Neue Studie zu Diabetes nach Corona-Infektion: 40 Prozent mehr Fälle!

Diabetes gehört zu den Corona-Risikofaktoren, das ist bekannt. Untersuchungen zeigen jedoch auch: Eine Corona-Infektion kann die Zuckerkrankheit auslösen. Wie häufig das der Fall ist und wovon eine Diabetes-Krankheit nach COVID-19 abhängt, zeigt eine neue Studie aus den USA.

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Wer an Diabetes leidet, gehört zu den Corona-Risikogruppen. Zuckerkranke Menschen haben ein höheres Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken. Die beiden Krankheiten stehen allerdings in wechselseitiger Beziehung: Wer an Corona erkrankt, hat ein erhöhtes Risiko, einen Diabetes zu entwickeln. Eine neue Studie liefert nun genaue Zahlen.

Diabetes nach Corona: Ausmaß war bisher nicht bekannt

Wissenschaftler:innen der Biostatistik der Saint Louis University und des Departments of Veterans Affairs des US-Militärs wollten wissen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit bei Corona-Infizierten ist, später Diabetes mellitus zu entwickeln – und wovon das Risiko für die Zuckerkrankheit abhängig ist. "Es gibt wachsende Hinweise dafür, dass Personen mit COVID-19 über die akute Phase einer SARS-CoV-2-Infektion hinaus eine ganze Reihe von Folgeschäden inklusive Diabetes davontragen können", schrieben die Forscher Yan Xie und Ziyad Al-Aly und hielten fest: "Das Ausmaß des Risikos und der Häufigkeit von Diabetes nach der akuten Erkrankung sind aber bisher noch nicht umfassend dargestellt worden." Deshalb gingen sie dieser Frage weiter nach.

Diabetes-Risiko ist abhängig vom Schweregrad der Corona-Infektion

Für ihre Untersuchung werteten die Epidemiologen Daten von 181.280 Personen aus: 88 Prozent Männer und 12 Prozent Frauen mit einem Durchschnittsalter von 60 Jahren. Voraussetzung für die Auswahl der Studienteilnehmer:innen war, dass sie zwischen dem 1. März 2020 und dem 30. September 2021 ein positives Corona-Testergebnis hatten und etwa einen Monat danach noch gelebt haben. Zum Vergleich zogen die Forschenden Daten von zwei weiteren Gruppen an: Eine davon mit 4,2 Millionen Menschen im gleichen Alter und mit ähnlichen Eigenschaften ohne COVID-19-Erkrankung im selben Zeitraum und eine weitere Kohorte mit ebenfalls 4,2 Millionen Personen, jedoch aus der Zeit vor Corona.

Die Studie wurde jüngst in der Fachzeitschrift "Lancet Diabetes & Endocrinology" veröffentlicht – mit zwei zentralen Ergebnissen: Das Risiko für eine Diabetes-Erkrankung ist bei älteren Corona-Infizierten um 40 Prozent erhöht. Dabei ist das Krankheitsrisiko vom Schweregrad der Infektion abhängig. Wer demnach wegen COVID-19 im Krankenhaus, vor allem auf der Intensivstation, behandelt werden muss, hat nach der Erkrankung ein viel höheres Risiko als Menschen, deren Krankheitsverlauf eher mild war.

Die Forschenden hielten fest: "In der Zeit nach der akuten Erkrankung zeigten die Menschen mit COVID-19 im Vergleich zur aktuellen Vergleichsgruppe ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Diabetes (plus 40 Prozent) sowie mehr neue Fälle (13,46 mehr neue Patienten pro 1.000 Personen innerhalb eines Jahres) sowie eine größere Häufigkeit der Einnahme von Blutzucker senkenden Medikamenten (plus 85 Prozent) sowie mehr dieser Fälle (12,35 pro 1.000 Personen innerhalb von zwölf Monaten)."

