Das sollten Sie beachten

Pflegegrad beantragen: Gut vorbereitet sein für den Besuch des Medizinischen Dienstes

Sie wollen einen Pflegegrad beantragen? Wichtig ist bei dem Antrag auf einen Pflegegrad die richtige Vorbereitung, vor allem für die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst (MD). Denn das Pflegegutachten entscheidet darüber, welche Leistungen Hilfsbedürftige erhalten. Diese Tipps sind hilfreich, damit beim Besuch des Gutachters alles gut geht.

Pflegegrad beantragen
Wenn Sie einen Pflegegrad beantragen, sollten Sie sich für die Prüfung des Medizinischen Dienstes gut vorbereiten Foto: Halfpoint/iStock
Auf Pinterest merken

Wer einen Pflegegrad beantragen möchte, sollte sich vorher über die Voraussetzungen gut informieren und vorbereiten. Schließlich bestimmt die Höhe des Pflegegrades, auf wie viel Geld und Sachleistungen der Pflegebedürftige Anspruch hat. Seit Januar 2017 gibt es statt der bisherigen drei Pflegestufen fünf Pflegegrade. Bei diesen werden nicht mehr nur körperliche, sondern auch seelische Einschränkungen sowie Demenz stärker berücksichtigt.

Entscheidend dafür, ob man einen Pflegegrad erhält und wie hoch dieser ausfällt, ist das Gutachten des Medizinischen Dienstes (MD), früher "MDK", bzw. bei Privatversicherten Medicproof. Welche Punkte Sie beim Antrag auf Pflegegeld berücksichtigen sollten und was es braucht, um beim Besuch des Gutachters gut vorbereitet zu sein.

Pflegegrad beantragen: Welche Leistungen brauche ich?

Das fängt schon damit an, dass man bereits bei der Antragstellung überlegt, welche Leistungen die Pflegekasse übernehmen sollte, wie zum Beispiel Kosten für Pflege, Betreuung und Behandlungspflege. „Die meisten Antragsteller beantragen Pflegegeld, wenn von Angehörigen gepflegt wird", wie Raquel Reng, Beraterin für Sozialversicherungsrecht bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD), erklärt. "Es gibt aber auch die Möglichkeit, Pflegesachleistungen (Pflegedienst) oder eine Kombination aus Pflegegeld und Sachleistungen zu beantragen.“ Deshalb sollte man sich vor der Beantragung darüber im Klaren sein, welche Leistungen für die Pflegebedrüftigkeit infrage kommen könnten.

Antragssteller haben Anspruch auf Beratung

Wichtig zu wissen: Wer Pflegegeld beantragt, hat Anspruch auf eine Beratung. Demnach muss die Pflegekasse Ihnen verpflichtend einen Ansprechpartner für die Beratung nennen – und zwar innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags. Möglich ist es aber auch, sich an eine Pflegeberatungsstelle zu wenden.

In der Datenbank des "Zentrums für Qualität in der Pflege" können Sie Beratungsangebote in der Nähe finden. Privatversicherte finden hier weitere Informationen zur Pflegeberatung. Auch die Verbraucherzentrale hat einen Ratgeber zu diesem Thema herausgebracht.

Antrag auf Pflegegeld: So ist der Ablauf beim Erstantrag

Sie haben drei Möglichkeiten, den Antrag auf Pflegeleistungen zu stellen: Entweder schriftlich per Brief, am Telefon oder über einen Pflegestützpunkt.

  1. Pflegeantrag telefonisch stellen: Sie oder ein Angehöriger rufen bei Ihrer Pflegekasse an. Ihre Pflegeversicherung gibt Ihnen Auskunft, welche Kasse für Sie zuständig ist. Der Nachteil ist allerdings, dass Sie nach dem Telefon nicht nachweisen können, wann Sie den Antrag gestellt haben. Nach dem Telefonat erhalten Sie ein Formular, dass Sie, ein Bevollmächtigter ein gesetzlicher Betreuer ausfüllen müssen. Dann schicken Sie das Formular unterschrieben zurück an die Pflegekasse. Anschließend meldet sich der MD, um einen persönlichen Termin für die Begutachtung zu vereinbaren.

