Pflanzliche Antibiotika – wie wirken sie?

Es gibt viele Pflanzen, die als pflanzliches Antibiotikum gelten: Sie wirken entzündungshemmend, schmerzlindernd und bekämpfen effektiv Bakterien, Viren und Pilze. Aber können sie synthetische Antibiotika wirklich ersetzen?
„Machen wir uns nichts vor: Bei vielen Krankheiten wirken herkömmliche Antibiotika schon längst nicht mehr – und diese katastrophale Entwicklung wird weiter voranschreiten“, sagt Dr. Eberhard Wormer, Mediziner und Autor verschiedener medizinischer Sachbücher. „Grüne Antibiotika sind daher die einzige Alternative, die wir haben.“ Denn anders als synthetische Antibiotika – mit meist nur einem oder zwei Wirkmechanismen – verfügen pflanzliche Antibiotika über eine Vielzahl von Schutzmechanismen, um sich gegen Bakterien, Viren oder Pilze zur Wehr zu setzen. „Dafür haben sie in Jahrmillionen komplexe Abwehrsysteme entwickelt, mit denen die Wissenschaft überhaupt nicht mithalten kann“, sagt Dr. Wormer. Deshalb suchen Forscher nun verstärkt in der Natur nach weiteren Wirkstoffen gegen potenziell tödliche Infektionen.
Letzte Rettung gegen resistente Keime
Tatsächlich sind pflanzliche Antibiotika die einzig verbliebene Antwort auf Infektionen durch antibiotikaresistente Keime“, erklärt Dr. Wormer. So zeigt zum Beispiel Cryptolepis, eine Pflanze, die hauptsächlich in Westafrika wächst und dort traditionell zur Bekämpfung von Malaria eingesetzt wird, auch eine stark antibiotische Wirkung gegen den sogenannten Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus, kurz MRSA.

Nicht nur Cryptolepis, auch andere Pflanzenstoffe wirken gegen die resistenten Keime, die gerade für geschwächte Personen im Krankenhaus gefährlich werden können. Deshalb werden zum Beispiel Krankenhauszimmer in Amerika mit verdünntem Grapefruitkernextrakt gereinigt. Auch sonst kommen pflanzliche Antibiotika immer häufiger zum Einsatz, wenn die herkömmlichen Arzneimittel versagen. „Ich kenne zahlreiche Patienten, bei denen die synthetischen Antibiotika nicht mehr angeschlagen haben. Menschen, deren Hautentzündungen monatelang erfolglos mit Chemie behandelt wurden. Und erst, als sie auf pflanzliche Heilmittel umgestiegen sind, wurden sie endlich gesund“, sagt Dr. Wormer.
Bei welchen Krankheiten kann ich auf ein pflanzliches Antibiotikum zurückfgreifen?
Pflanzliche Heilmittel können bei Infektionen der Atemwege, der Haut, bei Magen-Darm- und Harnwegsinfektionen helfen. Und das entweder systemisch, das heißt, ihre Wirkstoffe gelangen über den Darm ins Blutsystem. Oder lokal – vor allem bei infizierten Hautwunden, im Darm und in den Harnwegen. Oft helfen sie so sogar besser als synthetische Antibiotika.
Beispiel D-Mannose: In Studien konnte nachgewiesen werden, dass der Einfachzucker sich ebenso gut wie das Antibiotikum Nitrofurantoin bei Frauen zur Prophylaxe von Harnwegsinfekten eignet. Aber auch bei akuten Harnwegsinfekten sind pflanzliche Antibiotika zu empfehlen. Dr. Rainer Stange von der Abteilung für Naturheilkunde an der Berliner Charité hat die Wirksamkeit von pflanzlichen Präparaten mit Senfölglycosiden, die in Meerrettich und Kapuzinerkresse vorkommen, untersucht. „Die pflanzlichen Stoffe führen ähnlich wie die synthetischen Antibiotika zur Symptomfreiheit. Zwar 1,3 Tage später. Dafür aber mit sehr guter Verträglichkeit.“ Bei Infektionen der Atemwege setzt Dr. Stange ebenfalls mit Erfolg Senfölglycoside ein. Eine Studie vom Universitätsklinikum Freiburg belegt, dass die Senfölglycoside gegen 13 Bakterienarten eine keimhemmende Wirkung entfalten – auch wieder gegen den „Problemkeim“ MRSA.

