Narzisstische Wut: Das sollten Sie nie tun!
Der Umgang mit narzisstischen Familienmitgliedern, Freund:innen oder Partner:innen kann nervenaufreibend sein – umso mehr, wenn man regelmäßig zur Zielscheibe narzisstischer Wut wird. Wie man dann richtig reagiert und was man nie tun sollte.

Die narzisstische Wut unterscheidet sich erheblich von der Wut, die Menschen ohne narzisstische Persönlichkeitsstörung erleben. Sie ist so heftig, dass sie in verbale oder sogar körperliche Aggressionen umschlagen kann. Jede noch so kleine Kränkung kann sie auslösen. Wie reagiert man als Partner, Freundin oder Familienmitglied richtig darauf?
Narzisstische Wutausbrüche: Was sind die Ursachen?
Menschen, die starke narzisstische Züge haben oder gar an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS) leiden, haben unter anderem drei Merkmale gemeinsam: ein Gefühl der eigenen Grandiosität, das Bedürfnis nach viel Anerkennung und Bewunderung sowie fehlende Empathie. Diese Persönlichkeitsmerkmale bilden die Grundlage für die Entstehung narzisstischer Wut.
Der Knackpunkt liegt aber woanders: Das Selbstwertgefühl von Narzisst:innen ist zwar hoch, aber zugleich extrem instabil. Denn das Gefühl der Grandiosität ist nicht echt. Es dient vielmehr dazu, die darunter liegenden Minderwertigkeitsgefühle zu verdecken. Der Selbstwert eines Narzissten ist vergleichbar mit einem Haus, das auf wackligen Säulen steht. Selbst kleinste Erschütterungen bringen es zum Wanken. Jeden Moment, so scheint es, könnte es in sich zusammenbrechen. Genau so können Narzisst:innen jederzeit in eine große Krise stürzen, wenn sie bei ihren Mitmenschen auf Ablehnung stoßen.
Ihr fragiles Selbstwertgefühl sorgt dafür, dass sie überaus empfindlich auf vermeintliche Kränkungen reagieren. Jede noch so harmlose Kritik oder Enttäuschung bedeuten einen Riss im überhöhten Selbst und werden daher als Bedrohung angesehen. Narzisst:innen empfinden in solchen Momenten die Angst, in den Augen anderer nicht perfekt zu sein und nicht mehr die für sie so wichtige Anerkennung von außen zu erhalten.
Diese existenzielle Angst zeigt sich jedoch nur im Inneren. Im Außen wird sie in rasende Wut übersetzt. Narzisst:innen schalten in den Angriffsmodus, mit dem Ziel, die Verursacher ihres Leids zu bekämpfen, damit sie ihr inneres Gleichgewicht wiederherstellen können.
In welchen Situationen entsteht narzisstische Wut?
Die Auslöser narzisstischer Wut stehen in der Regel in keinem Verhältnis zum Wutausbruch. Für Außenstehende ist der Zorn nicht nachvollziehbar. Denn es sind keine Beschimpfungen oder harte Kritik nötig, um einen narzisstisch gestörten Menschen zur Weißglut zu bringen. Es kann schon zu heftigen Wutanfällen kommen, wenn sie auf einen Fehler aufmerksam gemacht werden oder wenn sie ihrer Ansicht nach zu wenig Aufmerksamkeit bekommen. Häufig zeigt sich narzisstische Wut nach der Trennung, da dies für die Narzisst:innen eine der schlimmstmöglichen Kränkungen darstellt.
Narzisst:innen reagieren typischerweise mit übersteigerter Wut, wenn
…sie sich ungerecht behandelt fühlen.
…sie vermeintlich zu wenig Beachtung bekommen – besonders von engen Bezugspersonen wie dem/der Partner:in.
…ihren Willen nicht durchsetzen können.
…ihre Manipulationsversuche scheitern.
…sie kritisiert werden.
…sie etwas tun müssen, was sie nicht tun wollen.
…sie Verantwortung für ihre Fehler übernehmen müssen.
…ihnen widersprochen wird.
…ihr Verhalten oder ihre Ansichten hinterfragt werden.
…Bezugspersonen sich anders verhalten, als sie das wollen.
…sie Rücksicht auf andere nehmen müssen.
…sie Eifersucht oder Neid empfinden.
…sie beim Lügen oder Betrügen erwischt werden.
Narzisstische Wut: So äußert sie sich
Wie sich narzisstische Wut äußert, hängt vor allem davon ab, welche Form der Narzissmus annimmt. Beim „klassischen“, extravertierten Narzissmus sind die Wutausbrüche meist explosiv. Sie beinhalten heftige verbale Entgleisungen: Es kommt zu Beschimpfungen, Abwertungen und unsachliche Kritik, die auf die Schwächen des Opfers abzielt.
Um sich überlegen zu fühlen, scheuen sich Narzisst:innen nicht davor, ihr Opfer kleinzumachen und in ihrer Würde anzugreifen. Wird das Gegenüber abgewertet, können sich Narzisst:innen wieder groß fühlen. Aber manchmal bleibt es nicht bei verbalen Attacken – narzisstische Wut kann auch in körperliche Gewalt münden.