  2. Pflegeantrag schriftlich stellen: Statt die Pflegekasse anzurufen, können Sie auch einfach einen formlosen Antrag auf Pflegeleistungen stellen. Diesen schicken Sie an die Kasse per Brief. Einen Musterantrag stellt zum Bespiel die Verbraucherzentrale bereit.

  3. Pflegeantrag über Pflegestützpunkt stellen: Wenn Sie den Antrag nicht alleine stellen möchten, besteht die Möglichkeit, einen Pflegestützpunkt aufzusuchen. Hier erhalten Sie eine Beratung und können vor Ort direkt den Antrag stellen.

Tipp: Die Verbraucherzentrale stellt auf ihrer Website eine Ausfüllhilfe für den Pflegegrad-Antrag zur Verfügung.

Nach der Antragsstellung: MD-Termin vereinbaren

Wenn der Antrag bei der Pflegekasse eingegangen ist, beauftragt die Kasse den Medizinischen Dienst, damit dieser die Pflegebedürftigkeit feststellen kann. Der Besuch wird rechtzeitig angekündigt, damit Sie und Ihre Angehörigen ausreichend Zeit für die Vorbereitung haben.

Wenn ein Termin aus dringlichen Gründen nicht wahrgenommen werden kann, sollte er verschoben werden. Nach der Terminabsage kann es sein, dass ein erneuter Termin ggf. mit Wartezeit verbunden ist.

Antrag auf Pflegegeld: Gut vorbereitet für den Gutachter

Ist der Antrag für den neuen Pflegegrad gestellt und der Gutachter-Termin steht an, sollte die Pflegeperson beziehungsweise alle Pflegepersonen auf jeden Fall anwesend sein, um zu unterstützen. Ist dies nicht möglich, sollte der Termin lieber verschoben werden, da der Pflegebedürftige keinesfalls allein dastehen sollte.

Sinnvoll ist es auch, mindestens eine bis zwei Wochen vor dem Termin ein Pflegetagebuch zu führen, in dem man alle pflegerischen Tätigkeiten notiert, die nötig sind. Denn ansonsten werden oft die vielen kleinen, selbstverständlichen Hilfestellungen übersehen, die zur Feststellung und Einstufung der Pflegebedürftigkeit wichtig sind. „Dabei darf man Tätigkeiten wie Begleitung, Anleitung und Beaufsichtigung nicht vergessen“, betont Reng. „Beispielsweise können viele Menschen mit Demenz zwar bewegungstechnisch gesehen noch selbst essen, vergessen es aber ohne Anleitung einfach.“ Am einfachsten ist es, wenn man dafür einen Vordruck verwendet. Viele Pflegekassen geben einen solchen aus, ansonsten findet man auch Vordrucke im Internet unter dem Suchwort Pflegetagebuch.

Diese Unterlagen sind zudem wichtig:

  • Ärztliche Befunde

  • Aktuelle Entlassungsberichte, zum Beispiel aus der Reha

  • Bescheinigung über Schwerbehinderung (sofernvorhanden)

  • Dokumentation zur Pflege von bisherigen ambulanten Pflegediensten (sofern vorhanden)

  • Aufstellung über benötigte Hilfsmittel (Brille, Rollator, usw.)

  • Medikamenten-Aufstellung

Pflegegrad beantragen
Ein gut geführtes Pflegetagebuch erleichtert dem Gutachter die Einschätzungd der Hilfsbedürftigkeit Foto: Obencem/iStock

Pflegegrad beantragen: Dinge, die Sie bei dem MD-Besuch nicht tun sollten

Zu viel Vorbereitung ist jedoch auch nicht ratsam: „Der Pflegebedürftige sollte sich in einer typischen Alltagssituation befinden und sich nicht extra ,fein‘ machen“, rät die Expertin. Wenn also der Termin morgens um acht Uhr stattfindet und der Antragsteller dann normalerweise im Bademantel auf dem Sofa liegt, solle das auch genau so sein, um ein realistisches Bild zu zeigen.

„Das ist manchmal etwas schwer zu vermitteln, weil die Pflegebedürftigen natürlich ihren Stolz haben. Aber der ist in diesem Fall kontraproduktiv. Man sollte auch nicht speziell putzen oder aufräumen.“ Wollen Sie einen Pflegegrad beantragen, sei es insgesamt wichtig, alle Angaben so korrekt wie möglich zu machen – und eine mögliche Scham zu überwinden.