Bei einer Mandelentzündung, meist verursacht durch Streptokokken, hilft Thymian als pflanzliches Antibiotikum. Französische Forscher konnten nachweisen, dass Thymian in einer Labor-Versuchsreihe die Anzahl der Bakterien Streptococcus pyogenes drastisch verringern konnte. Der Effekt ist nahezu vergleichbar mit dem eines Antibiotikums wie Amoxicillin. In einer weiteren Studie fanden Forscher heraus, dass Mundspülungen, die Thymian enthalten, ebenfalls die Zahl der schädlichen Bakterien stark dezimieren und so Entzündungen der Mundschleimhaut und des Zahnfleisches lindern. Thymian gibt es in unterschiedlichen Darreichungsformen: als Öl, Saft, Tropfen, Erkältungsbad, Salbe oder Tee.
Ein weiterer grüner Naturheil-Tausendsassa ist die Zistrose. Sie wirkt als Tee getrunken nicht nur gegen Bakterien, sondern auch gegen Pilze und sogar Viren. Eine Studie der Berliner Charité ergab, dass der Zistrosen-Tee bei Infektionen mit Influenza-A- und -B-Viren Verschleimungen löst und die Krankheitsdauer verkürzt. Laborversuche im Helmholtz Zentrum München (HMGU) zeigen, dass die Wirkstoffe der Zistrose sogar HIV-Erreger, Ebola- und Marburg-Viren lahmlegen und deren Vermehrung verhindern.
Stephen Harrod Buhner, Dr. Eberhard Wormer: „Grüne Antibiotika“, Mankau Verlag, 190 S., D 16,95 €
Welche Vorteile bieten pflanzliche Heilmittel?
„Bei der Behandlung mit synthetischen Antibiotika wird unser gesamtes Immunsystem niedergemacht, weil die Antibiotika unsere Darmflora zerstören. Danach dauert es Wochen, bis sich die Darmflora wieder regeneriert hat. So können wir in einen echten Infektions-Teufelskreis geraten“, sagt Dr. Wormer. Das ist bei pflanzlichen Antibiotika anders. Ihre sekundären Pflanzenstoffe stärken nicht nur die Darmflora. Antibiotika-Pflanzen können mit ihren Wirkstoffen – während sie effektiv die Erreger bekämpfen – sogar unser Immunsystem stärken. So enthält zum Beispiel die hochwirksame Kapuzinerkresse auch viel Vitamin C, Vitamin B, Kalium, Calcium, Phosphor und das Spurenelement Chrom (das obendrein nachweislich für ein Sättigungsgefühl sorgt). Viele grüne Antibiotika wirken zusätzlich gegen Pilze und Viren. Außerdem haben sie deutlich weniger schädliche Nebenwirkungen. Und – vielleicht sogar ihr größter Vorteil: Bei keinem pflanzlichen Antibiotikum sind Resistenzen bekannt – und diese sind auch nicht zu erwarten.

Sind die herkömmlichen Antibiotika dann überhaupt noch nötig?
„Synthetische Antibiotika sollten wirklich nur in Notfällen eingesetzt werden“, sagt Dr. Wormer. Doch leider werden Antibiotika noch viel zu häufig verschrieben. Eine aktuelle Hochrechnung belegt: In den vergangenen 15 Jahren ist der weltweite Antibiotikaverbrauch um 65 Prozent gestiegen. Experten gehen davon aus, dass mindestens ein Drittel völlig unnötig verschrieben wird. Entweder bei Krankheiten, bei denen Antibiotika ohnehin nicht helfen. Oder aber das Antibiotikum wirkt nicht gegen die Bakterien, die die Krankheit verursachen. Ein Antibiogramm, also die genaue Bestimmung der krankmachenden Bakterien, ergibt trotzdem nur in besonderen Fällen Sinn. „Nämlich, wenn die Antibiotika-Behandlung nach drei bis vier Tagen nicht anschlägt. Dann sollte man genauer schauen, welches Bakterium den Infekt verursacht, um gezielt behandeln zu können“, erklärt Dr. Stefan Fey, Oberarzt an der Klinik für Naturheilkunde, Klinik Blankenstein Hattingen. Er selbst schwört bei Sinusitis oder Infekten der oberen Atemwege auf Eucalyptus-Präparate aus der Apotheke. Und bei grippalen Infekten nimmt er warme Senföl-Fußbäder. Etwa zehn Minuten bei 37 Grad Wassertemperatur.