Für den verdeckten Narzissmus ist hingegen eine subtile Wut typisch. Stets darum bemüht, ihre Maske nicht fallen zu lassen, zeigen verdeckte Narzisst:innen passiv-aggressives Verhalten. Sie machen sarkastische Bemerkungen, verweigern die Kommunikation, setzen Liebesentzug ein oder brechen den Kontakt für einige Zeit oder dauerhaft ab. Die Feindseligkeit bleibt unterschwellig, aber sie hat die gleiche Wirkung wie offen gezeigte Wut, denn in beiden Fällen wird das Gegenüber für sein vermeintliches Vergehen abgestraft.
Weil verdeckte Narzisst:innen ihre Wut nicht ausagieren, können sie noch mehr als extravertierte Narzisst:innen lange Groll gegenüber dem Verursacher der Kränkung hegen – Monate, Jahre oder gar ein Leben lang. Gemeinsam haben die beiden Narzissmus-Typen, dass sie ihre Wut nicht regulieren können. Narzisst:innen sind nicht nur im übertragenen Sinne von einer Zerstörungswut getrieben, die eine Aussöhnung unmöglich macht.
Wie reagieren auf narzisstische Wut?
Ungerechtfertigte Kritik oder gar Beleidigungen rufen natürlicherweise das Bedürfnis hervor, sich zu verteidigen. Allerdings lassen Widerworte die Wut extravertierter Narzisst:innen nur noch stärker werden, da sie sie als Kritik und damit als weiteren Angriff werten. Selbst wenn das Gegenüber seine Argumente sachlich vorträgt: Narzisst:innen lassen sich niemals von ihrer Sicht der Dinge abbringen. Denn das würde bedeuten, dass sie einen Fehler gemacht haben. Und das passt mit ihren Grandiositätsgefühlen nicht zusammen.
Zudem wenden Narzisst:innen (besonders verdeckte) Gaslighting an, damit sie ihre Sicht der Dinge durchsetzen. Durch ganz bewusstes Lügen sollen ihre Opfer so an ihrer Wahrnehmung zweifeln, dass sie dem oder der Narzisst:in am Ende Recht geben – und damit ihr überhöhtes Selbstbild bestätigen. Um die Manipulationsversuche von vornherein zu unterbinden, das eigene Selbstwertgefühl zu schützen und eine Eskalation zu vermeiden, sollten Betroffene niemals in die Diskussion einsteigen.
Ist man narzisstischer Wut ausgesetzt, können folgende Tipps die Situation schnell entschärfen:
Bleiben Sie ruhig und gelassen.
Machen Sie sich klar, dass Sie nicht der Grund für den Wutanfall sind – lassen Sie sich keine Schuldgefühle einreden.
Akzeptieren Sie die Gefühle des Narzissten bzw. der Narzisstin, anstatt sie infrage zu stellen.
Gehen Sie nicht auf die Vorwürfe ein.
Reagieren Sie nicht auf Bestrafungsversuche.
Entschuldigen Sie sich nicht, da dies die Narzisst:innen nur darin bestätigen würde, dass ihr Verhalten gerechtfertigt ist.
Setzen Sie klare Grenzen und kommunizieren Sie diese (z.B.: „Es ist nicht in Ordnung, dass du mich beleidigst.“)
Beenden Sie das Gespräch, wenn Sie merken, dass sich Ihr Gegenüber immer mehr in Rage redet.
Bieten Sie ihm oder ihr an, sich auszusprechen, wenn er oder sie sich dazu bereit fühlt.
Narzissmus: Wutausbrüche können zu Depressionen führen
Oftmals kann der Kontakt mit Narzisst:innen nicht vermieden werden. Das gilt besonders, wenn es sich um den/die Partner:in oder ein enges Familienmitglied handelt. Zeigt eine nahe Bezugsperson immer wieder Anzeichen narzisstischer Wut, kann zwar ein ruhiges und gelassenes Auftreten deeskalierend wirken. Dennoch hinterlassen ständige Abwertungen und Beschimpfungen ihre Spuren.
Auf Dauer kann der emotionale Missbrauch der Psyche zusetzen und dem Selbstbewusstsein erheblich schaden, was das Risiko für Depressionen erhöht. Darum sollten Betroffene auf Abstand gehen oder den Kontakt abbrechen. Zudem ist die Trennung von einem Narzissten oder einer Narzisstin oftmals die einzige Möglichkeit, um sich selbst zu schützen. Eine Psychotherapie kann im Zweifel dabei helfen, den Absprung zu schaffen und die Folgen der narzisstischen Wut zu verarbeiten.
Wenn Sie sich ständig erschöpft und traurig fühlen oder unter Schlafproblemen leiden, kann dies auf eine Depression hindeuten. Spätestens nach zwei Wochen Niedergeschlagenheit ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen. Auf der Website der Deutschen Depressionshilfe finden Sie verschiedene Anlaufstellen. Dort sind auch Adressen für Notfälle gelistet. Bei konkreten Suizidgedanken ist es wichtig, die nächstgelegene Klinik mit psychiatrischer Notaufnahme aufzusuchen.
Bei akuten Sorgen oder Ängsten können Sie jederzeit anonym die Telefonseelsorge unter den Telefonnummern 0800/111 0 111 oder 116 123 anrufen.
Wenn Sie nicht selbst betroffen sind, aber depressive Symptome bei anderen bemerken, erhalten Sie auf der Website der Deutschen Depressionshilfe konkrete Handlungsempfehlungen. Besteht eine konkrete Suizidgefahr ist es wichtig, sofort den Rettungsdienst unter 112 oder die Polizei zu verständigen.
Quellen:
Narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS), in: msdmanuals.com
Narzissmus, in: psychologie-heute.de