Polyzystisches Ovar-Syndrom (PCOS) – wenn männliche Hormone den Frauenkörper attackieren
Haare oberhalb der Lippen, Haare im Nacken, Haare auf den Oberschenkeln. Wenn bei Frauen zu viele männliche Hormone im Körper vorhanden sind, verursacht das bei ihnen meistens Entsetzen. Für viele Frauen, die vom PCOS betroffen sind, ergeben sich neben den kosmetischen Auswirkungen noch ganz andere Probleme: Sie können nicht schwanger werden. Die Überzahl männlicher Hormone löst im Körper eine Vielzahl an Reaktionen aus, die u.a. einen Eisprung verhindern. Lesen Sie hier, welche Wirkstoffe laut Studien das PCOS am wirksamsten bekämpfen.

Symptome beim PCOS: Starker Haarwuchs und unregelmäßige Monatsblutung
Wenn der eigene Körper plötzlich „männliche“ Veränderungen zeigt, ist das für die meisten Frauen ein Schock. Beim Blick in den Spiegel fällt auf, dass ihnen Haarstoppel über der Oberlippe wachsen. Ähnlich wie bei Männern neigt die Gesichtshaut eher zu Akne und sie fettet schneller. Die Behaarung im Intimbereich fällt üppig aus und kann sich bis auf die Oberschenkel ausbreiten. Feine schwarze Härchen sprießen rund um die Brustwarzen. Viele dieser Frauen haben einen unregelmäßigen Zyklus. Ihre Monatsblutung kommt nicht wie bei gesunden Frauen etwa alle 27 Tage, sondern alle 40 Tage oder auch nur zwei Mal im Jahr.
Pinzetten, Rasierer und Wachsstreifen reichen in den überwiegenden Fällen nicht aus, um die Haare zufriedenstellend zu entfernen. Über der Lippe bleibt ein „Bartschatten“ zurück. Der Nacken und die Oberschenkel müssen alle zwei Tage rasiert werden – viele Frauen sind davon genervt.
Die genannten Symptome deuten auf eine hormonelle Erkrankung hin, die kurz PCOS bzw. auch PCO heißt. Die Abkürzung steht für das „Polyzystisches Ovar-Syndrom“ (englisch: „polycystic ovary syndrome”). Die Bezeichnung der Erkrankung ist medizinisch nicht korrekt, denn anders als es der Begriff vermuten lässt, entstehen bei dem Krankheitsbild keine Zysten. Vielmehr bilden sich viele kleine Eibläschen (Follikel) um den Eierstock (Ovar). Zusätzlich entsteht rund um den Eierstock eine Kapsel aus Bindegewebe, die gemeinsam mit den zahlreichen Eibläschen einen Eisprung erschwert.
Sollte es trotz der immens erschwerten Bedingungen zu einer Befruchtung der Eizelle durch ein Spermium kommen, scheitert eine Schwangerschaft häufig an der beim PCOS veränderten Gebärmutterschleimhaut. Aufgrund der hormonellen Störungen im weiblichen Körper konnte sich diese nicht vollständig entwickeln. Eine Einnistung der befruchteten Eizelle ist nahezu unmöglich.

Etwa fünf Prozent der Frauen in Deutschland sind von der Erkrankung betroffen, meist Frauen zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr. Die Symptome der Krankheit sind medizinisch nicht einheitlich definiert. Viele Frauen mit PCOS stören sich an ihrem starken Haarwuchs und dem fettigen Hautbild. Mediziner sprechen in diesem Zusammenhang von einer sogenannten „Androgenisierung“, einer stattfindenden Vermännlichung des Frauenkörpers. Auch im weiblichen Körper sind männliche Geschlechtshormone (Androgene) enthalten. Sobald diese überhandnehmen, entsteht ein Ungleichgewicht zwischen männlichen und weiblichen Hormonen.
Als Folge kann es zu einem starken Haarwuchs kommen, Mediziner sprechen in diesem Fall von „Hirsutismus“. Darüber hinaus leiden viele Frauen unter einem sichtbaren Kopfhaar-Ausfall, der „Alopezie“. Ähnlich wie bei Männern äußert sich dieser in Form von „Geheimratsecken“ (kahle Stellen an den Schläfen) sowie lichten Stellen am Hinterkopf.

