Polyphasischer Schlaf: Ist Intervallschlafen gesund?

Polyphasischer Schlaf ist eine Schlafmethode, die die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit verbessern soll. Dabei schläft man in kurzen Intervallen. Was genau steckt dahinter? Und wie gesund ist polyphasisches Schlafen?

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Polyphasischer Schlaf, auch Intervallschlafen genannt, bezeichnet einen Schlafrhythmus, der aus mehreren kurzen Zyklen besteht. Vor allem Sportler nutzen die Methode zur Leistungssteigerung. Warum polyphasisches Schlafen dabei helfen soll und ob dieser Rhythmus gesundheitlich unbedenklich ist.

Frau schläft auf demSofa
Ein Powernap kann guttun – aber wie gesund sind viele Nickerkchen? Foto: iStock/agrobacter

Polyphasischer Schlaf – was ist das?

Bei dem polyphasischen Schlaf handelt es sich um eine Technik, bei der nicht mehrere Stunden am Stück, sondern in kurzen Intervallen geschlafen wird. Es ist einer von drei Rhythmen, zwischen denen die Schlafforschung unterscheidet:

  1. Monophasischer Schlaf: Das ist die heute gängigste Art, bei der man in der Nacht durchschnittlich acht Stunden am Stück schläft und etwa 16 Stunden wach ist.

  2. Biphasischer Schlaf: Ein Nickerchen, oder auch Powernap, am Nachmittag ist hierbei gewollt; man schläft nachts etwa sechs Stunden und dann nochmal kurz am Tag. Die empfohlene Powernap-Dauer sollte dabei nicht überschritten werden, da sich dies negativ auf die Leistungsfähigkeit auswirkt.

  3. Polyphasischer Schlaf: Hier ist der Nachtschlaf deutlich kürzer bis gar nicht mehr vorhanden, je nach Konzept; dafür wechseln sich tagsüber kurze Schlafphasen ab.

Generell wird der herkömmliche Nachtschlaf, also der monophasische Schlaf, in fünf Phasen unterteilt. Jede davon dauert ungefähr 90 Minuten und beginnt mit der Ein- oder Leichtschlafphase, gefolgt von der Tiefschlafphase bis zum REM-Schlaf (Rapid Eye Movement), auch Traumschlaf genannt. Dieser gilt als besonders erholsam für das Gehirn.

Polyphasisches Schlafen will nur die REM-Phasen nutzen und die anderen Schlafphasen auslassen, sodass man insgesamt deutlich weniger schläft – im Extremfall sogar nur zwei Stunden am Tag.

Wofür soll das Intervallschlafen gut sein?

Anhänger schwören auf die Methode, denn sie soll mehr Energie bringen und leistungssteigernd wirken. Daher setzen auch viele Sportler darauf: So soll polyphasischer Schlaf auch Ronaldo, dem portugiesischen Fußballer, helfen: Um nie in ein müdigkeitsbedingtes Leistungsloch zu fallen, schläft Ronaldo nachts nicht durch, sondern über den Tag verteilt in fünf Einheiten von je 90 Minuten. Außerdem spart man der Theorie nach viel Zeit, die man anderweitig nutzen kann. Immerhin verschläft man rund ein Drittel seines Lebens.

Dass sich der Schlafrhythmus im Laufe des Lebens verändert, ist ganz natürlich. Babys und Kleinkinder brauchen auch tagsüber kurze Schlafphasen. Erwachsene schlafen meist nachts mehrere Stunden am Stück – das ist auch durch unseren (beruflichen) Lebensrhythmus bedingt. Ältere und auch viele Menschen in südlichen Ländern pflegen dagegen oftmals einen biphasischer Schlaf: Die Nachtruhe ist etwas kürzer, dafür gesellt sich ein Mittagsschlaf dazu.

Der Everyman-Schlaf: Nachtschlaf plus Powernap

Das auch Jedermann-Schlaf genannte Konzept kombiniert eine kurze nächtliche Schlafphase mit mehreren kurzen Schlafintervallen am Tag. Er lässt sich am ehesten in den Alltag integrieren.

Dabei gibt es folgende Möglichkeiten:

  • 4,5 Stunden Nachtschlaf und zwei Nickerchen à 20 Minuten

  • Nachtschlaf von 3 Stunden und drei 20-minütige Powernaps

  • 1,5 Stunden Nachtschlaf und vier bis fünf Nickerchen von jeweils 20 Minuten Länge

Dadurch kann man die Gesamtschlafzeit im extremsten Fall auf etwa drei Stunden verkürzen.

Der Überman-Schlaf: Sechs Nickerchen

Nach diesem „Übermensch“-Konzept wird der Polyphasenschlaf auf sechs Phasen à 20 Minuten begrenzt. Alle vier Stunden sollte man dabei einen Powernap einplanen. Insgesamt kommt man so auf eine Schlafdauer von zwei Stunden täglich. Dies soll ausreichen, um Körper und Geist genügend Erholung zu geben.

Ausschlaggebend dafür ist jedoch, dass man tatsächlich sofort in den REM-Schlaf kommt. Gelingt dies, kann man der Theorie nach die maximale Anzahl von REM-Phasen bei möglichst wenig Gesamtschlaf erreichen. „Erfinderin“ dieses Modells ist eine US-Bloggerin namens Marie, die vor rund 20 Jahren als Experiment sechs Monate in diesem Rhythmus geschlafen haben soll.