Diesen Kriterien entscheiden über den Pflegegrad

Ein Problem, das häufig auftaucht, ist laut Raquel Reng ein falsches Verständnis des Begriffs Pflegebedürftigkeit und die Abgrenzung zu Krankheit oder Behinderung: „Viele Betroffene verweisen auf ärztliche Befunde oder ihren festgestellten Behinderungsgrad und wundern sich, dass sie keinen Pflegegrad bekommen“, weiß die UPD-Beraterin. „Doch es kommt nicht auf die Einschränkung der Lebensqualität, sondern auf den Grad der Selbstständigkeit an. So braucht zum Beispiel ein fitter Rollstuhlfahrer mit behindertengerechter Wohnung, der sich selbst versorgen kann, keine Pflege – trotz starker Behinderung.“

Man sollte deshalb bei der Begutachtung nicht nur auf bestehende Probleme hinweisen, sondern den Fokus darauf legen, welche Hilfe von Dritten wegen dieser Probleme nötig wird. Das ist besonders bei den Begutachtungsmodulen wichtig, in denen es um die geistigen Fähigkeiten und die Psyche geht. Hat ein Hilfsbedürftiger beispielsweise starke Ängste, sollte man dies nicht nur sagen, sondern auch erklären, dass er deswegen nachts aufwacht und beruhigt werden muss, wenn man den Pflegegrad beantragt.

Insgesamt gibt es bei der Begutachtung sechs Lebensbereiche, Module genannt, die eine wichtige Rolle bei der Bestimmung des Pflegegras spielen:

  1. Modul "Mobilität": Damit ist der Grad der Selbstständigkeit gemeint, zum Beispiel beim Sitzen, Treppensteigen oder Umdrehen im Bett.

  2. Modul "Geistige und kommunikative Fähigkeiten": Dabei geht es um die zeitliche und örtliche Orientierung der pflegebedürftigen Person. Weitere Punkte sind zum Beispiel das Erkennen von Personen und Erinnerungen an wichtige Ereignisse im Leben

  3. Modul "Verhalten und Psyche": Verhällt sich der betroffene auffällig? Besteht eine nächtliche Unruhe? Kommt es bei der Person zu Aggressionen oder selbstschädigendem Verhalten? All das sind Punkte, die in diesem Modell beurteilt werden.

  4. Modul "Selbstversorgung": Damit ist die alltägliche Körperpflege wie Zähneputzen oder Waschen gemeint. Das Modul umfasst auch das Zubereitung von Mahlzeiten und den Toilettengang.

  5. Modul "Umgang mit Krankheit und Therapie": Nimmt die betroffene Person ihre Medikamente regelmäßig ein? Kümmert sie sich um Arztbesuche und setzt sie den ärztlichen Rat um? Diese Fragen sind zum Beispiel Bestandteile des Moduls.

  6. Modul "Alltagsgestaltung und soziale Kontakte": Ob die pflegebedürftige Person seine Kontakte pflegt und der Tagesablauf gestaltet ist, sind Punkte, die der Gutachter hier evaluiert.

„Eine sehr gute Vorbereitung ist es, sich die Internetseite des MD anzusehen. Da ist besonders der Expertenbutton interessant, wo erklärt wird, wie die Begutachtung nach dem neuen Recht abläuft“, meint die Pflegeexpertin. Dort gibt es auch alle im Gutachten gestellten Fragen zum Download. So weiß man genau, was auf einen zukommt.

So fielen die MD-Gutachten 2020 aus

In 2020 haben die Gutachter des MD insgesamt 2.339.000 Pflegegutachten erstellt. So fiel die Beurteilung aus:

  • kein Pflegegrad: 8,5 Prozent

  • Pflegegrad 1: 15,9 Prozent

  • Pflegegrad 2: 30,2 Prozent

  • Pflegegrad 3: 24,5 Prozent

  • Pflegegrad 4: 14,1 Prozent

  • Pflegegrad 5: 6,8 Prozent

Pflegestufe beantragen: Rechte und Pflichten während des MD-Besuchs

Bei der Begutachtung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit ist zunächst einmal Kooperation gefragt, wenn Sie einen Pflegegrad beantragen. Das bedeutet, dass es dem Gutachter ermöglicht werden muss, sich ein Bild von den Räumlichkeiten zu machen und Fragen zum Gesundheitszustand des Antragstellers zu stellen. Diese sollten dann ehrlich beantwortet werden. Ebenso muss dem Besuch gestattet werden, einfache Untersuchungen und Tests durchzuführen und bei einer typischen Pflegesituation zuzuschauen.

