Penicillin-Allergie: Leide ich darunter?
Viele Menschen geben vor einer ärztlichen Untersuchung oder Operation an, unter einer Penicillin-Allergie zu leiden. Doch viele Mediziner:innen bezeichnen diese Arzneimittelallergie als „Phantom“. Warum das so ist und welche Symptome, Kreuzallergien und Behandlungsmöglichkeiten es bei einer Penicillin-Unverträglichkeit gibt.
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- Penicillin-Allergie: Was ist das?
- Penicillin-Allergie: Symptome, die bei einer allergischen Reaktion auftreten
- Ist eine Penicillin-Unverträglichkeit weit verbreitet?
- Penicillin-Allergie und Antibiotika-Nebenwirkungen: Verwechslungsgefahr
- Penicillin-Allergie: Alternativen zu Penicillin wirken oft schwächer
- Welches Antibiotikum bei Penicillin-Allergie?
- Penicillin-Allergie: Test kann Aufschluss geben
- Was tun bei einer allergischen Reaktion mit Penicillin?
Staphylokokken, Streptokokken, Pneumokokken und Meningokokken – all diese Bakterien können effektiv mithilfe von Penicillin bekämpft werden. Das Medikament ist ein Antibiotikum und wird demzufolge bei bakteriellen Infektionen eingesetzt. Doch einige Menschen reagieren allergisch: Sie haben eine Penicillin-Allergie. Wie sich die Unverträglichkeit äußert und wie Betroffene sicher feststellen lassen können, ob sie wirklich eine Penicillin-Allergie haben.
Penicillin-Allergie: Was ist das?
Penicilline zählen zu den ältesten Antibiotika und gelten als hochwirksam, um den Körper bei der Bakterienbekämpfung zu unterstützen. Wie bei vielen anderen Medikamenten kann es auch bei der Gabe von Penicillin zu einer allergischen Reaktion kommen. In diesem Fall spricht man von einer Penicillin-Allergie, die in der Medizin als Betalaktamantibiotika-Überempfindlichkeit bezeichnet wird, weil Penicilline zur Gruppe der Betalaktamantibiotika gehören.
Bei einer allergischen Reaktion stuft das Immunsystem die körperfremde Substanz als gefährlich ein – zunächst findet eine Sensibilisierung statt, beim erneuten Kontakt kann der Botenstoff Histamin als Abwehrreaktion freigesetzt werden, um die vermeintlichen Eindringlinge zu bekämpfen.
Diese zwei Typen von Penicillin-Allergien kommen häufiger vor:
Beim Sofort-Typ (Typ-I-Allergie) tritt die allergische Reaktion unmittelbar nach der Gabe von Penicillin auf – der Körper setzt sogenannte IgE-Antikörper gegen das Allergen ein. Voraussetzung ist, dass zuvor eine Sensibilisierung stattgefunden hat.
Allergische Symptome des Spät-Typs (Typ-IV-Allergie), die vor allem nach Gabe von Aminopenicillinen vorkommen, treten erst Stunden oder Tage später nach der Medikamenteneinnahme auf. Anders als beim Typ I spielen hier sogenannte T-Lymphozyten (weiße Blutzellen für die Immunabwehr) eine Rolle.
Penicilline können aber auch die Allergie-Typen II und III auslösen.
Die Entdeckung des Penicillins geht auf den britischen Mediziner und Bakteriologen Alexander Fleming zurück. 1928 entdeckt er durch Zufall eine vergessene Petrischale in seinem Londoner Labor, in der sich Schimmelpilze gebildet hatten. Seine Erkenntnis brachte den Durchbruch in der Infektiologie: Die Schimmelpilze hatten die in der Schale befindlichen Bakterien abgetötet – das Extrakt aus den Schimmelpilzen nannte er fortan Penicillin.