Für viele Frauen entsteht neben den ästhetischen Auswirkungen ein ganz anderes Problem: Sie können nicht schwanger werden. Beim PCOS bleibt in den überwiegenden Fällen der Eisprung aus, sodass trotz regelmäßigen Geschlechtsverkehrs keine Befruchtung erfolgt. Weil keine Eizelle durch den Eileiter der Frau wandert, kann sie von keinem Spermium befruchtet werden.
Psychische Leiden beim PCOS sind häufig groß
Viele Frauen mit PCOS leiden psychisch unter der Erkrankung. Sie fühlen sich nicht weiblich genug, unattraktiv und ziehen sich häufig aus ihrem sozialen Umfeld zurück. Wenn Freundinnen schwanger werden, ist das Leid für die Betroffenen umso größer.
PCOS-Diagnose: Gynäkologen, Hautärzte und Endokrinologen sind die richtigen Ansprechpartner
Die Erkrankung ist in den meisten Fällen medizinisch erfolgreich behandelbar. Aktuell gibt es allerdings keinen PCOS-Test, der ähnlich wie ein Schwangerschaftstest anzeigt, ob eine PCOS-Erkrankung vorliegt oder nicht. Für die Erstanamnese können betroffene Frauen sich an Ärzte mehrerer Fachrichtungen wenden: Allgemeinmediziner, Frauen- und Hautärzte sowie Endokrinologen (Spezialisten für Hormonerkrankungen).

Die Diagnose des PCO-Syndroms verläuft mehrstufig. Zunächst wird der Mediziner die Patientin in einem Gespräch zu folgenden Punkten befragen:
- Wann war der Beginn der ersten Periode?
- Wie regelmäßig verläuft der Menstruationszyklus?
- Wie stark veränderte sich der Körper während der Pubertät?
- Gibt es in der Familie ähnliche Probleme mit übermäßigem Haarwuchs, unregelmäßiger Periode etc.?
In einem zweiten Schritt wird sich der Arzt das Hautbild der Patientin näher ansehen und auf Auffälligkeiten prüfen, etwa Akne und starke Körperbehaarung. Das Körpergewicht ist in diesem Zusammenhang ebenfalls entscheidend, weil rund 70 Prozent der Frauen mit dem PCO-Syndrom übergewichtig sind. Eine Verminderung des Gewichts verbessert in den überwiegenden Fällen die Symptome.
Im Anschluss wird der Mediziner eine Blutuntersuchung durchführen, um insbesondere die Konzentration von männlichen Hormonen zu überprüfen. Eine Untersuchung der Schilddrüsenhormone wird ebenfalls nötig, da eine Mehrheit der PCOS-Patientinnen an einer Art der Schilddrüsenentzündung leidet („Hashimoto-Thyreoiditis“). Hierbei kann es zu einer Schilddrüsenunterfunktion kommen, die Zyklusstörungen begünstigt und daher einen unerfüllten Kinderwunsch verursachen kann. Sämtliche Untersuchungen dienen überdies dazu, weitere Erkrankungen auszuschließen, etwa jene der Hirnanhangdrüse, der Nebenniere und der Eierstöcke.
In Deutschland gibt es medizinische Zentren, die sich auf die Behandlung von Patientinnen mit PCO-Syndrom spezialisiert haben. Hierzu zählen u.a. die Unikliniken in Aachen, Dresden, Essen, Hannover, Lübeck und Münster. Da das PCOS eine komplexe Erkrankung ist, die insbesondere bei einem Kinderwunsch umfangreiche Behandlungsmaßnahmen erfordert, empfiehlt es sich, einen Spezialisten aufzusuchen, der die Diagnose erstellt und entsprechende Behandlungsschritte einleitet.
Ursachen von PCOS: Gene und hormonelle Störungen lösen offenbar Krankheit aus
Die Ursachen für das PCOS sind abschließend wissenschaftlich nicht geklärt. Mediziner vermuten, dass es zwei Hauptauslöser gibt: eine genetische Veranlagung und hormonelle Störungen.
Das PCO-Syndrom wird in vielen Fällen von Generation zu Generation vererbt wird. Mütter, die von der hormonellen Störung betroffen waren, vererben für gewöhnlich die entsprechenden Gene an ihre Töchter. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Töchter daran erkranken, liegt laut Medizinern bei 50 Prozent.
PCOS: Beeinträchtige Insulin-Werte führen zu einem Anstieg von Testosteron und Fettgewebe
Bei rund 60 Prozent der Frauen mit PCOS ist Insulin in erhöhter Konzentration vorzufinden, da sie die sogenannte „Insulinresistenz“ aufweisen. Diese betrifft schwerpunktmäßig Menschen, die Diabetes Typ II bzw. Vorstufen hiervon haben. Neben weiteren körperlichen Prozessen kommt es zu einer Verwertungsstörung von Glukose, sodass eine vermehrte Ausschüttung von Insulin stattfindet (Hyperinsulinismus).
Daraus ergeben sich u.a. zwei Wirkmechanismen: Die Bildung von Testosteron in den Eierstöcken wird angeregt und das Fettgewebe vermehrt sich. Letzteres erklärt sich daraus, dass Insulin dem Körper signalisiert, dass eine Notsituation bevorsteht. Dadurch kommt es zu einer Energiespeicherung bzw. einer Fettanreicherung, die eine Gewichtszunahme bewirkt.
Testosteron wiederum verursacht mit weiteren Androgenen, dass sich kleine Bläschen um die Eierstöcke der Frau anordnen. Die auch als „Polyzystische Ovarien“ bezeichneten Bläschen verharren in einem gewissen Entwicklungsstadium, sodass seltener bis gar nicht ein Eisprung erfolgt. Aufgrund der fehlenden Befruchtung bleibt der Kinderwunsch unerfüllt.
PCOS-Behandlung: Ausschlaggebend ist, ob die Frau einen Kinderwunsch hat

