Pflanzliche Östrogene: Eine risikoarme Alternative in den Wechseljahren?
Lästige Wechseljahresbeschwerden loswerden, ganz ohne Nebenwirkungen – das Versprechen von pflanzlichen Östrogenen ist groß. In den Wechseljahren greifen viele Frauen aus diesem Grund zu natürlichen Hormonen, anstatt sich einer Hormontherapie zu unterziehen. Doch was sagt die Wissenschaft zur Wirksamkeit und möglichen Risiken von pflanzlichen Östrogenen?

In südostasiatischen Ländern treten im Vergleich zu westlichen Ländern Wechseljahresbeschwerden seltener auf. In Japan gibt es das Wort nicht mal. Man vermutet, dass das am Verzehr von Soja-Produkten liegt – genauer gesagt, an den darin enthaltenen pflanzlichen Östrogenen.
Daraus hergestellte Präparate gelten als nebenwirkungsarme Alternative zur Hormonersatztherapie, die nachgewiesenermaßen ernsthafte gesundheitliche Folgen haben kann. Aber sind Östrogene, wenn sie pflanzlich sind, tatsächlich völlig ohne Risiko?
Östrogene zählen zu den weiblichen Geschlechtshormonen. Man unterscheidet zwischen drei verschiedenen Formen von Östrogenen: Östradiol, Östriol und Östron. Die Hormone werden in den Eierstöcken, in der Nebennierenrinde und in der Schwangerschaft in der Plazenta gebildet. Die wichtigste Funktion von Östrogenen im weiblichen Körper ist die Steuerung des Menstruationszyklus. Darüber hinaus beeinflussen sie den Stoffwechsel, die Knochendichte, die Beschaffenheit von Haut und Schleimhäuten und die Psyche.
Ab dem 40. Lebensjahr sinkt der Östrogengehalt im Blut stetig, bis die Eierstöcke die Produktion weiblicher Hormone gänzlich einstellen – die Menstruation bleibt aus. Die hormonellen Veränderungen lösen verschiedene körperliche Symptome aus. Zu den häufigsten Wechseljahresbeschwerden gehören Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Stimmungsschwankungen und eine ungewollte Gewichtszunahme.
Daneben resultieren aus einem unbehandelten Östrogenmangel auch diverse Langzeitfolgen, wie Osteoporose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und geistiger Abbau.
Pflanzliche Östrogene ähneln körpereigenen Hormonen
Nicht nur im menschlichen Körper kommen Östrogene vor, sondern auch in der Natur: Pflanzliche Östrogene, auch Phytoöstrogene genannt, sind in Blüten, Früchten und Wurzeln von über 300 Pflanzen enthalten. Es gibt drei Gruppen von pflanzlichen Östrogenen – Flavone, Isoflavone und Coumestane. In medizinischen Präparaten sind vor allem sogenannte Isoflavone und Lignane verarbeitet, die unter anderem in Soja, Rotklee und Leinsamen vorkommen.
Phytoöstrogene sind zwar streng genommen keine Hormone. Es handelt sich um sekundäre Pflanzenstoffe, die in ihrer chemischen Struktur den körpereigenen Östrogenen ähneln oder zumindest östrogenartig wirken. Sie binden an dieselben Rezeptoren im Körper und können so einem Östrogenmangel entgegenwirken. Auch, wenn sich zu viel Östrogen im Körper befindet, kann pflanzliches Östrogen Abhilfe schaffen: Es blockiert die Rezeptoren, sodass körpereigenes Östrogen nicht mehr andocken kann.
Phytoöstrogene wurden in den 1950er-Jahren durch einen Zufall entdeckt: In australischen Schafherden wurden vermehrt Fälle von Unfruchtbarkeit beobachtet. Bei der Ursachenforschung stellte sich heraus, dass die Schafe eine bestimmte Kleesorte fraßen, die eine Besonderheit aufwies: Sie enthielt zwei pflanzliche Östrogene, die das körpereigene – und stärkere Östrogen – blockieren.
Pflanzliche Östrogene in den Wechseljahren: Alternative zu synthetischen Hormonen
Gerade in den Wechseljahren kommen immer häufiger pflanzliche Östrogene zum Einsatz, nachdem in den letzten zwei Jahrzehnten bewiesen wurde, dass die Hormonersatztherapie – lange Zeit das erste Mittel der Wahl gegen Wechseljahresbeschwerden – Gefahren für die Gesundheit birgt.
Eine 2005 veröffentlichte US-amerikanische Langzeitstudie („Women’s Health Initiative") wurde vorzeitig abgebrochen, nachdem die gesundheitlichen Folgen synthetischer Östrogene ersichtlich wurden. Der Studienleiter resümierte damals, dass die Nachteile der Hormonersatztherapie dem gesundheitlichen Nutzen überwiegen.
So gilt es als bewiesen, dass synthetisches Östrogen das Risiko für Brustkrebs ansteigen lässt; je länger die Therapie andauert, desto höher ist das Risiko. Denn Brusttumore wachsen unter Einfluss von Östrogenen. Eine Meta-Analyse von 2019, die 58 Studien auswertete, bestätigte den Zusammenhang. Darüber hinaus begünstigt eine Hormonersatztherapie Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkte und Schlaganfälle, wie Untersuchungen zeigen konnten.
Östrogen: pflanzlich ähnlich wirksam wie synthetische Hormone
Aus Pflanzen gewonnen, sollen Östrogene ohne gefährliche Nebenwirkungen auskommen. Der Grund: Pflanzliches Östrogen bindet nicht so stark an die Rezeptoren im Körper. Die Wirkung ist im Vergleich zum stärksten körpereigenen Östrogen, Östradiol, um ein Tausendstel schwächer.