Risikofaktoren einer Penicillin-Allergie
Einige Menschen haben ein höheres Risiko als andere, eine Penicillin-Allergie zu entwickeln. Zu den Risikofaktoren zählen:
Auftreten von Arzneimittelallergien in der Familie
vorherige Penicillin-Einnahme, entweder mehrmals hintereinander oder in hoher Dosierung
andere Allergien gegenüber Arzneimittel, Nahrungsmitteln oder Pollen
Virusinfektionen wie ein akuter Pfeiffersches Drüsenfieber oder HIV
weibliches Geschlecht
Penicillin-Allergie: Symptome, die bei einer allergischen Reaktion auftreten
Eine allergische Reaktion auf Penicillin geht mit unterschiedlichen Symptomen einher, die sich an der Haut oder an den Atemwegen zeigen können.
Zu den Soforttyp-Reaktionen einer Penicillin-Allergie zählen:
allergischer Schnupfen
allergisches Asthma
Juckreiz, zum Beispiel an den Handflächen, Fußsohlen oder auf der Kopfhaut
Schwellung in der Haut durch Wassereinlagerung (Angioödeme), vor allem auf der Zunge mit zusätzlichen Beschwerden wie Heiserkeit und Schluckstörung
Quaddeln, auch Urtikaria oder Nesselsucht genannt
Hitzewallung mit Erröten (Flush)
Atembeschwerden wie Luftnot (Dyspnoe)
Akuter niedriger Blutdruck (Hypotonie)
Herzrhythmus-Störung
Im schlimmsten Fall kann es zu Bewusstlosigkeit bis hin zu Herzstillstand kommen.
Zu den Spättyp-Reaktionen einer Penicillin-Allergie zählen:
rote, juckende Flecken auf der Haut (Arzneimittelexantheme)
Pusteln
brennende, stechende und schmerzhafte Hautstellen
Gesichtsschwellung (Gesichtsödem)
Fieber
Schwellung der Lymphknoten
sehr selten: schwere Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut wie Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und toxisch-epidermale Nekrolyse (TEN)
Kreuzallergie mit Penicillin: Diese sind möglich
Wer gegen Penicillin allergisch ist, kann auf vergleichbare Allergene ebenfalls reagieren. Bekannte Kreuzallergien mit anderen Medikamenten aus der Beta-Laktam-Gruppe liegen zum Beispiel mit Monobactamnen und Carbapenemen vor.
Auch kann es bei Gabe von Amino-Penicillinen wie Ampicillin und Amoxicillin bei einer Penicillin-Allergie zu Kreuzreaktionen kommen.
Eine Kreuzallergie zwischen Penicillinen und Cephalosporinen tritt sehr selten auf. Cephalosporine-Medikamente ab der 3. Generation (Breitspektrum-Cephalosporine) werden dann nicht verschrieben, wenn die Penicillin-Allergie immunologisch als gesichert gilt – das heißt, wenn Allergietests tatsächlich eine solche Allergie bescheinigen. Ratsam ist es daher, vor der Gabe von Cephalosporinen einen oralen Provokationstest durchzuführen, um die Verträglichkeit zu prüfen.
Ist eine Penicillin-Unverträglichkeit weit verbreitet?
Was vielleicht die wenigsten wissen: Nicht viele Menschen haben eine Penicillin-Allergie, auch wenn sie annehmen, gegen diese Antibiotika allergisch zu sein, wie die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) mitteilt.
Als Beleg für diese Fehleinschätzung dient zum Beispiel eine 2019 veröffentlichte Studie aus den USA: Jede:r zehnte US-Amerikaner:in ist davon überzeugt, eine Penicillin-Allergie zu haben. Die Forschenden führten bei Betroffenen allergologische Tests durch – mit dem Ergebnis, dass 95 Prozent der Studienteilnehmer:innen nachweislich nicht allergisch gegen Penicillin und andere Antibiotika sind.
