Neue Studie: Netzhautscans könnten ADHS und Autismus erfassen
Australische Wissenschaftler:innen könnten eine Methode entdeckt haben, mit der sich messen lässt, ob eine Person an ADHS oder Autismus erkrankt ist. Dazu wird ein Netzhautscan durchgeführt. Erste Tests waren vielversprechend.
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Ist es bald möglich, eindeutig und vor allem objektiv festzustellen, ob jemand an ADHS oder Autismus leidet? Australische Forscher:innen machen mit einer neuen Studie Hoffnung.
Netzhautscans erfassen ADHS und Autismus
Wissenschaftler:innen der australischen Flinders University und der University of South Australia haben in einer Studie gezeigt, dass ADHS und Autismus mithilfe von Elektroretinogrammen (ERG) diagnostiziert werden können. Bei ERGs werden Lichtreize auf das Auge gebracht und anschließen mithilfe mehrerer Elektroden die elektrische Aktivität der Netzhaut gemessen.
ADHS und Autismus am Auge erkennen
Das Team um Paul Constable, Optometrist von der Flinders University, führte ERG-Messungen bei Kindern mit ADHS und bei Kindern mit Autismus durch und stellte fest, dass beide Male Besonderheiten bei der ERG-Energie auftraten.
Kinder mit ADHS produzierten eine überdurchschnittliche Menge an ERG-Energie, Kinder mit Autismus hingegen eine unterdurchschnittliche Menge.
Constable betonte die Bedeutung dieser Beobachtungen: "Die Signale der Netzhaut werden von bestimmten Nerven übertragen. Unser Ziel ist es, diese Unterschiede zu erkennen und die genauen Nervenbahnen und chemischen Prozesse zu lokalisieren, die auch im Gehirn genutzt werden."

ADHS, vereinfacht ausgedrückt, an den Augen abzulesen, ist vor Paul Constable und seinem Team bereits in Deutschland gelungen. 2015 führten Psychiater der Uniklinik Freiburg im Breisgau Versuche durch, bei denen sie ADHS-Erkrankte vor einen Bildschirm setzten, auf dem ein Schachbrett zu sehen war. Die Felder dieses Bretts wechselten ständig ihre Farbe. Die gemachten ERGs zeigten später ein erkennbares Muster: Menschen mit ADHS können den eigentlichen Reiz und das gleichzeitig auftretende Netzhaut-Hintergrundrauschen weniger gut voneinander trennen. Das macht sie anfälliger für Unruhe, Konzentrationsschwäche und Reizbarkeit.
"Für den Betroffenen ist das alles viel verrauschter, also viel kontrastärmer und insofern natürlich auch schwerer, da bestimmte Reize auszusuchen. Oder er wird schneller abgelenkt zu dem nächsten Reiz, weil die Kontrastunterschiede geringer sind", erklärte Psychiater Emanuel Bubl damals.
ADHS und Autismus sind schwer zu diagnostizieren
ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) und Autismus werden bisher nicht objektiv diagnostiziert, sondern auf Grundlage von Befragungen durch eine Fachärztin/einen Facharzt. Dabei können Symptome sowohl falsch interpretiert als auch übersehen werden. Optometrist Paul Constable fasst zusammen: "Autismus und ADHS sind die häufigsten neurologischen Entwicklungsstörungen bei Kindern. Aber einige Merkmale sind identisch, was die Diagnose zu einem langen und komplizierten Prozess macht."
Hinzukommt, dass in beiden Fällen die Diagnosen bei Mädchen und Frauen besonders schwer sind, weil sich bei ihnen andere Symptome bemerkbar machen als bei Jungen und Männern.
ADHS und Autismus: Das Ende langwieriger Diagnosen?
Etabliert sich das ERG-Verfahren zu Diagnose von ADHS oder Autismus, ist vor allem den Betroffenen geholfen. Statt subjektiver Befragungsverfahren könnte dann ein diagnostischer Test aufdecken, ob eine Erkrankung vorliegt. "Wir hoffen, auf diese Weise eine genauere und frühere Diagnose verschiedener neurologischer Entwicklungsstörungen stellen zu können", betont Paul Constable.
Sein Studien-Kollege Fernando Marmolejo-Ramos nannte die Ergebnisse der Untersuchungen außergewöhnlich. Allerdings: "Es bedarf weiterer Forschung, um die Abnormalitäten der Netzhautsignale zu verstehen, die für ADHS, Autismus und andere neurologische Entwicklungsstörungen spezifisch sind."
- Constable, P. A., Marmolejo-Ramos, F., Gauthier, M., Lee, I. O., Skuse, D. H., & Thompson, D. A. (2022). Discrete Wavelet Transform Analysis of the Electroretinogram in Autism Spectrum Disorder and Attention Deficit Hyperactivity Disorder. Frontiers in neuroscience, 16.