Eine ausreichend hohe Dosierung und eine lange Einnahmedauer sorgen dennoch dafür, dass Phytoöstrogene im weiblichen Körper die gleiche Wirkung wie körpereigenes oder synthetisches Östrogen haben. Beschwerden wie Schweißausbrüche, Hitzewallungen, depressive Verstimmungen oder Schlafstörungen können daher auch mit pflanzlichen Östrogen-Präparaten gelindert werden.
Aber nicht nur das: Untersuchungen zeigen, dass pflanzliches Östrogen in den Wechseljahren das Wachstum von Brustkrebszellen hemmen kann. Eine Studie konnte dies für in Leinsamen enthaltene Lignane feststellen. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass Phytoöstrogene den Blutdruck senken, Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen und sich positiv auf die Knochendichte auswirken.
Pflanzliche Östrogene: Präparate mit verschiedenen Wirkstoffen
Für pflanzliche Östrogen-Präparate werden in der Regel verschiedene Pflanzen verarbeitet. Häufig sind zusätzlich Nährstoffe enthalten, die sich günstig auf Wechseljahresbeschwerden auswirken können. Phytohormone für Arzneimittel werden vor allem aus Soja, Rotklee, Sibirischen Rhabarber und Traubensilberkerze gewonnen, die jeweils als Trockenextrakt in Kapseln oder Tabletten erhältlich sind.
Studien deuten darauf hin, dass Östrogene aus diesen Pflanzen gegen Hitzewallungen und Schweißausbrüche helfen. In der Leitlinie zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe wird die lindernde Wirkung von Traubensilberkerze bei leichten Hitzewallungen bestätigt. Es gibt zudem Hinweise darauf, dass die im Sibirischen Rhabarber enthaltenen Hydroxystilbene depressive Verstimmungen und Schlafstörungen reduzieren kann.
Wichtig: Östrogen-Präparate sollten nur in der Apotheke gekauft werden, da man sich bei diesen Produkten sicher sein kann, dass es zugelassene und wirksame Arzneimittel sind. Außerdem sollten die Einnahme und Dosierung immer mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin besprochen werden. Hormonpräparate, auch wenn sie pflanzlich sind, sollten niemals ohne voherige Rücksprache eingenommen werden. Das gilt ganz besonders für Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind oder ein erhöhtes, genetisch bedingtes Risiko tragen.
Phytoöstrogene: Präparate möglicherweise nicht völlig ohne Nebenwirkungen
Neben all den positiven Wirkungen werden in der Wissenschaft auch gesundheitliche Risiken von pflanzlichen Östrogen-Präparaten diskutiert: Isoflavone könnten möglicherweise die Wirkung von Tamoxifen, einer tumorhemmenden Substanz im Körper, hemmen. Zudem soll in einer Studie eine Sorte von Isoflavonen, das sogenannte Genistein, im Reagenzglas das Wachstum von Brustkrebszellen stimuliert haben.
Bewiesen sind diese Zusammenhänge nicht – es handelt sich um kleine Studien, die nur wenig Aussagekraft besitzen. Dennoch stellt sich vielen Forschenden immer wieder die Frage nach der Wirksamkeit von pflanzlichen Hormonen. Nicht immer, so zeigen Studien, ist diese gegeben.
So muss Genistein im Körper erst von bestimmten Darmbakterien in eine hormonell wirksame Substanz (Equol) umgewandelt werden. Wenn jedoch dieses Bakterium im Darm nicht vorkommt – was Schätzungen zufolge auf mehr als 30 Prozent der Frauen zutrifft –, hat Genistein keinerlei hormonelle Wirkung.
Daneben ist auch der vermeintlich größte Beweis für die Wirksamkeit von Phytoöstrogenen, die scheinbare Nicht-Existenz von Wechseljahresbeschwerden in Japan, zweifelhaft: Leiden japanische Frauen tatsächlich seltener unter Wechseljahresbeschwerden oder beklagen sie sich lediglich nicht darüber?
Pflanzliche Östrogene in Lebensmitteln
Auch wenn die Frage nach der Wirksamkeit nicht abschließend geklärt ist, so zeichnet die Wissenschaft dennoch ein eindeutiges Bild: Es konnten positive gesundheitliche Wirkungen von pflanzlichen Östrogenen herausgestellt werden. Hingegen ist das erhöhte Krebsrisiko durch synthetische Östrogene unzweifelhaft bewiesen.
Ob die Einnahme von pflanzlichen Östrogen-Präparaten sinnvoll ist, muss individuell entschieden werden. Phytohormone können jedoch nicht nur über Präparate eingenommen werden, sondern auch über die Nahrung.
Folgende Lebensmittel enthalten besonders viele Phytoöstrogene:
Soja
Kuhmilch
Leinsamen
Vollkorngetreide
Beeren
Grüner Tee
Eine ausgewogene Ernährung, die dazu viele pflanzliche Östrogene enthält, kann vor allem bei leichten Wechseljahresbeschwerden einen Unterschied machen.
Quellen:
Hormonersatztherapie: Meta-Analyse bestätigt Brustkrebsrisiken, in: aerzteblatt.de
Lowcock C. Elisabeth [u.a.] (2013): Consumption of flaxseed, a rich source of lignans, is associated with reduced breast cancer risk, in: pub.med.ncbi (National Library of Medicine)
Poschner, Stefan [u.a.] (2017): The Impacts of Genistein and Daidzein on Estrogen Conjugations in Human Breast Cancer Cells: A Targeted Metabolomics Approach, in: ebd.