Die TOP 10 der pflanzlichen Antibiotika
Wirkstoff | Wirkung |
---|---|
Alchornea | Gehört zu der Familie der Wolfsmilchgewächse. Man bereitet die Blätter wie einen Tee zu. Wirkt bei Augeninfektionen. Alle drei bis vier Stunden einen bis drei Tropfen ins Auge träufeln. Aktuell: In Laborversuchen konnte sogar eine Wirksamkeit gegen MRSA nachgewiesen werden. |
Eucalyptus | Besitzt eine breite Wirkung gegen Bakterien – besonders gegen Staphylococcus und Streptococcus. Als Öl zur Inhalation. Vorsicht: Nicht in der Schwangerschaft anwenden! |
Honig | Wirkt stark antibiotisch gegen alle Formen resistenter Bakterien bei Haut- und Wundinfektionen. Ein- bis zweimal am Tag auf die Haut streichen und mit Verband abdecken. Tipp: Guter Bio-Wildhonig enthält Pollen, was ihn leicht trüb aussehen lässt. |
Beifuß | Wirkt gegen Parasiten im Blut. Sogar gegen Malaria konnte die Wirksamkeit in Studien bestätigt werden. Hilft auch bei Verdauungsbeschwerden und Krämpfen aller Art. Entweder ein bis drei Tassen als Tee trinken oder als Gewürz sparsam übers Essen streuen. |
Berberin | Wirkt bei Darminfektionen aller Art. Die Pflanze stört die Anheftung von Bakterien (z.B. Streptokokken) an die Darmschleimhaut. Tinkturzubereitung: Rinde der Berberin-Pflanze in 70 Prozent Alkohol und 30 Prozent Wasser legen. Morgens und abends einen Teelöffel einnehmen. Vorsicht: In der Schwangerschaft wird von Berberin abgeraten! |
Ingwer | Kann Fieber senken, Schmerz, Durchfall und Schwindel lindern. Erleichtert das Abhusten bei Bronchitis. Insgesamt sind mindestens 18 Wirkeigenschaften bekannt. Am wirksamsten als frisch gepresster Wurzelsaft im Verhältnis 4:1 (Saft:Alkohol). Alle zwei bis drei Stunden ein kleines Glas trinken. Achtung: Nicht bei Gallensteinen anwenden! |
Piperin | Der Immun-Booster! Wirkt unter anderem schmerzlindernd, antibakteriell, blutfettsenked, antientzündlich. Schwarzer Pfeffer sollte vor jeder Anwendung der antibiotischen Kräutermedizin eingenommen werden. Das verstärkt die Wirkung! Tinktur: frisch gemahlene Pfefferkörner mit Alkohol vermengen. Fünf bis 15 Tropfen täglich einnehmen. |
Cryptolepis | Hilft bei Harnwegsentzündungen. Hat aber auch pilzhemmende, antientzündliche und fiebersenkende Eigenschaften. Kann als Tee aufgegossen werden. Im Akutfall bis zu sechs Tassen pro Tag trinken. Nicht empfohlen bei der gleichzeitigen Einnahme von Psychopharmaka! |
Echinacea (Sonnenhut) | Ein pflanzliches Allround-Antibiotikum mit Immunverstärker-Effekt. Wirkt am besten als Wurzel-Tinktur. Im Verhältnis 1:5 (Wurzel:Alkohol) mischen. Bei Streptokokken-Angina 30 Tropfen stündlich auf das Rachengewebe geben. Bei Mundschleimhautentzündungen etwa 30 Sekunden im Mund behalten. Nicht empfohlen bei geschwächter Immunabwehr! |
Taigawurzel | Das perfekte Regenerationsmittel nach einer Krankheit! Das enthaltene Eleuthero gilt als Adaptogen, als Substanz, die die Abwehr verbessert. Wird auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin verwendet. Gibt es als Kapseln. Empfohlene Tagesmenge: 1200 Milligramm täglich. |