Narzissmus heilen: Ist das möglich?
Während Narzissten selbst unfähig sind, ihre Störung zu erkennen, fragen sich viele Mitmenschen: Lässt sich Narzissmus heilen? Denn er kann nicht nur eine schlechte Eigenschaft sein, sondern auch eine ernsthafte Persönlichkeitsstörung. Maßlose Selbstüberschätzung, Rücksichtslosigkeit und mangelnde Empathie gehören zu den Hauptsymptomen.

Wenn man von Narzissmus spricht, können zwei verschiedene Dinge damit gemeint sein – eine im Bereich des Normalen liegende Charaktereigenschaft oder eine Persönlichkeitsstörung. Als Charaktereigenschaft verbindet man Narzissmus mit Arroganz, Eitelkeit und einem hohen Statusbewusstsein. Handelt es sich um eine Persönlichkeitsstörung, sind die narzisstischen Anteile so stark ausgeprägt, dass sie zwischenmenschliche Probleme und einen hohen Leidensdruck zur Folge haben.
Definition: Was ist Narzissmus?
Der pathologische Narzissmus ist eine ernst zu nehmende Persönlichkeitsstörung, die die Wahrnehmung, das Gefühlsleben und die zwischenmenschlichen Beziehungen der Betroffenen gleichermaßen negativ beeinflusst. Nach einer deutschen Studie ist mindestens einer von 200 Menschen betroffen. Man schätzt, dass die Dunkelziffer höher liegt.
Als Narzissten gelten Menschen, die von mangelnder Empathie, Egozentrismus und einem Grandiositätsdenken eingenommen sind. Betroffene neigen dazu, andere Menschen für ihre Zwecke auszunutzen und rücksichtslos zu handeln. Das führt nicht nur zu zwischenmenschlichen Problemen im privaten und beruflichen Bereich: Narzissten leiden auch selbst, weil sie stets auf die Bestätigung von außen angewiesen sind.
Entgegen dem weit verbreiteten Glauben, besitzen Narzissten ein geringes Selbstwertgefühl. Nach außen hin zeigen die Betroffenen ein starkes Selbstbewusstsein. Das Innenleben kennzeichnet sich hingegen durch ein brüchiges Selbst, das sowohl durch Anerkennung von außen als auch durch grandiose Gedanken kompensiert werden soll.
Aufgrund des hohen Selbstanspruchs neigen Narzissten zu Perfektionismus und Versagensängsten. Das kann weitere psychische Probleme nach sich ziehen: Depressionen, Sucht- oder Angsterkrankungen sind nicht selten Begleiterkrankungen einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung.
Wie lässt sich Narzissmus erkennen?
Narzissmus zeigt sich auf unterschiedliche Weise und ist für die Mitmenschen der Betroffenen nicht direkt erkennbar. Denn zunächst erscheinen Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung charmant und liebenswürdig – insbesondere gegenüber Personen, von denen sie etwas wollen. Doch kann gerade ein ausgeprägter Charme ein erster Hinweis auf eine narzisstische Persönlichkeitsstörung sein. Betroffene versuchen nämlich auf diese Weise, ihr mangelndes Einfühlungsvermögen zu verbergen.
Ein deutlicheres Warnsignal für Narzissmus ist jedoch, wenn Menschen ihre eigenen Leistungen übertrieben darstellen und sich über andere ausschließlich negativ und abwertend äußern. Narzissmus in einer Beziehung lässt sich an häufigen Wutausbrüchen, Respektlosigkeit und Eifersucht erkennen sowie an der Unfähigkeit, Fehler einzugestehen.
Laut dem Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen (DSM-IV) spricht man von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, wenn mindestens fünf der folgenden Symptome vorliegen:
Betroffene einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung
- haben ein ausgeprägtes Gefühl der eigenen Wichtigkeit
- sind eingenommen von grandiosen Fantasien über grenzenlosem Erfolg, Macht und Schönheit
- glauben, besonders zu sein und so von anderen angesehen zu werden
- verlangen von anderen übermäßig Bewunderung und Anerkennung
- haben ein erhöhtes Anspruchsdenken (Erwartung an eine bevorzugte Behandlung)
- verhalten sich in narzisstischen Beziehungen ausbeuterisch, indem sie andere für die eigenen Ziele ausnutzen
- zeigen mangelnde Empathie
- sind neidisch auf andere oder glauben, andere sind neidisch auf sie und
- legen Arroganz und Überheblichkeit in Verhalten und Einstellung an den Tag
Wie wird Narzissmus behandelt?
Narzissmus wird in der Regel durch eine Psychotherapie behandelt, entweder ambulant in einer Praxis oder stationär in einer Klinik. Einzeltherapiesitzungen lassen sich durch Gruppen- oder Kreativtherapiesitzungen ergänzen. In manchen Fällen, etwa bei einer akuten Depression, kommen übergangsweise zusätzlich Psychopharmaka zum Einsatz.
Narzissmus heilen: Ist das möglich?
Psychologen gehen davon aus, dass eine narzisstische Persönlichkeitsstörung nicht heilbar ist, da sich eine Persönlichkeit nicht von Grund auf verändern lässt. Zudem führt die fehlende Einsicht in die eigene Persönlichkeitsstörung dazu, dass Betroffene nur selten eine professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen. Erst wenn der Leidensdruck durch die Begleiterkrankungen steigt, lassen sich Betroffene auf eine Therapie ein.
Das Ziel der Behandlung ist es, die Symptome so zu reduzieren, dass sich das Leid der Betroffenen und ihres Umfelds verringert. In der Therapie lernen Narzissten, an ihrer Selbstwahrnehmung zu arbeiten und narzisstische Verhaltensweisen zu kontrollieren. Auch wenn es nicht möglich ist, Narzissmus zu heilen, so stellt eine Therapie zumindest eine deutliche Besserung der Symptome in Aussicht.
Quellen:
- Narzissmus: In: Dorsch Lexikon der Psychologie