden.

Das sind die besten Probiotika bei einem Reizdarm – die Nummern bezeichnen dabei den jeweiligen Stamm der Bakterienart:

  • Bacillus coagulans (MTCC 5856)

  • Bifidobacterium infantis (35624)

  • Bifidobacterium longum (NCC3001)

  • Bifidobacterium animalis (DN 173010)

  • Bifidobacterium bifidum (MIMBb75)

  • Escherichia coli (DSM 17 252)

  • Lactobacillus plantarum (299v DSM 9843)

  • Lactobacillus brevis (KB 290)

  • Lactobacillus acidophilus (NCFM)

  • Lactobacillus gasseri (CP2305)

  • Lactobacillus reuteri (DSM 17938)

  • Lactobacillus casei Shirota

  • Bestimmte Multispecies-Produkte, in denen also mehrere Bakterienstämme in Kombination vorhanden sind

Saccharomyces cerevisiae wird ebenfalls empfohlen. Dabei handelt es sich nicht um ein Bakterium, sondern um Backhefe. Dieser Mikroorganismus zählt zu den einzelligen Pilzen.

Tipp

Lassen Sie sich von Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin beraten, welches Nahrungsergänzungsmittel Bakterienstämme (beziehungsweise die Backhefe) enthält, die für Ihre Symptomatik vermutlich am sinnvollsten wären. Bei Lebensmitteln wie Joghurt ist die genaue Zusammensetzung der enthaltenen Probiotika für Verbraucher:innen normalerweise nicht ersichtlich.

Welche Probiotika helfen bei Reizdarm mit Durchfall?

Verschiedene Studien belegen, dass die genannten Bakterienstämme gegen typische Reizdarmbeschwerden helfen können. Doch fehlen nach wie vor umfassende Studienergebnisse darüber, welche Probiotika gegen welche Einzelsymptome wie zum Beispiel Durchfall wirken. In den Studien mit den Bakterienstämmen Lactobacillus brevis (KB 290), Lactobacillus gasseri (CP2305) und Bacillus coagulans (MTCC 5856) zeigte sich jedoch bei den Probanden mit Durchfall eine verbesserte Stuhlkonsistenz.

Was ist bei der Einnahme von Probiotika bei einem Reizdarm zu beachten?

In der Regel ist die Einnahme von guten Probiotika bei einem Reizdarmsyndrom unbedenklich und selten treten Nebenwirkungen auf. Dennoch sollten Betroffene Rücksprache mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin halten, bevor sie sich für Nahrungsergänzungsmittel mit Probiotika entscheiden. Auch deshalb, weil die Wirksamkeit von Probiotika von der Art und Dosierung abhängt. Die Einnahme von Probiotika bei einem Reizdarm sollte außerdem nur dann über einen längeren Zeitraum erfolgen, wenn die Behandlung anschlägt.

Quellen
  • Update S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom, in: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
  • Kleine Helfer auf Umwegen - Darmbakterien haben ungeahnte Fähigkeiten, in: Bundesministerium für Bildung und Forschung
  • Was hilft bei Reizdarm - und was nicht?, in: gesundheitsinformation.de