Auch deutsche Untersuchungen untermauern dieses Ergebnis, wie zum Beispiel eine allergologische Überprüfung von 325 Patient:innen aus dem Jahr 2004 in Würzburg. Alle Teilnehmenden gaben an, an dieser Allergie zu leiden. Bei 246 von ihnen (mehr als 75 Prozent) kam heraus, dass ihre Annahme falsch war. Lediglich bei 52 Patient:innen bestätigte sich die Selbsteinschätzung einer Penicillin-Allergie. Dennoch konnte auch bei Ihnen der Wirkstoff Cephalosporine eingesetzt werden – ein Antibiotikum aus der Beta-Laktam-Gruppe, zu der auch Penicillin zählt.
Doch wie kommt es zu dieser anscheinend falschen Annahme vieler Menschen?
Penicillin-Allergie und Antibiotika-Nebenwirkungen: Verwechslungsgefahr
Bei Medikamenten können Nebenwirkungen mit allergischen Symptomen verwechselt werden, deshalb ist es für Laien nicht immer einfach, zwischen beidem zu unterscheiden.
Häufige Nebenwirkungen nach Gabe von Penicillin sind zum Beispiel Übelkeit, Durchfall und Erbrechen. Auch entzündliche Hautreaktionen, Schwindel, Sehstörungen, Hörprobleme und Verwirrung können eine unerwünschte Folge des Medikaments sein. Bei diesen Beschwerden sollte immer ein Arzt aufgesucht werden, um entweder die Antibiotikatherapie mit anderen Mitteln zu begleiten oder das Medikament zu wechseln.
Doch nicht nur die Verwechslungsgefahr mit Nebenwirkungen kann zu der falschen Annahme führen, eine Penicillin-Allergie zu haben. Manche Patient:innen berichten, dass ihre Eltern ihnen von einer Unverträglichkeit in der Kindheit berichten haben. Viele wissen aber nicht mehr genau, woher genau diese Vermutung stammt.
Penicillin-Allergie: Alternativen zu Penicillin wirken oft schwächer
Diese Diskrepanz zwischen Selbsteinschätzung und nachweislicher Allergie hat laut DGI oft zur Folge, dass Ärzt:innen ihren Patient:innen Penicillin eher nicht verschreiben und stattdessen auf Alternativen wie Breitband-Antibiotika setzen – dies sei jedoch mit gravierenden Folgen verbunden.
Denn Breitband-Antibiotika haben Nachteile gegenüber Penicillin:
Sie wirken nicht gezielt gegen die krankmachenden Bakterien, sondern greifen auch die körpereignen Bakterien an – sie haben also einen „breiten“ Wirkungsbereich. Besser ist es daher, wenn Patient:innen ein sogenanntes Schmalspektrum-Antibiotika einnehmen, das speziell gegen die zu bekämpfenden Bakterien vorgeht.
Breitband-Antibiotika können entsprechend mit stärkeren Nebenwirkungen einhergehen.
Das Risiko für Antibiotika-Resistenzen ist erhöht.
Welches Antibiotikum bei Penicillin-Allergie?
Bei Menschen mit Penicillin-Allergie stehen Ärzt:innen zur Behandlung sogenannte Betalactam-freie Medikamente zur Verfügung. In der Regel handelt es sich dabei um Breitspektrum-Antibiotika.
Bei einer Penicillin-Allergie können diese alternativen Antibiotika verschrieben werden:
Fluorchinolone
Clindamycin
Vancomycin
Makrolide
Glykopeptide
Chinolone
Der behandelnde Arzt kann Ihnen Generaues dazu sagen, welches Medikament infrage kommt.
Penicillin-Allergie: Test kann Aufschluss geben
Eine angenommene Penicillin-Allergie sollte von Fachleuten mithilfe von allergologischen Tests überprüft werden, wie Gerd Fätkenheuer, DGI-Präsident und Leiter der Infektiologie an der Klinik I für Innere Medizin am Universitätsklinikum Köln, erklärt.
