Plötzlich aufgewacht – wenn Komapatienten zu sich kommen
Echtes Koma, Wachkoma oder Minimaler Bewusstseinszustand – Praxisvita erklärt, wie ein plötzliches Erwachen jederzeit möglich sein kann.
Bei einem Skiunfall im österreichischen Lech wurde Prinz Friso im Februar des Jahres 2012 unter einer Lawine begraben. Dabei erlitt er einen Herzinfarkt, minutenlang gelangte kein Sauerstoff in sein Gehirn. Friso wurde zwar schnell gefunden, er war jedoch in ein tiefes Koma gefallen. Im August 2013 ist er schließlich mit nur 44 Jahren an den Folgen der schweren Hirnschäden gestorben. Doch es gibt auch Patienten, die ein Koma überleben. Entscheidend für die Aussichten auf Heilung ist in der Regel die Art des Komas.
Das „echte" Koma
In diesem Zustand scheint das Bewusstsein der Betroffenen vollständig ausgeschaltet zu sein. Trotzdem gibt es vier verschiedene Schweregrade. Beim ersten zeigt das zentrale Nervensystem noch Reaktionen, im letzten Stadium überhaupt keine mehr. Die Ursachen reichen vom Schlaganfall über epileptische Anfälle bis zum Hirntumor. Eine Kommunikation mit dem Koma-Patienten ist nicht möglich. Aber bei vielen verbessert sich der Zustand und sie gleiten in ein Wachkoma über.
Das Wachkoma
Prinz Frisos Zustand bezeichneten Mediziner als Wachkoma (apallisches Syndrom): Die Patienten können selbstständig atmen und liegen mit offenen Augen im Bett. Sie zeigen jedoch keine bewussten körperlichen Reaktionen und müssen über eine Magensonde ernährt werden. Die Ursache ist eine Schädigung des Großhirns, das alle Sinneseindrücke verarbeitet und als Sitz des Bewusstseins gilt. Das Problem für Mediziner: Bislang konnte niemand einschätzen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Betroffener wieder aufwacht. Aber ein neu entwickeltes Verfahren macht das jetzt möglich. Den Patienten werden unsinnige Sätze wie „Paul trinkt seine Kartoffeln mit Zucker und Socken" vorgesprochen. Zeigt ein Hirnscan dabei ungewöhnliche Ausschläge, besteht eine 80-prozentige Chance auf ein späteres Erwachen. „Wir nennen es: das mentale Wie bitte? ", sagt die Neuropsychologin Inga Steppacher.

Minimaler Bewusstseinszustand
In diesem Koma-Stadium sind die Betroffenen zumindest zeitweise zu bewussten Reaktionen, beispielsweise auf Töne und Berührungen, fähig. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie wieder aufwachen und vollständig gesund werden, liegt hier auch sehr viel höher als beim Wachkoma – allerdings nur in den ersten zwölf Monaten. Dafür ist es besonders wichtig, mit den Patienten zu kommunizieren. Der Amerikaner Jim Forrester zum Beispiel war durch eine Virus-Erkrankung in ein Koma gefallen. Eine Krankenschwester bemerkte jedoch, dass der vermeintlich Bewusstlose auf ihre Ansprache reagierte. Und tatsächlich – nach einigen Tagen sagte Forrester plötzlich: „Mann, habe ich einen Durst!"
Das Locked-in-Syndrom
Es sieht aus wie ein Wachkoma, ist aber keines. Beim Locked-in-Syndrom (LiS) sind die Betroffenen bei vollem Bewusstsein, jedoch fast völlig bewegungsunfähig. So wie die Französin Laetitia Bohn-Derrien nach einem Schlaganfall. Zu ihrem Glück bemerkte ein Arzt, dass sie über Augenblinzeln kommunizieren konnte. Und gemeinsam schafften sie es, die heute 47-Jährige ins Leben zurückzuholen. Sie lernte sogar wieder gehen und sprechen. Mediziner bezeichnen ihren Fall noch immer als ein Wunder.
Pflege und Therapie
Pro Jahr fallen in Deutschland etwa 5 000 Menschen ins Wachkoma. Die Patienten brauchen neben der körperlichen Pflege vor allem emotionale Zuwendung. Der Verein „Patienten im Wachkoma" bietet eine spezielle Licht- und Wassertherapie an: Entspannungstechniken und die Bewegung in warmem Wasser sollen Heilungsprozesse in Gang setzen.
Bewusstsein vorhanden?
Computerbilder können Aufschluss darüber geben, ob Koma-Patienten noch über Bewusstsein verfügen und Heilungschancen haben. Entscheidend dafür ist, dass Verbindungen zwischen den Nervenzellen des Gehirns bestehen. Gelingt es dem Gehirn, ein halbwegs intaktes Netzwerk zu erhalten oder neu zu erschaffen, können diese Verbindungen sichtbar gemacht werden – auch dann, wenn die Patienten keine eigenen Reaktionen wie Blicke, Sprechen oder Bewegungen zeigen. Eine andere Methode, die Aufschluss über die Gehirnaktivität gibt, ist das sogenannte EEG: Elektroden am Kopf des Patienten messen die Hirnströme.
Bundesverband Schädel-Hirnpatienten in Not e.V. Deutsche Wachkoma-Gesellschaft Bayreuther Straße 33 92224 Amberg Telefonische Beratung: 0 96 21/6 36 66 Notrufzentrale: 0 96 21/6 48 00 www.schaedel-hirnpatienten.
Patienten-Vereinigung
Patienten im Wachkoma e.V. Am Heshahn 4 51702 Bergneustadt g Telefon: 0 22 61/94 94 44 Internet: www.piw-ev.de
Buchtipp
Miguel Almoril, Gegen jede Prognose: Meine Frau brachte nach einem schweren Unfall im Koma ein gesundes Kind zur Welt und kehrte zurück ins Leben. mvg-Verlag, 2012; Preis: 17,99 Euro ISBN: 978-3-86882-256-4
So äußern sich Koma-Patienten
Sprachcomputer
Auf einem Bildschirm sind Buchstaben, Bilder und Begriffe (zum Beispiel. „Schmerz") zu sehen. Eine Kamera zeichnet die Augenbewegungen des Patienten auf. Im Idealfall lernt er, den Computer mit den Augen zu steuern – und sich so mit Pflegern und Angehörigen zu verständigen.
Bilder der Hirnzellen
Forscher entwickelten ein neues Verfahren, um mit Menschen im Koma zu kommunizieren. Sie baten Patienten, sich eine körperliche Bewegung vorzustellen, um eine Frage mit „ja" zu beantworten. Computer-Scans wiesen dann Aktivität in der zugehörigen Hirnregion nach.