"Vermächtnis" von COVID-19: Weitere chronische Erkrankungen nicht ausgeschlossen

Neben Diabetes hinterließe COVID-19 jedoch ein "Vermächtnis" von vielen weiteren chronischen Erkrankungen, wie der Epidemiologe Ziyad Al-Aly feststellt. Wenige Monate zuvor hatte der Wissenschaftler mit seinem Team herausgefunden, dass Corona-Infizierte nach ihrer Erkrankung oftmals aktue Nierenschädigungen haben – im Vergleich zu Menschen ohne diese Infektion steigt das Risko nach COVID-19 um 50 Prozent.

Frühere Studie zeigten bereits: Corona kann Diabetes auslösen

Chien-Ting Wu von der Stanford University untersuchte 2021 mit einem internationalen Team an Forschern, wie genau Corona und Diabetes mellitus zusammenhängen. Der an der Studie beteiligte Mediziner Matthias Matter, Fachbereichsleiter der Molekularpathologie am Universitätsspital Basel, verwies damals darauf, dass etwa 10 bis 20 Prozent aller Patienten mit einem schweren Corona-Verlauf in der Folge an Diabetes erkranken – die Zahl dürfte nach den neuesten Erkenntnissen der US-Studie deutlich höher liegen.

Grund dafür ist die Schädigung der insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse, was einen erhöhten Blutzucker zur Folge hat. Die bisher ungeklärte Frage war: Ist das Coronavirus direkt für die Zellschäden verantwortlich oder wird der Diabetes durch eine Autoimmunreaktion des Körpers auf die COVID-Infektion ausgelöst? 

Diabetes als Folge von COVID-19: Welchen Rezeptor nutzt Corona?

Laut der internationalen Studie, die im Fachmagazin "Cell Metabolism“ veröffentlicht wurde, infiziert SARS-CoV-2 die Betazellen der Bauchspeicheldrüse und löst damit einen Diabetes aus, die dem Diabetes Typ 1 ähnelt. Das Ungewöhnliche daran: Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass das Coronavirus vor allem über ACE2 und seinen Kofaktor TMPRSS2 in Zellen eindringt. Beide sind in Betazellen allerdings nur gering vorhanden. 

Die Studie deckte auf, dass Corona mit Blick auf Diabetes einen anderen Weg in die Zellen nutzt. Statt an ACE2 bzw. TMPRSS2 dockt das Virus an einem Rezeptor an, der in der Bauchspeicheldrüse verstärkt vorkommt: das Protein Neuropilin 1. Dort vermehrt sich SARS-CoV-2 und zerstört die Zellen. Die Insulinproduktion im Körper wird gestoppt. „Diese Ergebnisse sind ein starker Beleg für die erhöhte Anfälligkeit der Betazellen in der menschlichen Pankreas gegenüber SARS-CoV2“, schlussfolgerten Wu und sein Team. 

Mögliche Behandlungsmethode für Corona-bedingten Diabetes

Die Studie legte damals schon offen, dass der coronabedingte Diabetes eine direkte Folge der Viruserkrankung ist. „Unsere Beobachtungen zeigen einen Mechanismus, durch den SARS-CoV-2 direkte Schäden an den Betazellen verursachen kann und dadurch auch einen klinischen Typ-1-Diabetes“, so Chien-Ting Wu. 

Die Erkenntnisse deuten eine Behandlungsmöglichkeit an: Blockiert man den Rezeptor Neuropilin 1, könnte die Infektion der Betazellen und damit die Entstehung von Diabetes mellitus verhindert werden. Hierzu gibt es allerdings noch keine medizinischen Untersuchungen.

Quellen:

Xie, Y., & Al-Aly, Z. (2022). Risks and burdens of incident diabetes in long COVID: a cohort study. The Lancet Diabetes & Endocrinology.

Wu, Chien-Ting, et al. (2021). SARS-CoV-2 infects human pancreatic β cells and elicits β cell impairment. Cell metabolism 33.8: 1565-1576.

40 Prozent mehr Diabetes-Fälle nach Covid-19-Erkrankung, in: standard.de

SARS-CoV-2 infects human pancreatic β cells and elicits β cell impairment, in: sciencedirect.com

Forscher: Covid-19-Erkrankung kann Diabetes auslösen, in: deutschlandfunk.de

So löst das Coronavirus Diabetes aus, in: scinexx.de

Diabetes und COVID-19, in: diabsurv.rki.de