Wichtig zur Abklärung ist neben dem Anamnese-Gespräch eine allergologische Blutuntersuchung im Labor. Relativ neu ist der sogenannte PEN-FAST-Test, mithilfe dessen der behandelnde Arzt das Allergie-Risiko einfacher einschätzen kann. Diese Fragen beinhaltet die Schnelltest-Methode:
F: Gab es eine allergische Reaktion innerhalb der letzten fünf Jahre? (2 Punkte)
A: Trat ein anaphylaktischer Schock oder ein Angioödem auf? (2. Punkte)
S: Traten schwere allergische Hautreaktionen auf? (2 Punkte)
T: War bei diesen Reaktionen eine Therapie erforderlich, um die Beschwerden zu behandeln? (1 Punkt)
Liegt das Ergebnis dieses Tests bei unter 3 Punkten, so kann von einem geringem Allergierisiko ausgegangen werden.
Weitere Diagnostik-Verfahren bei Verdacht auf eine Penicillin-Allergie sind:
Prick-Test: Bietet sich bei einer Allergie des Soforttyps an mit Symptomen wie Nesselsucht. Dabei werden Allergenlösungen auf die Haut geträufelt, die danach mit einer Nadel oberflächlich eingeritzt wird. Nach etwa 15 bis 20 Minuten kann der Test ausgewertet werden.
Intrakutantest: Dabei wird dem Betroffenen das Allergen unter die Haut gespritzt. Nach 20 Minuten kann die Auswertung erfolgen.
Epikutan- oder Pflastertest: Dieser Hauttest wird in der Regel bei Verdacht auf den Allergie-Spättyp durchgeführt, vor allem bei vorherigem Auftreten von Exanthemen. Üblich ist es, ein Pflaster mit Allergenlösung auf die Haut anzubringen und nach einem Tag das Ergebnis auszuwerten.
Arzneimittel-Provokationstest: Patient:innen nehmen bei dieser Testmethode Penicillin ein. Dieses Verfahren wird nur unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt, weil die allergischen Reaktionen schwer ausfallen können.
Darüber hinaus gibt es noch weitere Methoden, die die Allergie-Diagnose sichern können. Ihr Arzt wird sie hierzu beraten können.
Was tun bei einer allergischen Reaktion mit Penicillin?
Bemerken Sie allergische Symptome nach Einnahme von Penicillin, sollten Sie das Antibiotikum sofort absetzen und einen Arzt aufsuchen. Denn nur dieser kann abklären, ob es sich um eine allergische Reaktion oder um Nebenwirkungen des Medikaments handelt. Zudem verschreibt der Arzt in einem Akutfall Kortison-Präparate und Antihistaminika, damit die Beschwerden schnell zurückgehen.
Bei einem anaphylaktischen Schock sollte sofort der Notarzt gerufen werden, weil diese allergische Reaktion lebensgefährlich sein kann. Auch hier kann der Arzt Kortison, Antihistaminika und darüber hinaus Adrenalin verabreichen.
Die wichtigste Maßnahme bei einer Penicillin-Allergie ist jedoch – sofern die Allergie bekannt ist – das Allergen bzw. das Medikament auf zu Dauer zu vermeiden.
Quellen:
Wurpts, G., Aberer, W., Dickel, H., Brehler, R., Jakob, T., Kreft, B., ... & Brockow, K. (2019). S2k-Leitlinie: Diagnostik bei Verdacht auf eine Betalaktamantibiotika-Überempfindlichkeit. Allergo Journal, 28(5), 19-51.
Diagnose Penicillin-Allergie? Oft falsch, in: ecarf.org
Penicillinallergie ist in den meisten Fällen gar keine: Ausweichen auf andere Antibiotika hat Nachteile und ist oft unnötig, in: dgi-net.de
Wie verbreitet sind Arzneimittelallergien?, in: allergieinformationsdienst.de
Kohlhäufl, M. (2020). Ist es wirklich eine Penicillinallergie?. Pneumo News, 12(4), 22-22.
Shenoy E. et al.: Evaluation and Management of Penicillin Allergy / A Review. JAMA.2019;321(2):188-199.