Wie wird das PCO-Syndrom behandelt? Die medizinischen Schritte richten sich danach, ob die Patientin schwanger werden möchte oder ob es sich bei ihrer Erkrankung vordergründig um ein kosmetisches Problem handelt. Bei letzterem wird ein Gynäkologe entsprechende Präparate verschreiben, die die männlichen Hormone im Körper unterdrücken. Dazu gehören Anti-Baby-Pillen, die Gestagen enthalten. Gleichzeitig werden durch die Einnahme der „Pille“ die weiblichen Hormone-Spiegel im Körper erhöht. Nach regelmäßiger Anwendung beobachten viele Frauen, dass sich ihr unerwünschtes Haarwachstum reduziert.
Sollten weiterhin ästhetische Probleme im Folge des PCO-Syndroms bestehen, können entsprechende kosmetische Eingriffe vorgenommen werden, die vorzugsweise in einer Hautarztpraxis von geschulten Personal erfolgen sollten. Die Wirkung einer Laser-Therapie wird laut Studien verbessert, wenn eine Creme mit dem Wirkstoff „Eflornithin“ eingesetzt wird. Diese sollte über einen Zeitraum von sechs Monaten zwei Mal am Tag auf die entsprechenden Hautpartien aufgetragen werden. Die Creme ist in Deutschland verschreibungspflichtig.
Das PCO-Syndrom erhöht das Risiko für weitere Krankheiten
Selbst wenn Frauen nicht schwanger werden wollen und sich an den kosmetischen Problemen nicht stören, sollten sie einen Mediziner aufsuchen, um Folgeerkrankungen zu verhindern. Untersuchungen belegen, dass das PCOS das Risiko für diverse Krankheitsbilder erhöht, dazu zählen u.a. Gebärmutterschleimhautkrebs, Diabetes mellitus Typ II, Bluthochdruck und Herzerkrankungen.
Schwanger werden trotz PCOS: Mediziner empfehlen Sport und gesunde Ernährung

Wenn eine Frau trotz PCO-Syndrom schwanger werden möchte, ist die Behandlung umfangreicher und für die Frauen beschwerlicher. Mediziner raten ihren Patientinnen u.a. zu einer Änderung des Lebensstils, da Übergewicht und Bewegungsmangel die Symptome verschlimmern können. Laut Ärzten reicht eine Gewichtsreduktion von fünf Prozent bereits dazu aus, den Hormonhaushalt zu verbessern. Betroffene Frauen sollten ihr Gewicht kontinuierlich und langsam verlieren. Ein schnelles und radikales Abnehmen birgt zusätzliche Risiken, etwa Kreislaufprobleme, Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten.
Eine Verringerung des Gewichts ist gerade deswegen so wichtig, weil dadurch die Insulinresistenz gebessert werden kann. Durch körperliche Bewegung reagieren die Muskelzellen empfindlicher auf Insulin, sodass der Blutzucker sinkt. Mediziner warnen jedoch davor, einen unerfüllten Schwangerschaftswunsch allein auf ein erhöhtes Gewicht zurückzuführen. Auch normalgewichtige Frauen können am PCOS erkranken und unfruchtbar sein.
Beim PCOS soll der Eisprung künstlich stimuliert werden