Dymaxion: Schlafen streng nach Plan

Der Dymaxion-Schlaf ähnelt dem Überman-Schlaf, er besteht allerdings aus vier Schlafphasen zu je 30 Minuten. Der Name ist eine Zusammensetzung aus den englischen Wörtern Dynamic (Dynamik), Maximum und Tension (Spannung), übersetzt etwa „dynamische maximale Spannung“. Dieser Begriff wird auch in der Architektur bzw. Statik verwendet und beschreibt hier, wie stark ein Bauteil belastet werden kann, bevor es beschädigt wird. Auf den Schlaf bezogen, beschreibt er die extremen Anforderungen an den Körper.

Voraussetzungen für polyphasischen Schlaf

Wichtig ist bei allen Methoden, dass man die Schlafintervalle und -länge diszipliniert einhält. Polyphasischer Schlaf nach Plan ist die Voraussetzung, sonst gerät die innere Uhr schnell wieder aus dem Takt; ein drastischer Leistungsabfall ist die Folge. Man sollte sich zudem bewusst machen, dass eine Eingewöhnungsphase von zwei bis drei Wochen nötig ist, in der man übermüdet und gereizt ist, sich kraft- und energielos fühlt und sich schlecht konzentrieren kann.

Zudem ist Kaffee tabu, da es aufgrund des enthaltenen Koffeins zu Einschlafproblemen kommen kann. Und auch Alkohol sollte nicht konusmiert werden – er belastet den Körper, erhöht den Schlafbedarf und macht das Einhalten der Schlafintervalle praktisch unmöglich.

Unabdingbar ist ein Wecker. Nur so kann man die Schlaf- und Wachphasen steuern und das polyphasische Konzept umsetzen. Wichtig ist auch, dass ein ruhiger Ort zum Schlafen zur Verfügung steht; helfen können eine Schlafbrille und Ohrstöpsel.

Ist polyphasischer Schlaf gesund? Die Nachteile

Kritiker:innen warnen, dass dieser verkürzte und unterbrochene Schlafrhythmus nicht der menschlichen Natur entspricht. Natürlicherweise ist der Mensch tagaktiv, der biologische Schlaf-Wach-Rhythmus wird von Helligkeit und Dunkelheit gesteuert. Schon in den 1970er Jahren hat die Schlafforschung bestätigt, dass Menschen zwei Drittel des Tages wach sind und ein Drittel der Zeit schlafen.

Expert:innen zweifeln daran, dass man bei einem 20- oder 30-minütigen Powernap direkt in die Traumschlaf übergehen kann. Außerdem besteht erholsamer Schlaf nicht nur aus der REM-Phase, sondern auch aus der Tiefschlafphase. Darüber hinaus haben Forschungen ergeben, dass sich das Verhältnis von Tief- und Traumschlaf im Laufe einer Nacht umkehrt: So ist der Tiefschlaf anfangs etwas länger als 30 Minuten, während der REM-Schlaf kürzer ist. Später werden die Tiefschlafphasen jedoch kürzer und die Traumphasen länger.

Polyphasischer Schlaf zerstört den Biorhythmus

Wird der natürliche Rhythmus durch das polyphasische Schlafen dauerhaft unterbrochen, bringt das die gesamten biologischen Prozesse im Körper durcheinander. Mediziner:innen warnen vor ernsthaften gesundheitlichen Folgen wie:

  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen

  • Stoffwechsel-Krankheiten

  • Krebs

Intervallschlafen: Wann kann man die Methode anwenden?

Bislang gibt es zum polyphasischen Schlaf keine Langzeitstudie, die die leistungsfördernde Wirkung oder gesundheitliche Schäden bestätigen könnte. Fachleute raten daher, dieses Schlafkonzept nur ausnahmsweise anzuwenden, wenn man nicht auf die empfohlenen sechs bis acht Stunden Schlaf in der Nacht kommt – etwa bei Wettkämpfen im Leistungssport oder in beruflich herausfordernden Situationen wie vor einer wichtigen Präsentation.

Besser ist es, den biphasischen Schlafrhythmus zu wählen, mit einer etwas kürzeren Nachtruhe und einem Powernap am (Nach-)Mittag. Forschende halten diese Variante für die effektivste. Außerdem passt sie auch am besten in den Alltag – streng nach Plan alle paar Stunden für 20 oder 30 Minuten zu schlafen, ist normalerweise kaum umsetzbar.

Das gilt nicht nur für den Beruf: auch das soziale Leben würde durch das Intervallschlafen leiden. Zudem stellt sich die Frage, was man nachts mit seiner Zeit anfangen will, wenn alle anderen schlafen. Aus medizinischer und sozialgesellschaftlicher Sicht ist polyphasischer Schlaf nach dem aktuellen Wissensstand also nicht zu empfehlen.

Quellen:

What Is the Limit for Prolonged Sleep Reduction? An Objective Evaluation of the Leonardo da Vinci Ultrashort Sleep Strategy in: link.springer.com

Klösch, G., Hauschild, P., Zeitlhofer, J., Klösch, G., Hauschild, P., & Zeitlhofer, J. (2020). Strategien zur Optimierung der Wachheit. Ermüdung und Arbeitsfähigkeit: Ursachen der Ermüdung und Strategien zur Optimierung der Vigilanz, 155-170.

Rak, M. (2022). Auswirkung pathologischer und gezielter Schlaffragmentierung auf das Traumverhalten (Doctoral dissertation, lmu).