Nächtliches Einnässen – das rät die Kinderärztin

Es betrifft viel mehr Kinder, als man allgemein denkt: das nächtliche Einnässen, auch Enuresis nocturna genannt. Tagsüber sind die Kinder teilweise schon seit Jahren trocken, ohne dass auch nur das kleinste Malheur passiert – aber nachts will es einfach nicht klappen. Woran liegt das? Bis wann ist Einnässen noch normal und wann muss man anfangen, Maßnahmen zu ergreifen? Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Dr. Nadine Hess
Expertin Dr. med. Nadine McGowan: „Wenn Ihr Kind nachts noch einnässt, wenden Sie sich vertrauensvoll an Ihren Kinderarzt – es ist ein häufiges Problem, für das sich niemand schämen muss“ Foto: privat
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Das sagt die Kinderärztin Dr. med. Nadine McGowan

Grundsätzlich unterscheidet man beim nächtlichen Einnässen eine primäre und eine sekundäre Form. Primär bedeutet, dass das Kind noch nie nachts über mehr als sechs Monate trocken war, sekundär bedeutet, dass es nach einer langen Periode, in der das Kind trocken war, wieder zu Einnässen kommt. Diese zweite Enuresis-Form, die anders als die primäre Enuresis nocturna sehr häufig psychische Gründe hat, besprechen wir heute nicht, da sie in den allermeisten Fällen gänzlich anders zu behandeln ist.

Nächtliches Einnässen – wie viele Kinder sind betroffen?

In einer großangelegten Studie fragten vier Gesundheitsämter in Westdeutschland bei der Schuleingangsuntersuchung 2013/2014 insgesamt über 13.000 Eltern zu dem Thema ab. Dabei kam heraus, dass bis zu 17 Prozent der Kinder, die vor der Einschulung stehen, nachts noch nicht kontinuierlich trocken sind, unter zehn Prozent der Kinder jede Nacht, Jungen etwas häufiger als Mädchen. Wenn es Ihrem Kind genauso geht, sind Sie also definitiv nicht alleine. Eine Abklärung braucht es erst nach dem vollendeten sechsten Lebensjahr, die nächtliche Blasenkontrolle ist etwas, was bei vielen Kindern erst mit etwas Verzögerung ausreift.

Gründe für nächtliches Einnässen

Die Gründe für eine primäre Enuresis nocturna bei Kindern sind schnell eingegrenzt und psychische Ursachen finden sich so gut wie nie. Psychische Probleme treten höchstens irgendwann als Folge des nächtlichen Einnässens und der damit möglicherweise verbundenen sozialen Ausgrenzung auf (Übernachtungsbesuche bei Freunden sind ebenso schwierig wie Klassenfahrten...).

Junge schläft
Tiefer Schlaf als Grund für nächtliches Einnässen: Betroffene Kinder sind besonders schwer wach zu kriegen und „verschlafen“ den Drang, zur Toilette zu gehen Foto: Fotolia

Die meisten Kinder mit primärer Enuresis sind deutlich schwerer aufzuwecken als ihre Altersgenossen, so dass sie die zunehmende Blasenfüllung regelrecht verschlafen. Manche wachen nicht mal auf, wenn schon alles nass ist.

Behandlung gegen nächtliches Einnässen: Klingelhose, Trink-Tagebuch oder ADH-Nasenspray?

Eine sogenannte Klingelhose oder auch –matratze kann dann helfen. Ein kleiner Sensor in der Unterhose oder Matratze sendet schon bei kleinsten Urintropfen ein lautes Signal, das die Kinder weckt. Anfänglich wird trotzdem immer noch einiges an Urin im Bettchen landen, aber nach einigen Wochen reicht schon der erste Ton, die Kinder sind wach, gehen zur Toilette und benötigen das akustische Signal kurz darauf gar nicht mehr. 70 Prozent der Kinder werden dank der Klingelhose dauerhaft trocken.

Viele Kinder trinken auch in den Abendstunden zu viel: Die tägliche Trinkmenge eines Schulkindes beträgt circa 50 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht und davon sollten etwa 75 Prozent bis 17:00 Uhr getrunken sein. Sonst fällt automatisch zu viel Urin in den Abend- und Nachtstunden an. Ein Blasentagebuch, das man für zwei bis drei Wochen führt und in dem man Trinkmenge, Uhrzeit, die Toilettengänge und auch allfälliges nächtliches Einnässen protokolliert, kann da sehr hilfreich sein.

Manche Kinder haben zusätzlich auch eine besonders kleine Blasenkapazität: Obwohl noch „Speicherplatz“ für Urin in der Blase wäre, signalisieren die Blasendehnungsrezeptoren in der Blasenwand schon „es wird zu voll“. Tagsüber gehen die betroffenen Kinder besonders häufig zur Toilette, aber nachts schaffen sie es dann nicht mehr. Wobei man in diesem Fall, genau wie bei mangelnder ADH-Sekretion (ADH steht für antidiuretisches Hormon, dieses wird normalerweise nachts von der Hirnanhangdrüse ausgeschüttet, damit weniger Urin produziert wird und man seltener zur Toilette muss) davon ausgehen muss, dass es nicht die einzigen Gründe sind – die Kinder sind meistens zusätzlich schwer erweckbar.

Vater und Sohn lesen Buch
Protokollieren Sie in einem Blasentagebuch Trinkmenge, Toilettengänge und nächtliches Einnässen – so finden Sie gemeinsam mit dem Kinderarzt die ideale Behandlung gegen Bettnässen und Ihr Kind schläft schon bald wieder trocken Foto: imago

Bei der mangelnden ADH-Sekretion – die allerdings ebenso wie die zu geringe Blasenkapazität nicht ganz einfach und nur durch Spezialisten zu diagnostizieren ist –kann man zur Nacht das fehlende ADH durch ein Nasenspray ersetzen.

Keine falsche Scham bei nächtlichem Einnässen – Ihr Kinderarzt hilft!

Wenn Ihr Kind nachts noch einnässt, wenden Sie sich vertrauensvoll an Ihren Kinderarzt – es ist ein häufiges Problem, für das sich niemand schämen muss. Gut wäre es, wenn Sie zu dem Termin bereits ein Blasentagebuch mitbringen könnten. Der Kinderarzt wird dann noch ein paar Fragen stellen, den Urin untersuchen, eine Ultraschallkontrolle der Blase machen und Ihnen dann einen Therapievorschlag unterbreiten. Ein bisschen Geduld braucht es in der Behandlung schon und wichtig ist, dass Sie Ihr Kind immer wieder bestärken, dass kleine Rückschläge dazugehören und nicht schlimm sind.

Insgesamt sind die Erfolgsaussichten groß, dass Ihr Kind innerhalb weniger Monate auch nachts trocken ist und dann sind alle stolz – Eltern und Kind – und die Waschmaschine bekommt vielleicht auch ein Pause mehr...