Neben der Änderung des Lebensstils versuchen Mediziner, den Eisprung der Frau künstlich anzuregen (Ovulationsinduktion). Hierfür wird seit Jahren erfolgreich der Wirkstoff „Metformin“ eingesetzt. Während der Anwendung normalisiert sich für gewöhnlich der Zyklus. Die Chance, schwanger zu werden, steigt.
In Deutschland ist der Wirkstoff allerdings offiziell ausschließlich zur Behandlung des Typ-II-Diabetes zugelassen und nicht im Kontext der PCOS-Erkrankung („Off-Label-Use“). In den meisten Fällen übernehmen die Krankenversicherungen daher nicht die Kosten.
Neben der beschriebenen Wirkung auf den weiblichen Eisprung besitzt Metformin weitere positive Auswirkungen. Es blockiert die Produktion des männlichen Hormons Testosteron und bremst die Insulinausschüttung. Dadurch sinkt das Hungergefühl, abzunehmen fällt leichter.
Schwangere Frauen mit dem PCOS haben ein erhöhtes Risiko für weitere Krankheiten
Sollte es nach einer Behandlung tatsächlich zu einer Schwangerschaft kommen, sind Vorsichtsmaßnahmen notwendig. Die Patientin wird für gewöhnlich häufiger untersucht. Ihr Risiko, eine Gestose oder Frühgeburt zu erleiden bzw. an einer Schwangerschaftsdiabetes oder Präeklampsie zu erkranken, ist deutlich höher als bei gesunden Frauen. Viele Frauenärzte führen beispielsweise einen Blutzuckertest im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge bei PCOS-Patientinnen früher durch als bei unauffälligen Patientinnen.
Wenn die PCOS-Behandlung nicht erfolgreich verläuft, helfen Beratungsstellen

Das Beratungsnetzwerk Deutschland ist Anlaufstelle für Pärchen, die wegen des PCO-Syndroms keine Kinder bekommen können. Dort arbeiten psychologisch geschulte Fachleute, die sich auf die Beratung von Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch spezialisiert haben. Nähere Informationen unter: www.bkid.de. Darüber hinaus gibt es landesweit in großen Städten Anlaufstellen und Selbsthilfegrippen.
Vorbeugung: Sport und ausgewogene Ernährung
In zweierlei Hinsicht können Frauen die Schwere des Krankheitsverlaufs beeinflussen: Zunächst empfiehlt es sich, frühzeitig einen Mediziner aufzusuchen, damit sich die Symptome nicht verschlimmern. Darüber hinaus hat die Lebensführung entscheidende Auswirkungen: Ärzte raten Patientinnen zu sportlicher Bewegung: 30 Minuten am Tag reichen hierfür schon aus. Wer nach der Arbeit mit dem Bus nach Hause fährt, steigt am besten schon drei Stationen vorher aus und geht den Weg zu Fuß. Ein flotter Spaziergang um den Wohnblock oder im Park hat einen ähnlich positiven Einfluss. Sportliche Bewegung und eine angemessene Kalorienzufuhr können eine Besserung der Insulinresistenz und eine Abnahme der Testosteron-Werte bewirken.
Israelische Studie: reichhaltiges Frühstück fördert Eisprünge
Eine Studie aus Israel brachte darüber hinaus entscheidende Hinweise: Teilnehmerinnen der wissenschaftlichen Untersuchung hatten häufiger Eisprünge, wenn sie morgens üppig frühstückten. Die Frauen-Gruppe, die hingegen abends die Hauptmahlzeit zu sich nahm, hatte vergleichsweise weniger Eisprünge. Die Wissenschaftler empfehlen daher Frauen mit Kinderwunsch, morgens ein reichhaltiges Frühstück zu sich zunehmen, um die Häufigkeit der Eisprünge zu erhöhen. Dadurch verringern sich überdies die Testosteron-Werte und die Insulinresistenz. In der Versuchsreihe nahmen die Frauen, bei denen das Frühstück die Hauptmalzeit darstellte, morgens 980 Kalorien ein. Also zum Beispiel eine Schale Müsli mit Milch (ca. 215 kcal), eine Scheibe Schwarzbrot mit Butter und Gouda (215 kcal), ein Marmeladenbrötchen (470 kcal) und dazu ein Glas Orangensaft (85 kcal). Laut den Wissenschaftlern gelang es durch die Studie erstmals, einen Zusammenhang zwischen PCOS und der Kalorienmenge sowie dem Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme aufzuweisen.