Nicht hinzunehmen ist dabei allerdings eine Verletzung der Intimsphäre – beispielsweise durch vollständiges Entkleiden. Ebenso steht dem Gutachter kein Einblick in die finanziellen Verhältnisse des Pflegebedürftigen zu. Andererseits haben Antragsteller beziehungsweise die pflegende Person das Recht, den Gutachter Verschiedenes zu fragen, etwa aus welchen Gründen er bestimmte Tests durchführt. Besonders wichtig ist es, den Besucher auf die entscheidenden Schwierigkeiten hinzuweisen, damit nicht Wesentliches übersehen wird. Außerdem sollte man darauf bestehen, dass diese Angaben im Gutachten notiert werden.

Wichtig: Es ist sinnvoll, sich schon während des Besuchs und auch danach eigene Notizen zum Ablauf zu machen – beispielsweise über Dauer, Umfang und Gründlichkeit der Begutachtung. Das kann später wertvolle Hinweise auf mögliche Ungenauigkeiten liefern, wenn Sie den Pflegegrad beantragen.

Pflegegrad beantragen
Um dem Gutachter ein realistisches Bild des Pflegealltags zu gewähren, sollte der Tag auch wie im Normalfall ablaufen. Bereiten Sie also beispielsweise das Essen zur gleichen Zeit wie immer zu Foto: CasarsaGuru/iStock

Sonderfall beim Antrag auf einen Pflegegrad: Krankenhausaufenthalt

Nicht selten stellt sich eine Pflegebedürftigkeit nach Unfällen oder Erkrankungen ein. Wenn der Betroffene sich zum Zeitpunkt der Antragstellung im Krankenhaus, in der Reha oder einem Hospiz befinde, erfolgt oft zunächst eine vorläufige Festlegung des Pflegegrades nach Aktenlage. Denn in diesen Fällen kann die Begutachtungsfrist auf eine Woche begrenzt sein. Die Einstufung muss dann nachträglich durch eine endgültige Begutachtung untermauert werden.

Pflegestufen beantragen: Checkliste für den MDK-Besuch im Überblick

  • Pflegetagebuch: Liegt das Pflegetagebuch vor, eventuell ein Ess- oder Trinkprotokoll, falls hier Schwierigkeiten bestehen?

  • Wichtige Fragen: Ist ein „Spickzettel“ mit Dingen, die der Gutachter unbedingt mitgeteilt bekommen sollte, vorhanden? Oder auch ein Ausdruck der Gutachten-Fragen mit entsprechenden Anmerkungen.

  • Befunde und Co.:

    Sind alle ärztlichen Unterlagen wie z. B Befunde, Bescheide über Behinderungen zur Einsicht bereit? Gibt es einen Überblick, wie viel Zeit für Arztbesuche und Therapien aufgewendet wird?

  • Medikation:

    Stehen alle regelmäßig oder gelegentlich verwendeten Medikamente inklusive der Dosisangaben bereit?

  • Hilfsmittel:

    Sind alle vom Arzt verordneten und selbst gekauften Hilfsmittel (zum Beispiel Inkontinenzeinlagen, Rollator) aufgelistet oder vor Ort aufgebaut?

  • Pflegedokumentation:

    Wenn bereits ein professioneller Pflegedienst bei der Betreuung mitarbeitet: Steht die Pflegedokumentation zum Termin zur Verfügung?

Wenn Sie einen Pflegegrad beantragen und diese Punkte gut vorbereiten, können Sie dem MD-Besuch gelassener entgehen sehen.

Quellen:

Pflegegrad beantragen – so geht's, in: verbraucherzentrale.de

Pflegegrade, in: bundesgesundheitsministerium.de

Begutachtung durch Medizinischen Dienst: So können Sie sich vorbereiten, in: verbraucherzentrale.de